Berlin. Bei „Hart aber fair“ ging es um den Corona-Impfstoff von Biontech. Warum eine Impfpflicht nicht nötig sei, erklärte Karl Lauterbach.

  • Die Corona-Pandemie ist auch in den Talkshows das dominierende Thema, am Montag ging es bei „Hart aber fair“ um einen möglichen Impfstoff
  • Im Verlauf der Sendung zeigte sich: Jede Antwort wirft gleich wieder zwei neue Fragen auf
  • Karl Lauterbach glaubt indes nicht daran, dass es eine Impfpflicht geben wird

Trump abgewählt, Corona-Impfstoff gefunden. „Man könnte meinen“, flachste Frank Plasberg gut gelaunt gleich zum Einstieg von „Hart aber fair“, „der liebe Gott hätte wieder Spaß an der Arbeit.“

  • Alles zur US-Wahl lesen Sie in unserem Newsblog

Zu Beginn der zweiten Lockdown-Woche, in der seine Zuschauer zunehmend „zähneknirschend“ („Hart aber fair“-Zuschaueranwältin Brigitte Büscher über die Verfasser von Zuschauerpost) die bestehenden Kontaktbeschränkungen erduldeten, klang die Nachricht von einem nahenden Corona-Impfstoff wie eine Erlösung. Lesen Sie dazu den Kommentar: Der Corona-Impfstoff ist ein Etappensieg – aber nicht mehr

Corona: Biontech will mit Pfizer Zulassung für Impfstoff beantragen

Das die Mainzer Biontech zusammen mit Pfizer will noch in diesen Monat die Zulassung für einen Corona-Impfstoff beantragen. War damit das Ende der Pandemie in Sicht? Lesen Sie dazu: Biontech weckt Hoffnung auf Impfstoff – Wie geht es weiter?

Was die Ausgabe von „Hart aber fair“ von diesem Montag betraf, war die Top-Nachricht des Tages sicher die Rettung. Eingeladen hatte Frank Plasberg seine Gäste ursprünglich, um im trüben November über ein noch freudloseres Thema zu talken: „Ratlos in der Virus-Welle?“

„Hart aber fair“ – Das waren die Gäste:

  • Peter Tschentscher (SPD): Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg
  • Steffen Henssler: Restaurant-Besitzer und TV-Koch
  • Prof. Dr. Isabella Eckerle: Virologin; Leiterin Infektionskrankheiten in der Abteilung für medizinische Fachgebiete an der Universitätsklinik Genf/Schweiz
  • Karl Lauterbach (SPD): Bundestagsabgeordneter, Gesundheitsökonom und Epidemiologe
  • Wolfgang Kubicki (FDP): Vizepräsident des deutschen Bundestage, stellvertretender FDP-Bundesvorsitzender
  • Kristina Dunz: Journalistin, stellvertretende Leiterin des Parlamentsbüros der „Rheinischen Post“

Mit dem aktualisierten „Durchbruch beim Impfstoff“ konnten die bekannten Talk-Gesichter nun immerhin eine erfreuliche Nachricht „Hart aber fair“ diskutieren, und das noch bevor die „Tagesthemen“ das komplexe Thema mit kompakten Berichten abräumten.

Corona-Impfstoff bei „Hart aber fair“: Plasberg will die wichtigsten Fragen klären

Im Verlauf der Sendung zeigte sich allerdings, in Bezug auf Corona ist gar nichts schön und einfach: Jede Antwort wirft gleich wieder zwei neue Fragen auf.

Immerhin durfte sich Frank Plasberg diesmal ausdrücklich als Zuschaueranwalt profilieren, indem er ihre brennendsten Fragen direkt an die Talkrunde weiterreichte: Wie soll das ablaufen, wer wird zuerst geimpft? Wie sicher ist der Impfstoff überhaupt bei 90 Prozent Wirksamkeit? Werden in Deutschland ausreichend Impfdosen zur Verfügung stehen oder vielleicht doch Privatversicherte Kassenpatienten vorgezogen? Und konnte man nun gleich anfangen, den Sommerurlaub zu planen?

Virologin: Leben wie vor Corona wird trotz Impfstoff lange nicht möglich sein

Da waren Detailkundige Experten gefragt – vor allem also immer wieder Karl Lauterbach und die Virologin Prof. Dr. Isabella Eckerle, zugeschaltet per Video aus der Schweiz, wo sie die Abteilung Infektionskrankheiten an der Universitätsklinik Genf leitet.

Die deutsche Professorin nannte die Nachricht ein „Hoffnungssignal“, das jedoch nicht dazu führen würde, dass „wir morgen wieder unser altes Leben“ aufnehmen könnten. „Die AHA-Regeln werden erst einmal bleiben.“ Auch interessant: Hygiene, Tests, Homeoffice: Diese Regeln gelten jetzt im Job

Trotz Corona-Impfstoff: Urlaubspläne zunächst auf Eis legen

Und auch mit den Urlaubsplänen müsste man noch warten. „Es wird eine lange Übergangsphase geben“, erklärte Isabella Eckerle. Noch wisse man nicht, ob der Impfstoff nur die Geimpften vor schweren Krankheitsverläufen schütze. Oder ob er auch verhindern kann, dass sie die Infektion weitergaben. „Das werden weitere Studien zeigen.“

Immerhin bestätigte sie, dass bei der Sicherheit des neuen Impfstoffes keine Abstriche gemacht wurden. „Abgekürzt wurden nur die regulativen Prozesse“, zum Beispiel bei der Bewertung der einzelnen Testphasen durch die unabhängige Impfkommission.

