Berlin. Bei „Maybrit Illner“ wurde über den andauernden Krieg in der Ukraine diskutiert – mit großer Einigkeit der Gäste in einem Punkt.

Die Hoffnung, dass der Krieg in der Ukraine dank der aktuellen Offensive bald vorbei sein wird, ist nach Ansicht von Roderich Kiesewetter nicht besonders realistisch. „Wir sollten alle begreifen, dass dieser Krieg ein Marathon-Lauf ist“, betonte der Obmann im Auswärtigen Ausschuss bei „Maybrit Illner“. Eine erschreckende Zukunftsperspektive, bei der sich jedoch alle Expertinnen und Experten der geladenen Runde einig waren.

„Maybrit Illner“ – Das waren die Gäste

  • Lars Klingbeil (SPD), Parteivorsitzender
  • Roderich Kiesewetter (CDU), Obmann im Auswärtigen Ausschuss
  • Wolfgang Ischinger, Jurist und Diplomat
  • Nicole Deitelhoff, Professorin für Internationale Beziehungen und Theorien globaler Ordnungspolitik
  • André Wüstner, Oberst, Vorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbandes
  • Alica Jung, ZDF-Reporterin und Moderatorin von "ZDFheute live", zugeschaltet aus Saporischschja

Auch Wolfgang Ischinger, langjähriger Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) sagt, er sehe "keine Anzeichen, dass Putin die Luft ausgeht". Umso entscheidender sei es , ergänzte Kiesewetter, die Ukraine auch weiter militärisch zu unterstützen. Lesen Sie auch: Delfine im Einsatz gegen die Ukraine? Russland rüstet auf

Es war generell eine sehr geeinte Runde, die am Donnerstagabend im Illners Studio Platz genommen hatte, um zum Thema „Schwierige Offensive – Putins Stärke unterschätzt“ zu diskutieren. Das ließ die Prognosen des Abends allerdings noch bedrohlicher wirken. „Haben wir die schrecklichsten Bilder noch nicht gesehen?“, wollte Illner wissen. Damit sei zu rechnen, antwortete die Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff. Man befinde sich aktuell noch in der ersten Phase der Offensive. Während dieser würden die Kriegspartei nach Schwachstellen suchen. Seien diese einmal gefunden, würden anschließend größere Truppen aufeinandertreffen.

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Die Runde bei "Illner" am Donnerstagabend. © ZDF/Jule Roehr

Ukraine-Krieg: Deutschland muss Munition liefern

Deshalb brauche es jetzt vor allem zwei Dinge, erklärte der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes André Wüstner: Die Ukraine müsse dauerhaft die Initiative zurückgewinnen und „der Westen darf nicht müde werden, nachzuschieben. Man braucht jetzt massiv Munition für die Gegenoffensive.“ Auch aus Deutschland. Das Problem: „Unsere Lager sind leer“, sagte Wüstner.

Ein Versäumnis, das auch Lars Klingbeil einräumen muss. Fast alles, was man geben könne, sei schon in der Ukraine, betonte der SPD-Vorsitzende. Allerdings müsse man auch die Produktionskapazitäten hochfahren. An dieser Stelle würden sich besonders die Versäumnisse der letzten Jahre bei der Bundeswehr offenbaren. Auch deshalb müsse man „in Deutschland darüber nachdenken, eine Munitionsfabrik zu eröffnen“, argumentierte Wüstner.

Neben Munition brauche die Ukraine aber auch Unterstützung in der Luft, meinten die Gäste. Etwa in Form von Flugabwehrsystemen und Kampfflugzeugen. Nur noch eine Frage der Zeit, glaubt Wolfgang Ischinger, Präsident des MSC-Stiftungsrats. „Ich glaube, dass das eine Frage von wenigen Wochen oder ein paar Monaten sein wird, bis wir die Nato-Flugzeuge in der Ukraine sehen. Ich weiß nicht, ob es rechtzeitig sein wird, aber es wird noch einen Einfluss haben.“ Die bisherige Zurückhaltung des Westens bei diesem Thema erklärte Deitelhoff mit dem Risiko einer möglichen Eskalation vonseiten Russlands: „Die Länder haben eine primäre Verantwortung gegenüber ihren Bürgern.“

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Bei "Illner" diskutierte man zum Thema: „Schwierige Offensive – Putins Stärke unterschätzt“ © ZDF/Jule Roehr

„Illner“: Krieg wird uns noch Jahre begleiten

Mit Blick auf einen möglichen Frieden rechne Ischinger eher mit einem „schmutzigen Waffenstillstand, der jeden Tag von rechts und links verletzt wird“ als mit einem schönen Friedensvertrag. Doch wie zielführend können Verhandlungen sein, wenn auf beiden Seiten Misstrauen herrscht? Dafür müsse man an zwei Stellschrauben ansetzen, meinte Konfliktforscherin Deitelhoff. Zum einen brauche es „Sicherheitsgarantien für die Ukraine“. Zum anderen müsse man bereits jetzt Verhandlungen vorausplanen. Dabei sei es wichtig, auch parteiische Staaten wie China oder Brasilien miteinzubeziehen, „um die internationale Akzeptanz zu erhöhen“.

Am Ende des Abends blieben vor allem zwei Botschaften der Expertinnen und Experten im Kopf: 1. Die schlimmsten Bilder stehen uns noch bevor. 2. Dieser Krieg wird uns noch Jahre beschäftigen.

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