Erfurt. Auch ohne The Smiths kann Johnny Marr gute Songs schreiben. Bester Beweis: seine dekadenspannende Best of. Mick Flannery und The Paper Kites haben ebenfalls neue Alben veröffentlicht, wir haben reingehört.
Spät, aber mit Schmackes: Erst im Jahr 2013 und im Alter von 50 veröffentlichte Johnny Marr sein erstes Solo-Album. Untätig war der ehemalige Gitarrist und – neben Morrisey – Songschreiber von The Smiths nach dem Aus seiner berühmten Band nicht, musizierte die meiste Zeit aber im Verbund mit Kollegen.
Einen Überblick über das Schaffen des gefragten Gitarristen aus den vergangenen zehn Jahren bietet die Best of „Spirit Power“ mit 16 Tracks, darunter Songs von allen vier Solo-Platten, Nicht-Album-Singles sowie ein launiges Cover von Depeche Modes „I feel you“, das ursprünglich nur zum Record Store Day 2015 veröffentlicht wurde und mit beachtlicher Gesangsleistung Marrs. Zwei neue Songs fügen sich perfekt ein in die Riege der hymnischen und durchaus tanzbaren Stücke des introvertierten Musikers.
Mick Flannery schöpft aus großer Bandbreite
Mit Duetten kennt er sich aus: Der irische Musiker Mick Flannery hat vor zwei Jahren ein Balladenalbum mit der Sängerin Susan O’Neill veröffentlicht. Auf seinem neuen, inzwischen achten Werk „Goodtime Charlie“ finden sich immerhin drei Duette, erneut mit Frauen: Valerie June, Tianna Esperanza und Anaïs Mitchel.
Trotz vieler toller entschleunigter Momente ist es kein Balladen-Album geworden. Flannery croont sich mit seiner eindringlichen Stimme durch Americana, Gospel, Folk und Blues, auch mal mit Memphis-Horns. Zu Recht ein Star in seiner Heimat.
The Paper Kites jammen in der australischen Provinz
Für ihr sechstes Album hat die australische Band The Paper Kites ihre Komfortzone verlassen: Die Musiker haben sich für einen Monat in ein altes Haus am Straßenrand aus der Goldgräberzeit eingemietet, in der 2000-Einwohner-Stadt Campbells Greek, 120 Kilometer nordwestlich von Melbourne. Die Band hat den Zauber des Orts wirken lassen, ihn als Konzertort hergerichtet, sie haben gejammt, aufgenommen und jeden Freitag einen unangekündigten Auftritt gespielt.
Den Zauber des Moments kann man auf "At the Roadhouse" nachspüren, das Album, das während des Experiments in der Pampa entstanden ist. Feinster Country-Folk, exzellent und gefühlvoll gesungen wie auch instrumentiert. Allerdings sind 16 Songs, die meist einer (getragenen) Stimmung folgen, mitunter ein recht armer Spannungsbogen. Weniger wäre hier mehr gewesen.
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