Berlin. Bisher hatte CSU-Chef Markus Söder in der Corona-Krise besonnen reagiert. Eine Aussage von ihm bei „Anne Will“ verwunderte daher.

Olaf Scholz mahnt. Es mag Politiker geben, denen es mit Corona-Lockerungen nicht schnell genug gehen kann. Der Bundesfinanzminister gehört nicht zu dieser Gruppe. „Es wird schwierig bleiben“, sagte Scholz am Sonntagabend bei Anne Will. „Zwei Jahre lang“.

So viel Zeit könnte verstreichen, ehe ein Impfstoff zur Verfügung steht und große Teile der Bevölkerung ihn auch verabreicht bekommen haben. Was nichts anderes heißt, als dass die Gesellschaft lernen muss, mit dem Coronavirus zu leben. Olaf Scholz spricht von einer „neuen Normalität“. Es klingt trist. Und doch stimmt es auf eine Realität ein, die die Deutschen so bisher nicht kannten – mit der Pandemie.

„Anne Will“: Wie geht es mit der Wirtschaft weiter?

Dass Scholz noch immer, ähnlich wie die Kanzlerin, mahnend und warnend vor die TV-Kameras tritt, ändert nichts an der politischen Realität: Nach wochenlangem Shutdown, 10 Millionen Menschen in Kurzarbeit und einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit um 300.000 Personen, treten ökonomische Fragen immer stärker in den Vordergrund. „Raus aus dem Corona-Stillstand – hat die Regierung hierfür den richtigen Plan?“, fragte Anne Will.

Und mit Finanzminister Scholz und dem aus München zugeschalteten bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) waren gleich zwei Regierungsvertreter in der Runde, die sich bisher als besonnene Krisenmanager in Szene gesetzt hatten. Umso mehr verwunderte es, dass CSU-Chef Söder mitten in der (politischen) Debatte über Corona-Lockerungen plötzlich das Robert Koch-Institut in die Pflicht nahm.

„Es wäre wichtig, dass wir vom RKI eine Zahl bekommen“, sagte Söder. Einen Wert, der die Reproduktionszahl R, die Neuinfektionen und die Zahl der Genesenen umfasst. Und der als Grundlage für weitere Lockerungen oder neue Beschränkungen dient. Lesen Sie dazu auch: Corona: Neue RKI-Fallzahlen und aktuelle Reproduktionszahl.

Die Wissenschaft kann nicht für die Politik entscheiden

Der Wunsch mag verständlich sein. Nur erfüllen kann ihn die Forschung nicht. Die Soziologin Jutta Allmendinger wies Söders Idee nach der einen Formel erwartungsgemäß zurück. „Die Wissenschaft kann ein Set vorlegen, entscheiden muss die Politik“, sagte die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB). Aber genau das ist nicht einfach.

Viele Wünsche prasseln auf die Regierung ein, führende Wirtschaftsverbände machen Druck, dass es Zeit für Lockerungen sei – und neue staatliche Hilfen. Ganz vorne mit dabei: die Autoindustrie. Die Konzerne wünschen sich von der Koalition eine Kaufprämie, Dienstag treffen sich die mächtigen Bosse mit der Kanzlerin. Die Autobauer profitieren zwar auch jetzt schon von Sozialleistungen wie dem Kurzarbeitergeld – auf die Ausschüttung von Dividenden wollen sie aber nicht verzichten. Noch nicht.

Neues Maßnahmenpaket gegen Corona-Pandemie- mehr Tests und Meldepflichten

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    Scholz reagiert trocken auf Forderungen der Autolobby

    Die Position der Hersteller vertrat in Wills Runde die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller. Die ehemalige CDU-Politikerin und heutige Lobbyisten hat schnell in ihre neue Rolle gefunden. So sehr Anne Will auch auf dem fragwürdigen Verständnis von Staatshilfe auf der einen, und Dividendenausschüttung für die Aktionäre auf der anderen Seite herumritt – Müller spulte routiniert ihren Text ab. Die Industrie zahle viele Steuern, man wolle nicht, dass sich Aktionäre von den Unternehmen abwenden. Und überhaupt: Eine Kaufprämie käme ja vor allem den Konsumenten zugute.

    Müller sagte das, was man von einer Lobbyistin erwartet. Bei Finanzminister Olaf Scholz stieß sie dabei auf wenig Gegenliebe. „Es war nicht sehr klug, was wir in den letzten Tagen gehört haben“, sagte der SPD-Politiker trocken. Auch beim Thema Staatshilfe reagierte Scholz verschnupft. Die Zahlung von Boni und Dividenden sei eine „sehr komplizierte Idee“, wenn man Staatshilfe in Anspruch nehmen wollte, sagte Scholz.

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    Scholz und Söder kündigen Konjunkturpaket an

    Interessant war, dass der Minister – genauso wie CSU-Chef Söder – in der Sendung nicht lange über mögliche Extra-Hilfen für die Autobauer reden wollte. Scholz sagte, dass im Mai und Juni ein „umfangreiches Programm“ zur „Belebung der Konjunktur“ auf der Agenda stehe. Wie das aussehen könnte, erklärte Markus Söder.

    Ein Konjunkturprogramm müsse steuerliche Impulse für alle Einkommensgruppen beinhalten, so der CSU-Politiker. Da die SPD sich gegen eine Entlastung von Gutverdienern sperrt, dürfte neuer koalitionsinterner Zwist programmiert sein. Apropos Streit: Auch Grünen-Chef Robert Habeck saß in Anne Wills Runde. Und obwohl ihm Scholz und Söder die Show stahlen, wird Habecks Auftritt in Erinnerung bleiben – aus innerparteilichen Gründen.

    Habeck schließt Parteiverfahren gegen Palmer nicht aus

    Angesprochen auf die umstrittenen Äußerungen des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer sagte Habeck: „Der Satz war falsch und herzlos. Meine Geduld ist am Ende“. Palmer hatte kritisiert, dass in Deutschland Menschen gerettet werden, die ohnehin bald sterben. Eine Welle der Empörung brach über den Kommunalpolitiker herein.

    Habeck sagte bei Anne Will, dass selbst ein Parteiverfahren nicht ausgeschlossen sei. „Wir werden uns mit solchen Fragen beschäftigen“, so der Parteichef. Ausgerechnet mit einer Palmer-Abrechnung fällt Habeck also auf. Die Zeiten des grünen Höhenflugs scheinen ohnehin längst vorbei. Die Corona-Krise wirbelt vieles durcheinander. Und sie trifft alle. Auch die Grünen.