Berlin. Anne Will sprach mit ihren Gästen über Wege aus dem Ausnahmezustand. Ein Virologe warb dafür, dass endlich alle Schutzmasken tragen.

  • Das Coronavirus breitet sich weiter aus: Auch wenn der Anstieg der Infektionszahlen in Deutschland niedriger ausfällt als noch vor ein paar Tagen, warnen Politiker
  • Derzeit wird über eine Mundschutzpflicht in Deutschland diskutiert – auch bei Anne Will war das am Sonntag Thema
  • Besonders dramatisch sieht die Lage für Schutzkleidung in Kliniken aus: Atemmasken und Schutzkittel gehen für das medizinische Personal aus
  • Eine weitere Frage der Runde: Wie geht es nach der Corona-Krise weiter?

Olaf Scholz erteilt eine Absage. Steuersenkungen sind mit dem Bundesfinanzminister nicht zu machen – zumindest nicht für Menschen, die 200.000 oder 300.000 Euro im Jahr verdienen. „Die Vorstellung, dass diese Bürger jetzt eine Steuerentlastung bekommen, ist nicht plausibel“, sagte Scholz am Sonntagabend bei Anne Will.

Ein Gruß nach Bayern. Am gleichen Tag nämlich hatte CSU-Chef Markus Söder via „Bild am Sonntag“ genau das gefordert und Steuersenkungen ins Gespräch gebracht. Die Rechnung aber hatte er scheinbar ohne die SPD gemacht.

„Um die Schulden, die wir jetzt machen, abzubezahlen, brauchen wir ein faires und gerechtes Steuersystem“, sagte Scholz bei Will.

Anne Will – Das waren die Gäste:

  • Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler und Bundesminister der Finanzen
  • Alexander Kekulé, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
  • Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen
  • Christel Bienstein, Präsidentin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) e.V.
  • Jens Südekum, Universitätsprofessor für Internationale Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität (Düsseldorf)
  • Christian Gerlitz (SPD), Bürgermeister und Dezernent für Stadtentwicklung und Umwelt in Jena

Es wird wieder gestritten – über eine Zeit nach Corona

Immerhin: Es war ein Blick in die Zukunft. In eine Zeit nach Corona, wo es zwar noch darum geht, die Folgeschäden zu beseitigen. Aber in der auch wieder gestritten und um politische Konzepte gerungen wird – abseits großkoalitionärer Einigkeit.

Die Realität indes sieht aktuell noch anders aus: „Zwei Wochen Ausnahmezustand – wo steht Deutschland im Kampf gegen Corona?“, fragte Anne Will. Und schnell zeigte sich: Diese Frage ist nicht so leicht zu beantworten.

Einerseits gibt es erfreuliche Tendenzen:

  • Die Ausbreitung des Virus verlangsamt sich, die sogenannte Basisreproduktionszahl liegt bei 1.
  • Das heißt, dass eine infizierte Person im Schnitt nur noch einen Menschen ansteckt – und nicht mehr drei oder vier wie noch vor kurzer Zeit.
  • Andererseits steigt die Zahl der Infektionen weiter, über 1500 Menschen sind bereits gestorben. Und: Die Lage in den Alten- und Pflegeheimen ist heikel.

Ärztin fordert: „Wir brauchen Schutzausrüstung!“

„Dort breitet sich das Virus aus wie ein Lauffeuer“, sagte der Virologe Alexander Kekulé. Heime, so der Wissenschaftler, müssten wie Krankenhäuser gesichert werden. Die Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, Martina Wenker, griff diesen Punkt auf: „Wir brauchen Schutzausrüstung fürs Personal!“. Auch die DRK-Präsidentin hatte vor unhaltbaren Zuständen in Alten- und Pflegeheimen gewarnt. Die Versorgung mit Schutzmaterial sei „völlig unzureichend“.

Wer in Gesundheitseinrichtungen arbeite, solle zudem alle paar Tage routinemäßig auf Corona getestet werden. „Infiziertes Personal einzusetzen, halte ich für fahrlässig“, so die Ärzte-Funktionärin.

Fake News- So erkennen Sie Coronavirus-Lügen

weitere Videos

    Eine bemerkenswerte Aussage. Schließlich suggeriert sie, dass das Gegenteil gerade passiert – was Wenker auch bejahte. Womöglich ist auch das ein Grund dafür, dass die Politik über konkrete Szenarien für einen Ausstieg aus dem Lockdown nicht sprechen mag. Lesen Sie hier: Dieser Virologe leitet die wichtigste Corona-Studie Europas.

