Berlin. Die Talk-Runde von Markus Lanz diskutierte am Dienstag die aktuelle Impf- und Lockdownstrategie. Nicht nur Karl Lauterbach übte Kritik.

„Der Gipfel hat gestern mehr geschadet als genutzt“ – so fasste Grüne-Vorsitzender Robert Habeck das ernüchternde Ergebnis des Impfgipfels von Bund und Ländern zusammen. Trotz aller Skepsis plant die Bundesregierung einen nationalen Impfplan. Ob Deutschland mit seiner Impf- und Lockdownstrategie jedoch vielleicht auf eine dritte Welle zusteuert, diskutierte Markus Lanz mit seinen Gästen am Dienstagabend. Lesen Sie dazu: Corona-Pandemie: Kaum Fortschritte beim Impfgipfel

"Markus Lanz" – Das waren die Gäste:

  • Malu Dreyer, SPD-Politikerin
  • Karl Lauterbach, SPD-Politiker
  • Robert Habeck, Grüne-Politiker
  • Valerie Höhne, Journalistin
  • Tilo Wagner, Journalist

Äußerst optimistisch zeigte sich jedenfalls die Rheinland-Pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer per Videochat. Dass der Impfgipfel notwendig gewesen sei, betonte die Ministerpräsidentin mehrfach, als Moderator Markus Lanz das Treffen als „Placebo-Gipfel“ bezeichnete. Besonders die Impfstrategie und Lieferung seien wichtige Punkte gewesen, um in den kommenden Quartalen eine Optimierung der Impfpläne zu ermöglichen. Lesen Sie auch: Corona-Impfgipfel: Merkel zu Ergebnisse auf Pressekonferenz

„Markus Lanz“: Impfstoff-Mangel - Habeck kritisiert Bundesregierung

Die Optimierung der Impfpläne scheint jedoch länger zu dauern als gedacht. Immer wieder ist von Lieferengpässen die Rede. Wie es überhaupt zu den verspäteten Bestellungen kommen konnte, wollte der Moderator wissen: „Kann doch nicht sein, dass der Impfstoff, der dort jetzt entwickelt wurde, überall auf der Welt verimpft wird, nur wir kommen da jetzt nicht ran“, sagte Lanz.

Auch Robert Habeck kritisierte das Vorgehen. Laut Habeck hätten „Deutschland, die Bundeskanzlerin, die Bundesregierung selbstbewusster agieren müssen“. Für SPD-Politiker Karl Lauterbach scheiterte es vor allem am „Impfstoff prime“ – so nannte Markus Lanz die beschleunigte Produktion der Stoffe.

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    Im Hinblick auf die kommende Ministerpräsidentenkonferenz steht für Malu Dreyer jedoch eins fest: Die Mutationen müssen genauer untersucht werden. So könne vorerst nicht von Lockerungen die Rede sein, bevor nicht mehr Daten vorliegen. Lesen Sie dazu: Corona-Gipfel: Wird Lockdown nächste Woche verlängert?

    „Lanz“: Steht Deutschland vor einer dritten Welle?

    Karl Lauterbach warnte an dieser Stelle vor voreiligen Entscheidungen. Derzeit befinde sich Deutschland bei einem Inzidenzwert von 90. Dieser verringere sich wöchentlich um zehn. Problematisch seien hierbei jedoch besonders die englische und südafrikanische Mutation. Lesen Sie hier: Drosten - Vielleicht bis Ostern kein Effekt durch Impfungen

    Karl Lauterbach – Mehr über den SPD-Gesundheitsexperten

    „Wir sehen mittlerweile, dass die sich doch stärker ausbreiten, als wir gehofft hatten“, sagte Lauterbach. Demnach handle es sich bei 10 bis 15 Prozent aller Neuinfektionen um die Mutationsvarianten. Lesen Sie auch: Corona-Mutationen: Diese verschiedenen Varianten gibt es

    „Wir sind in einem Lockdown, der die alte Variante runterdrückt, aber gleichzeitig steigen die gefährlicheren Varianten“, erklärte der SPD-Politiker. Berechnungen zufolge ergebe dies eine Steigung auf rund 30 Prozent bis Mitte Februar.

