Berlin. Bei „Anne Will“ wurde der Tabubruch von Erfurt thematisiert. Es trafen aufeinander: Alice Weidel, Kevin Kühnert und Sahra Wagenknecht.

  • Bei „Anne Will“ wurden am Sonntagabend die Folgen der Thüringen-Wahl diskutiert
  • Alice Weidel fiel weniger mit sachlichen Beiträgen auf – dafür aber mit ihrem zum Teil merkwürdigen Verhalten
  • Sahra Wagenknecht konfrontierte die AfD-Politikerin direkt mit Aussagen von Björn Höcke – und bekam höchstens ausweichende Antworten
  • Die Linken-Politiker kritisierte dann noch deutlich die FDP – und meinte damit vor allem die „Opferrolle“, in die die Partei ihrer Ansicht nach fiel

Was passiert, wenn Alice Weidel, Sahra Wagenknecht und Kevin Kühnert aufeinandertreffen? Bei „Anne Will“ ließ sich diese seltene Kombination beobachten.

Diskutiert wurde am Sonntagabend über Thüringen. „Welche Konsequenzen hat der Tabubruch?“, wollte die Gastgeberin wissen.

Anne Will – Das waren die Gäste:

  • Peter Altmaier (CDU)
  • Wolfgang Kubicki (FDP)
  • Alice Weidel (AfD)
  • Kevin Kühnert (SPD)
  • Sahra Wagenknecht (Die Linke)
  • Melanie Amann, Leiterin des „Spiegel“-Hauptstadtbüros

Anne Will – Alice Weidel irritiert mit ihrem Auftritt

Für Alice Weidel war es eigentlich ein schöner Moment. Schließlich vertrat sie die fragwürdigen Sieger, die mit einem schmutzigen Trick einen demokratischen Konsens zerstört und die anderen Parteien in die Krise gestürzt haben. Doch Weidel wirkte alles andere als souverän. Ständig lachte sie süffisant und fiel anderen mit Bemerkungen wie „unglaublich!“ ins Wort.

Noch unsouveräner wurde es, als die AfD-Fraktionschefin sich zu Björn Höcke verhalten sollte. Jenem Faschisten also, den sie einst selbst aus der AfD ausschließen wollte. Und heute? Kein schlechtes Wort über ihn, auch, als Sahra Wagenknecht Weidel an die vielen rechtsradikalen Äußerungen von Höcke erinnerte.

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    Stattdessen behauptete Weidel, dass man den thüringischen AfD-Landeschef in „altkommunistischer Tradition“ diffamieren wolle, nur weil er anders denke. Eine absurde Behauptung, die dann tatsächlich „unglaublich“ war.

    Zu Gast bei „Anne Will“ am Sonntag (v.l.n.r.): Sahra Wagenknecht (Die Linke), Alice Weidel (AfD), Wolfgang Kubicki (FDP), Anne Will (Moderatorin), Peter Altmaier (CDU), Melanie Amann (Leiterin des
    Zu Gast bei „Anne Will“ am Sonntag (v.l.n.r.): Sahra Wagenknecht (Die Linke), Alice Weidel (AfD), Wolfgang Kubicki (FDP), Anne Will (Moderatorin), Peter Altmaier (CDU), Melanie Amann (Leiterin des "Spiegel"-Hauptstadtbüros) und Kevin Kühnert (SPD). © NDR/Wolfgang Borrs

    Ansonsten ging es in der Debatte vor allem um die Folgen für FDP und CDU. Für letztere hatte Melanie Amann eine ebenso exakte wie vernichtende Analyse parat – und zwar sowohl was Thüringen als auch den Bund angeht. „Für viele Menschen dort ist Herr Ramelow schlimmer als Herr Höcke“, sagte die Spiegel-Journalistin mit Blick auf das Bundesland. Deshalb würden viele CDU-Abgeordnete Druck aus ihren Wahlkreisen spüren, was erkläre, warum sie für Kemmerich stimmten.

    Die CDU ist nicht nur in Thüringen, sondern bundesweit gespalten

    Zugleich benannte Amann auch die Probleme der Bundes-CDU deutlich. Diese sei gleich doppelt gespalten: einmal in Ost und West, mit höchst unterschiedlichen Ansichten zur AfD. Aber auch in Befürworter und Gegner der Politik von Angela Merkel. Hinzu komme schließlich ein Führungsproblem: „Sie hat keine Möglichkeit, sich durchzusetzen“, sagte Amann mit Blick auf Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer.

    Die Liberalen nahm Sahra Wagenknecht auseinander. „Die Opferrolle der FDP nervt“, sagte die frühere Fraktionschefin der Linken. Schließlich habe man sehr genau gewusst, was passieren würde, wenn sich Thomas Kemmerich zur Wahl stellt. Dieser sei auch nur zurückgetreten, weil der öffentliche Druck so groß wurde.

    Anne Will: Das unglaubwürdige Argument von Wolfgang Kubicki

    Wolfgang Kubicki versuchte verzweifelt, diese Argumente zu entkräften. Das gelang ihm aber nicht, weil alles gegen die FDP und Kemmerich spricht. Man habe ja nicht ahnen können, dass die AfD für Kemmerich stimmen würde, behauptete der Vize-Parteichef.

    Eine ulkige Behauptung, wenn man bedenkt, dass genau dieses Szenario schon Tage vorher kursierte. Und hätte Kemmerich dann nicht wenigsten nach der Wahl, als er realisierte, dass die AfD für ihn gestimmt hatte, sagen müsse: „Ich lehne ab“? Auch interessant: Warum FDP-Chef Lindner nach dem Thüringen-Desaster eine jämmerliche Figur abgibt.

    Kubicki sieht sich als „mental stärker als Thomas Kemmerich“

    Auch dafür hatte Kubicki eine fast schon lustige Erklärung parat. „Ich bin wahrscheinlich mental stärker, als Thomas Kemmerich“, befand der Vizeparteichef. Kemmerich sei völlig perplex gewesen und habe die Wahl in diesem Zustand akzeptiert. „Warum haben Sie gratuliert, obwohl Sie doch mental stärker sind?“, fragte die Gastgeberin da messerscharf nach.

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      Diese Frage führte gleich zur nächsten Verirrung von Kubicki. Seinen Jubel für Kemmerich verargumentierte er damit, dass doch auch andere gratuliert hätten, etwa der Bischof von Erfurt. „Er konnte auch göttlichen Beistand gebrauchen“, sagte da trocken Kevin Kühnert.

      Das Fazit: FDP und CDU sind ins Mark getroffen

      Diese Ausgabe von „Anne Will“ zeigte, dass man gar nicht in abstrakten Demokratie-Kategorien denken muss, um den Schaden von Erfurt zu bemessen. Nein, die Wahl von Kemmerich wirkt sich viel konkreter aus: Die FDP und insbesondere die CDU sind ins Mark getroffen.

      Das zeigte sich in der Runde exemplarisch an Peter Altmaier. Immer wieder geriet der CDU-Wirtschaftsminister ins Schwimmen, etwa, als er nicht schlüssig erklären konnte, warum seine Partei genauso wie zur AfD auch zur Linken eine Distanz halten will. „Wenn das jetzt so weiter geht bis zur planmäßigen Bundestagswahl, könnte es nur noch eine rauchende Ruine der CDU geben“, beschrieb Amann die Lage der Partei. Das klang ziemlich plausibel.

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