Essen. Die Doku „Fußball um jeden Preis“ begleitet den hochtalentierten Nachwuchsspieler Abdel. Sie zeigt, wie gnadenlos das Geschäft ist.

Abdel ist 18 und ein Fußball-Talent. Seit fünf Jahren trainiert er beim Havre Athletic Club (HAC), einem der anspruchsvollsten Ausbildungsstätten in Frankreich, wo auch schon erfolgreiche Fußballer wie Paul Pogba, Benjamin Mendy und Dimitri Payet ihre Karrieren begannen.

Es ist ein Internat, in dem sich die jungen Nachwuchsfußballer neben normalen Schulfächern vor allem im täglichen Training und bei regelmäßigen U19-Turnieren beweisen müssen. Alle verstehen es als riesige Chance: Sie wollen es so weit bringen wie ihre Vorbilder – zu Ruhm und zu Geld, möglichst viel Geld. Wegen des Trainingspensums fühlen sie sich schon ganz wie die Profis. Aber der Weg bis zum ersten Vertrag ist weit.

Abdel hat jedenfalls das Zeug dafür, bestätigt sein Trainer: „Wenn er Tore schießt, ist es kein Glück, es ist immer etwas Besonderes“, erklärt er. „Mit ihm gewinnt man Spiele.“

Karriere als Fußballer: Disziplin und Konstanz sind gefragt

Aber schon im nächsten Satz schwingt Zweifel mit: Wird das reichen? Was für eine Profi-Karriere mindestens ebenso zählt wie das Zaubern am Ball, sind Disziplin und konstante Leistung. Der junge Stürmer aber wirkt unreif. Er will nur spielen, scheint es.

Es ist eine ungewohnte Innensicht auf die Profi-Fußball-Welt, die Arte heute in seinem Sommer-Schwerpunkt „Mitten im Leben“ als Erstausstrahlung präsentiert: In der Dokumentation „Fußball um jeden Preis“ (Mittwoch, 8. Juli, 21.50 Uhr) begleitet Fabrice Macaux den 18-Jährigen über mehrere Monate, in denen die Weichen für seine zukünftige Karriere gestellt werden.

Dabei steht viel auf dem Spiel für den jungen Mann aus Saint-Etienne-du-Rouvray, der mit seiner Familie in einem armen Vorort lebt. Wenn er einen Vertragsabschluss schafft, wäre das auch das Ticket für den sozialen Aufstieg der ganzen Familie. Wenn nicht, gibt es wenig Perspektiven.

Lesen Sie auch: Schule, Training – und der große Traum vom Profisport

„Fußball um jeden Preis“ erzählt eher atmosphärisch als kommentierend

Von all dem erzählt der Film quasi nur in Nebensätzen. Sehr direkt folgt die Kamera stattdessen dem Protagonisten durch seinen Tagesablauf. Und erzählt in langen Sequenzen eher atmosphärisch als kommentierend, von den Erwartungen, die von allen Seiten auf ihm lasten. Das ist ernüchternd. Der Blick hinter die Kulissen zeigt nicht nur die Standpauke des Trainers in der Mannschaftskabine nach einem verlorenen Spiel. Oder hautnah, wie sich ein Spieler keuchend während eines Spiels abrackert.

Anders als erwartet, wird beispielhaft sichtbar, was das System Profisport heute ausmacht: Fußball ist kein Spiel, es ist ein Geschäft. Mit festen Transfer-Terminen, die den Leistungsdruck, auf den Punkt zu liefern, noch erhöhen. Mit Agenten wie bei Künstlern – ohne die (oder andere bestens vernetzte Fürsprecher), alles Talent nichts wert ist. Ohne die Anbindung an einen Club ist ein Mannschaftsspieler sowieso aufgeschmissen, denn er wird noch nicht einmal zu einem Probespiel eingeladen.

Abdel, das Fußball-Wunderkind hat am Ende die Lektion gelernt. Nach einem halben Jahr des erfolglosen Solo-Herumtingelns, nimmt sich ihn sein ehemaliger Trainer nochmals vor – bevor er es schafft, ihn an einen Amateurclub zu einem Monatsgehalt von 900 Euro zu vermitteln: „Spieler gibt es überall“, erklärt er dem jungen Stürmer, „wenn du’s nicht machst, dann nehmen sie den nächsten.“

• Mittwoch, 8. Juli, 21.50 Uhr, Arte: „Fußball um jeden Preis“