Berlin. „Babylon Berlin“ kommt zurück: Ab Sonntag läuft die dritte Staffel der Erfolgsserie in der ARD. Ein Highlight im deutschen TV-Programm.

Nazi-Schläger verwüsten die Zeitungsredaktion und verprügeln den Chefredakteur, Gangsterbosse waschen ihr Geld im Filmgeschäft, in den Bars tanzt die Party-Meute ihre Sorgen weg, in den Hinterhöfen wird gehungert, und die Weimarer Republik taumelt ihrem Untergang entgegen: „Babylon Berlin“ ist mit zwölf Folgen zurück (Sonntag 11.10., 20.15 Uhr in der ARD und in der Mediathek), das millionenschwere Megaprojekt der deutschen Fernsehunterhaltung, und um es gleich an dieser Stelle zu sagen: Ja, es lüftet erneut mit Wucht und Raffinesse im Mief eines routiniert dahindümpelnden TV-Programms kurz und kräftig durch.

Serie „Babylon Berlin“: Es regnet Aktienpapiere

Der hollywooderprobte Filmemacher Tom Tykwer und seine Mitstreiter Achim von Boerries und Henk Handloegten, die Volker Kutschers Bestseller-Reihe ins Bild setzen, steigen mit einem finsteren Blick in die Vorhölle ein. Tausende Aktienpapiere regnen von der Galerie auf den Saalboden, Männer stolpern mit schreckgeweiteten Augen breite Treppen herauf und kippen um, von der Decke baumelt die Leiche eines Erhängten, und draußen trommeln die Kleinaktionäre an die Pforte: der Börsenzusammenbruch als infernalischer Alptraum und Vorgeschmack auf den Abgrund, der sich dahinter öffnen wird.

Der politische Kontext der wilden Spätzwanziger bleibt auch in dieser Staffel jederzeit erhalten. Bürgerlich-Konservative und Militaristen schmieden mit Antidemokraten Pläne für den Umsturz, das braune Unheil ist auf den Berliner Straßen schon zu wittern, und der Finanzkapitalismus saugt die Republik aus. Natürlich, wer will, darf Parallelen zur Gegenwart ziehen, aufdringlich serviert werden sie indes nicht.

"Babylon Berlin": Der politische Kontext der wilden Spätzwanziger bleibt auch in Staffel 3 jederzeit erhalten. © Frédéric Batier/X Filme Creative

Babylon Berlin: Staffel 3 hat noch mehr Krimi-Faktor

Anders als in den ersten beiden Staffeln konzentriert sich Tykwer diesmal stärker auf den Krimi an sich. Auch sein trauriger Held, der kriegstraumatisierte Kommissar Gedeon Rath (Volker Bruch) ist nicht mehr auf seine Medikamente fixiert, sondern eher auf die Ermittlungen. Seine Ehe allerdings geht gerade in die Brüche. Zur Seite steht ihm erneut die aufgekratzte Kriminalassistentin Charlotte, die Liv Lisa Fries als wunderbar trotzige Überlebenskünstlerin anlegt. Lesen Sie hier: Volker Bruch im Interview – „Im Kapuzenpulli erkennt mich keiner“

Eine Schauspielerin wird mitten in den Dreharbeiten zu einem expressionistisch überfrachteten Spielfilm ermordet, was nicht nur für den Produzenten ein Drama ist, sondern auch für die Unterweltbosse, die eine Million Reichsmark investiert haben. Ein Mörder im schwarzen Phantomkostüm verschwindet in der Berliner Nacht.

Die Überwältigungskraft mag nicht mehr ganz so groß sein wie in den ersten beiden Staffeln, immerhin war das pralle Sittengemälde mit einer Bilderästhetik der Stummfilm-Angstmacher bis dahin einzigartig. Doch auch hier gelingt es, Tod und Verderben, Lust und Liebe in kinoreifen, farbentleerten Bildern und einer in jedem Detail stimmigen Ausstattung zu bündeln. Die melancholische Musik von Johnny Klimek legt sich wie ein Schleier darüber und verstärkt die Sogkraft.

Die Regisseure und Drehbuchautoren der Serie „Babylon Berlin“: Tom Tykwer, Henk Handloegten und Achim von Borries, bei der Premiere der TV-Serie
Die Regisseure und Drehbuchautoren der Serie „Babylon Berlin“: Tom Tykwer, Henk Handloegten und Achim von Borries, bei der Premiere der TV-Serie "Babylon Berlin" der ARD. © dpa | Gregor Fischer

Lars Eidinger und Hannah Herzspung – Hochkarätige „Babylon Berlin“-Besetzung

Und natürlich lebt „Babylon Berlin“ – trotz des handlungsbedingten Verlusts zweier Schwergewichte wie Peter Kurth und Matthias Brandt – von einem erlesenen Ensemble, das sich durchweg Bestnoten verdient: Lars Eidinger als geschmeidiger Industrieller am Rande des Größenwahns, Benno Fürmann als kühl-glatter Strippenzieher im Regierungsapparat, Mišel Matičević als furchteinflößender Gangsterboss, Martin Wuttke als unbiegsamer Zeitungsmacher, Thomas Thieme, Fritzi Haberland, Meret Becker, Roland Zehrfeld, Hannah Herzsprung und und und.

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Ohne Effekthascherei schnurrt die gut geölte Erzählmaschine, und immer wenn Tykwer tief ins Milieu eintaucht, wird die Kraft deutlich, die dieser politisch aufgeladene Thriller aus seiner Authentizität schöpft. Kein Volkshochschulton, wie man ihn aus historisch angelegten Fernseh-Mehrteilern kennt und fürchtet, sondern pralles, aufregendes Kino.

Und das im Fernsehen.