Lange Bärte, neue Bandmitglieder und Sounds: Die Beach Boys suchten Anfang der Siebziger den Anschluss an den Zeitgeist. Christian Werner über die Box „Sail on Sailor“, mit der sich zwei unterschätzte Alben der Band wiederentdecken lassen.
Das Image der ewig lächelnden Jungs vom Strand, an dem stets die Sonne scheint, hängt ihnen immer noch an. Doch die unbeschwerte Zeit der juvenilen Surf- und Gute-Laune-Hits ist lange vorbei. Die Beach Boys gelten Anfang der Siebzigerjahre nicht mehr als cool. Der daraus resultierende Veränderungsdruck und -wille in der Band ist so stark, dass man über eine Änderung des Bandnamens nachdenkt. „The Beach“ wäre sein Favorit gewesen, verrät Gitarrist Al Jardine.
Es bleibt beim etablierten Bandnamen als Markentitel. Stattdessen erweitert sich die Band um zwei Musiker: Gitarrist/Bassist Blondie Chaplin und Schlagzeuger Ricky Fatar, ehemals bei der südafrikanischen Band The Flame, die Beach Boy Carl Wilson produziert hatte.
Auch Fleetwood Mac und die Beatles holen neue Musiker
Ein Effekt, den auch andere erfolgreich ausprobieren. Etwa Fleetwood Mac (Neuzugänge: Stevie Nicks/Lindsay Buckingham), sogar die Beatles profitieren von dem temporären, wenn auch inoffiziellem Bandmitglied Billy Preston während der Sessions zu „Let it be“.
Dass die Verjüngungskur bei den Beach Boys funktioniert, zeigen die Alben „Carl and the Passions – ‚So tough‘“ von 1972 und „Holland“ (1973), die gekoppelt unter dem Titel „Sail in Sailor – 1972“ als Doppel-LP (plus EP)/Doppel-CD oder Box-Set (sechs CDs/fünf LPs plus EP) mit vielen Extras und remastered wiederveröffentlicht werden.
Vor allem „Carl and the Passions…” muss neu bewertet werden: Das Album ist vielseitig wie nur wenige der Band und die Neuen bringen Rhythm-and-Blues-Feeling in den Sound. Da Brian Wilson nur sporadisch als Mastermind agiert, teilt man schon seit längerem das Songschreiben auf, auch Chaplin und Fatar werden eingebunden. Ihre Songs dürfen sie selbst singen, ein bewährtes Prinzip in der Band.
The Beach Boys sind weiter zu großer Musik fähig
Das kurz darauf in den Niederlanden eingespielte „Holland“ nimmt musikalisch den Faden auf, wirkt etwas blasser und hat nach Intervenieren der Plattenfirma mit „Sail in Sailor“ einen kleinen Hit. Beide Platten bleiben im Verkauf hinter den Erwartungen, doch die Beach Boys zeigen noch einmal, dass sie zu großer Musik fähig sind.
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Die kleine Version der Neufassung (Doppel-LP/-CD) vereint neben den Alben die einst „Holland“ beigelegte EP „Mount Vernon and Fairway (A fairy Tale)“ von Brian Wilson, 22 Bonustracks mit Live-Songs, alternativen Mixen, A-cappella-Versionen, Demos und den unbekannten formidablen Songs „Hard Time“ und „Carry me Home“. Die große Box hat mehr davon, etwa einen kompletten Auftritt in der Carnegie Hall.
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