Berlin. Beim Talk von RBB und SZ gingen Scholz und Baerbock ziemlich freundlich miteinander um. Doch bei einem Thema wurde es dann hitziger.

Es ist eine Aufstellung, die Potenzial für fliegende Fetzen hat: Baerbock gegen Scholz! Kampf um Wahlkreis 61 in Brandenburg, in dem beide antreten! Kampf ums Kanzleramt! Und das live!

Die Süddeutsche Zeitung und der RBB hatten eingeladen, zur Gesprächsrunde mit zwei von dreien, die im Herbst ins Kanzleramt wollen. Während Armin Laschet sich den Fragen von Linda Zervakis und Louis Klamroth stellte (die von Scholz in der vergangenen Woche schon erfahren hatten, dass er Bratwurst-Fan ist), sprachen Stefan Braun (Süddeutsche Zeitung) und Angela Ullrich (RBB) beim „Polittalk“ mit der Grünen-Kanzlerkandidatin und dem SPD-Kandidaten.

Doch es waren es eher Samt- als Boxhandschuhe, die das Bewerber-Paar am Montagabend mitgebracht hatten. Inhaltlich diskutierten Scholz und Baerbock konzentriert, scharfe Attacken hob man sich offenbar für die Zeit kurz vor der Wahl auf.

Was Olaf Scholz nicht kann: Trampolin springen

Das lag auch am Moderationsteam. Braun und Angela Ullrich vom RBB stiegen mit freundlichen Fragen ein: Annalena Baerbock, was kann Olaf Scholz besser als Sie? Olaf Scholz, was imponiert Ihnen an Annalena Baerbock? Antwort jeweils: Hamburgern (Baerbock über Scholz) beziehungsweise Trampolin springen (Scholz über Baerbock).

Auch danach blieben sowohl Fragen als auch Antworten freundlich im Ton. Soweit ging die Harmonie, dass Baerbock auf die Frage, was denn nun die Regierung im Corona-Jahr falsch gemacht habe, antwortete, sie finde es falsch zu sagen, „das hat jetzt nur die Regierung zu verantworten“. Es sei wichtig, im Wettstreit darum zu stehen, was man besser machen könne – „aber nicht mit dieser Haudrauf-Methode den anderen für unfähig zu erklären.“

Konkurrent Olaf Scholz wollte da offenbar nicht unnötig aggressiv wirken, von kleineren Spitzen die Windkraft-Bilanz der Grünen in Baden-Württemberg mal abgesehen. Und so war das über weite Strecken eher ein Plausch am Kaminfeuer als ein hitziges Gefecht, wer denn nun besser geeignet ist, das Land zu führen.

Bundestagswahl: Umfragen sehen „historische“ Wechselstimmung

Baerbock erinnerte daran, dass es die Grünen waren, die dafür gesorgt hatten, dass Deutschland beim CO2-Preis nicht bei 10 Euro pro Tonne, sondern bei 25 Euro eingestiegen ist. Scholz wies daraufhin, dass die Koalition im Ausgleich dafür die Pendlerpauschale erhöht hat, damit die CO2-Preise nicht unverhältnismäßig Menschen treffen, die keine zum Beispiel keine Alternative zum Auto haben.

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Zwischendurch erklärt Experte Robert Vehrkamp von der Bertelsmann-Stiftung – die den Talk unterstützte – aktuelle Umfrage-Ergebnisse der Stiftung zur Stimmung im Land. Die sagen laut Vehrkampf, dass der Wunsch nach Wechsel in der Politik derzeit so groß ist wie nie zuvor – nicht 1998, als auf Helmut Kohl Gerhard Schröder folgte, auch 2005, als Angela Merkel ins Amt kam. „Im historischen Vergleich wirklich Rekord-Werte“, sagte Vehrkamp.

Gute Nachrichten für Annalena Baerbock, eher schlechte für den Umfragen-gebeutelten Olaf Scholz. Auf die Frage von Moderator Stefan Braun, was denn ein so starker Wunsch nach Veränderung für den aktuellen Vizekanzler bedeutet, antwortete Scholz etwas hilflos, er wolle ja etwas ändern: „Ich will Kanzler werden.“

Annalena Baerbock und Olaf Scholz lachen am Rande der Aufzeichnung des Fernseh-Duells.
Annalena Baerbock und Olaf Scholz lachen am Rande der Aufzeichnung des Fernseh-Duells. © Kay Nietfeld/dpa | Kay Nietfeld/dpa

Scholz vs. Baerbock: Bei Klimapolitik wird es interessant

Lebhaft wurde es gegen Ende der 75 Minuten trotzdem noch – und es passt zu Baerbock, die im Ruf steht, sich bis in Details auszukennen, und dem hanseatisch-kühlen Olaf Scholz, dass das ausgerechnet bei der etwas sperrigen Frage passiert, wie man Klimaschutz nun konkret umsetzen kann und was mit den Einnahmen aus dem CO2-Preis passieren soll.

Scholz plädierte dafür, in der Klima-Politik behutsam vorzugehen, nicht alles über den Preis zu regeln und vor allem den Ausbau von CO2-freundlichen Alternativen voranzutreiben: „Wenn wir das nicht hinkriegen, dann wird nur alles teurer und nichts besser“. Zur Entlastung will er außerdem mit den Einnahmen aus dem CO2-Preis die EEG-Umlage zu senken und schrittweise sogar abzuschaffen, um so Strom billiger zu machen.

Baerbock hielt dagegen, dass genau diese Behutsamkeit und das „Zaudern“ ein Problem seien: „Wenn wir jetzt diese Klimakrise nicht richtig anpacken, dann werden wir am Ende alles verlieren.“ Das Geld aus dem CO2-Preis wollen die Grünen pro Kopf auszahlen – davon, sagte Baerbock, würden zum Beispiel Familien profitieren, weil „pro Kopf“ auch Kinder einschließe.

Baerbock und Scholz bei Politiktalk: Das waren der stärkste und schwächste Moment

Stark war eindeutig die Diskussion um die Frage, wie die brandneuen, ambitionierten Klimaziele jetzt erreicht werden können. Hier war am sichtbarsten, wo die Parteien tatsächlich unterschiedliche Ansätze haben – und das Kandidaten-Paar am engagiertesten.

Doch bei der Frage, was man denn nun genau hätte besser machen können in der Corona-Krise fällt Olaf Scholz vor allem ein, was er damals schon besser gewusst hat – nämlich, dass man über die Fehler bei der Impfstoff-Bestellung in Europa reden muss.

Moment, der die größten Fragezeichen hervorruft: Die Schlussfrage, ob es nach dem Rücktritt von Fritz Keller Zeit für eine Frau an der Spitze des Deutschen Fußball-Bunds wäre. Wer Kanzler oder Kanzlerin werden will, muss zwar viele Probleme lösen – aber die des DFB nun wirklich nicht.