    Alexander Kekulé Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie in Halle.
    Alexander Kekulé Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie in Halle. © dpa | Karlheinz Schindler

    Kanzleramtsminister Helge Braun stimmte die Deutschen in einem Interview am Wochenende gar darauf ein, dass der Höhepunkt der Pandemie erst noch bevorstehe. Die Debatte über Lockerungen ist trotzdem entbrannt. „Wir müssen jetzt vorbereiten, was nach dem Lockdown passiert“, sagte Virologe Kekulé bei Anne Will.

    Auch der Ökonom Jens Südekum plädierte dafür, schon jetzt die Infrastruktur zu schaffen, damit die Wirtschaft langsam wieder hochgefahren werden kann. „Wir brauchen deutlich mehr Virus-Tests – auch im Alltag“, sagte der VWL-Professor.

    In vielen Städten ist Abstand das Gebot der Stunde.
    In vielen Städten ist Abstand das Gebot der Stunde. © dpa | Sebastian Gollnow

    Eine sehr konkrete Vorstellung, wie das Leben in Deutschland schon bald aussehen könnte, skizzierte Virologe Kekulé. Er warb dafür, Risikogruppen – etwa durch sichere FFP2-Masken – zu schützen, weiter auf Abstand im Alltag zu setzen – und die Deutschen flächendeckend mit Gesichtsmasken auszustatten. „Wir sollten das in Deutschland wirklich machen“, so der Wissenschaftler.

    Den Widerstand des Robert-Koch-Instituts und aus dem Gesundheitsministerium könne er nicht nachvollziehen. Doch ist eine Maskenpflicht die Lösung in der Corona-Krise?

    Eine deutsche Stadt preschte beim Mundschutz vor: Jena

    Martina Wenker (Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen), Olaf Scholz (SPD) und Anne Will (v.l.).
    Martina Wenker (Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen), Olaf Scholz (SPD) und Anne Will (v.l.). © NDR/Wolfgang Borrs | NDR/Wolfgang Borrs

    In Österreich, Tschechien und der Slowakei ist das Tragen verpflichtend. Und auch in Deutschland ist eine Stadt bereits vorgeprescht: das thüringische Jena. Von dort war auch der Oberbürgermeister per Skype zugeschaltet. So gut schützen Atemmasken und Mundschutz vor dem Coronavirus

    „Ein Mundschutz schützt das Gegenüber vor der Tröpfcheninfektion“, sagte Verwaltungschef Christian Gerlitz (SPD). Und damit jeder geschützt sei, müssten alle ihn tragen. So einfach ist das. Eigentlich.

    In Jena gibt es bereits eine Mundschutz-Pflicht.
    In Jena gibt es bereits eine Mundschutz-Pflicht. © dpa | Sebastian Willnow

    Doch auf die Frage, warum die Bundesländer vor einem solchen Schritt noch zurückschrecken, hatte auch Olaf Scholz keine überzeugende Antwort. „Experten sind nicht alle ganz einer Meinung“, sagte er leicht schnippisch. Lesen Sie hier: Mundschutz-Pflicht wegen Corona in Deutschland? Das muss man wissen.

    Es sind bedrückende Tage - Ansprache des Bundespräsidenten

    weitere Videos

      Ohnehin sprach der Finanzminister lieber über das, was er plant. Die Soli-Abschaffung, eigentlich erst für den 1. Januar 2021 geplant, ließe sich vorziehen, so Scholz. Allerdings nur für 90 Prozent der Steuerzahler. Damit könnte die Konjunktur gestützt werden. Spitzenverdiener können auch in Corona-Zeiten mit keiner Entlastung rechnen. Auch wenn der Wunsch aus Bayern bis ins TV-Studio von Anne Will hallte.

      Coronavirus-Pandemie – Mehr zum Thema:

      Wie unfassbar schnell die Coronavirus-Krise um sich gegriffen hat, wird klar, wenn man sich daran erinnert, dass erst vor vier Wochen bei Anne Will darüber diskutiert worden war, ob Deutschland jetzt Corona-Ferien brauche. Wie es nach dem Shutdown weitergehen könnte, war in der vergangenen Woche Thema.

      Anne Will – Die ganze Sendung in der Mediathek anschauen

      Sie haben die aktuelle Folge verpasst? Hier können Sie die aktuelle Ausgabe von Anne Will in der ARD-Mediathek anschauen.