Steffen Henssler bei Plasberg in Sorge über Gastronomie

Damit nahm sie vorweg, was TV-Koch und Restaurantbesitzer Steffen Henssler sich für „Hart aber fair“ so schön zurechtgelegt hatte: „Wie lange wird das dauern, bis endlich 60 Prozent der Bevölkerung immunisiert sind?“, fragte der Wahl-Hamburger – besorgt vor allem darüber, wie lange die Gastronomie noch schließen müsste. Und wenn Kontakthäufigkeit ein Kriterium für die Auswahl sein sollte. „Warum dann nicht gleich auch die Kellner impfen?“

Bei „Hart aber fair“ diskutierte Frank Plasberg (r.) mit seinen Gästen über die Zulassung eines Corona-Impfstoffs. TV-Koch Steffen Henssler sorgt sich weiter um die Gastronomie.
Bei „Hart aber fair“ diskutierte Frank Plasberg (r.) mit seinen Gästen über die Zulassung eines Corona-Impfstoffs. TV-Koch Steffen Henssler sorgt sich weiter um die Gastronomie. © WDR/Oliver Ziebe | WDR/Oliver Ziebe

Peter Tschentscher (SPD) schien wenig amüsiert. Hamburgs Erster Bürgermeister wollte zumindest nicht „jetzt schon“ darüber streiten, wer zuerst geimpft werden sollte. Kellner? Lehrer? Politiker?

„Wir müssen als Ziel im Auge behalten, schwere Erkrankungen zu verhindern“, erklärte der Ministerpräsident, ganz Arzt. „Wir sollten mit den Personen beginnen, die besonders gefährdet sind“, schloss er sich der Meinung des Ethikrats an. Lesen Sie dazu: Impfstrategie: Wer wird zuerst gegen Corona geimpft?

Kubicki zum Corona-Impfstoff: Impf-Reihenfolge „wird Bundestag entscheiden“

In welcher Reihenfolge wer geimpft werden wird, „wird der Bundestag entscheiden“, gab da Wolfgang Kubicki (FDP) selbstsicher zu Protokoll und plädierte dafür, dass medizinisches und Pflegepersonal als erste drankommen sollte, „weil wir diese Leute am meisten brauchen“.

Da der Impfstoff kostenlos verabreicht werden soll, „wird es aber keinen Unterschied zwischen Privat- oder Kassenpatienten geben“.

Corona-Impfstoff von Biontech: Deutschland hat keinen Vertrag über Vorkaufsrecht

Der Vizepräsident des Deutschen Bundestages ging auch davon aus, dass sich die Bundesregierung mit ihrer Investition von 375 Millionen Euro bei Biontech „ein Vorkaufsrecht für eine große Charge“ gesichert habe. Und musste sich von Karl Lauterbach gleich eines Besseren belehren lassen: Ausgerechnet mit dem Mainzer Hersteller gäbe es noch keinen Vertrag, dafür stehe auf EU-Ebene ein Vertragsabschluss kurz bevor.

Der Epidemiologe erwartete, dass zunächst „vielleicht 25 Prozent der 300 Millionen Impfdosen an Deutschland gehen werden“. Dann erklärte er, wie der Impfstoff verteilt werden soll: In 60 Impfzentren bundesweit, wo er bei Minus 80 Grad Celsius gelagert werden muss. „Wir bauen jetzt schon die Infrastruktur auf“, erläuterte er, damit Anfang des Jahres gleich mit den Impfungen gestartet werden könnte.

Corona-Impfstoff: Karl Lauterbach erklärt das Prozedere

„Zwei Impfdosen pro Person müssen innerhalb von zwei bis drei Wochen verabreicht werden“, erläuterte der SPD-Gesundheitsexperte. Eine gesunde Person im mittleren Alter, wie einer der „Hart aber fair“-Zuschauer konkret nachfragte, könnte wahrscheinlich erst in der zweiten Jahreshälfte 2021 damit rechnen, geimpft zu werden. Also in etwa einem Jahr.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach versichert: Eine Impfpflicht wird es nicht geben.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach versichert: Eine Impfpflicht wird es nicht geben. © WDR/Oliver Ziebe | WDR/Oliver Ziebe

Aber eine Impfpflicht werde es nicht geben, versicherte Karl Lauterbach. „Je besser der Impfstoff, desto weniger muss man impfen, um eine Herdenimmunität zu erreichen. Das ist auch mit Freiwilligen zu schaffen.“

Corona-Genesene berichtet von Covid-19

Damit war auch Kristina Dunz sehr einverstanden. Die stellvertretende Leiterin des Parlamentsbüros der „Rheinischen Post“ befürchtete, dass eine Impfpflicht Skeptiker noch stärker polarisieren würde.

Im Einzelgespräch berichtete sie dann – mit Blick auf die Leipziger Demo vom Wochenende, wo Hunderte ohne Maske eine Polonaise tanzten – nochmals von ihrer Corona-Infektion Anfang Oktober. Zwei Dinge habe sie daraus gelernt: „Man kann zusammenkommen, wenn man Abstand hält, das funktioniert.“ Und: „Nichts kann einen trösten, wenn man dafür verantwortlich ist, einen anderen angesteckt zu haben.“ Das sollten auch Corona-Leugner bedenken. Lesen Sie dazu: „Lanz“: Corona-Genesene appelliert an Masken-Verweigerer

Letzte Woche widmete sich die Runde der US-Wahl. Dabei war auch ein Republikaner zu Gast, der ähnlich Dampf abließ wie sein Präsident. Lesen Sie dazu: „Hart aber fair“ – Eine Diskussion mit „Trump light“

„Hart aber fair“ – Mehr Diskussionen