    Sputnik V: Russischer Impfstoff offenbar hoch wirksam

    So würde die Inzidenz erneut trotz Lockdown steigen. „Er kündigt gerade die dritte Welle an“, kommentierte Robert Habeck fassungslos die Prognose. Karl Lauterbach betonte, dass die einzige Präventionsmaßnahme ein Inzidenzwert von 25 sei.

    Diesen könne man nur dann erreichen, wenn der Lockdown verlängert oder die Maßnahmen nochmals verschärft werden. Die aktuellen Maßnahmen reichen derzeitig nicht aus, um eine schnellere Ausbreitung der Mutationen zu verhindern.

    Und doch beendete Lauterbach seine düstere Prognose mit einem Hoffnungsschimmer. Der russische Impfstoff Sputnik V habe in einer Studie eine Wirksamkeit von rund 91 Prozent gezeigt. „Da sind wir tatsächlich auch ein bisschen zu arrogant gewesen“, gab der SPD-Politiker zu. Laut Lauterbach könne der Impfstoff eine „wichtige Ergänzung“ sein. Auch interessant: Corona - Hilft Russen-Impfstoff Europa aus der Krise?

    Robert Habeck steckt nicht gerne in der Oppositionsrolle

    Doch nicht nur die Pandemie dominierte das Talkshow-Geschehen, auch das Superwahljahr und die Bundestagswahl standen zur Debatte. „Sind Sie froh, dieser Tage nicht sozusagen Teil der Exekutive zu sein?“, fragte Lanz Robert Habeck.

    „Keiner kann sich im Moment wünschen, in der Bundesregierung diese Verantwortung zu tragen, weil die ja wirklich auf dem Zahnfleisch gehen“, entgegnete der Grüne-Vorsitzende. Gerade die Oppositionsrolle passe Habeck aber nicht wirklich. Immer wieder alle kritisieren zu müssen, das sei „keine schöne Position“.

    Möchte Habeck also mehr Verantwortung oder zeigt sich hier das dröhnende Schweigen der Grünen? Der Vorsitzende verteidigte die Oppositionsarbeit dennoch und betonte, dass Kritik dann geäußert werde, wenn diese angebracht sei.

    Habeck zu schwach für Twitter, aber stark genug fürs Kanzleramt?

    Robert Habeck verteidigte allerdings nicht nur seine Oppositionsarbeit. Auch seinen Twitter-Austritt beschrieb der Vorsitzende als weiseste Entscheidung seines Lebens. Ob Twitter zu hart sei und Habeck zu schwach, wollte Markus Lanz von ihm wissen. Laut Habeck sei es vor allem die „spalterische Logik“ der Twitter-Nutzer, die ihn voll und ganz zum Instagram-Fan machte.

    Doch auch ohne Twitter – könnte es Habeck ins Kanzleramt schaffen? Als „nervös“ bezeichnet Moderator Markus Lanz die Stimmung rund um die Bundeskanzlerwahl. Auch wenn SPD-Politiker Olaf Scholz sich vergangene Woche in der Talkshow ziemlich siegessicher zeigte, ein Szenario mit Robert Habeck oder Annalena Baerbock im Kanzleramt sind theoretisch möglich.

    „Ich denke, dieses Szenario gibt es. Wenn die Grünen noch ein bisschen hochgehen, die SPD noch ein bisschen hochgeht und die FDP nicht aus dem Bundestag fliegt, dann wäre zum Beispiel auch eine Ampel möglich“, sagte „Spiegel“-Journalistin Valerie Höhne. Auch Habeck zeigte sich offen für alles: „Es ist eine so offene Situation in diesem Jahr 2021 wie wahrscheinlich noch nie zuvor, wahrscheinlich seit der ersten Wahl von Konrad Adenauer.“

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