Berlin. Bei “Maybrit Illner“ wurde diskutiert, wie die deutsche Impfkrise auf das Ausland wirkt und warum unsere Corona-Politik scheitert.

"Das ist Kreisklasse", schimpfte Ralf Moeller bei "Maybrit Illner". Von mehr Flexibilität bei der Pandemiebekämpfung, wie Angela Merkel (CDU) sie kürzlich anmahnte, hätte er jedenfalls noch nichts bemerkt. Im Gegenteil: Es werde zu viel herumdiskutiert, statt einfach mal zu machen, beschwerte er sich.

Zugeschaltet aus Recklinghausen, wo sich der Hollywood-Schauspieler seit August um seinen betagten Vater (92) und seine Mutter (85) kümmert, berichtete er dann von seinen Erfahrungen mit der Hotline 116117. Zweieinhalb Stunden habe er gebraucht, um durchzukommen und dann zu erfahren, dass erst viel später geimpft werde als angekündigt: "Viel Werbung, wenig Information", kommentierte er kantig das nervige Erlebnis.

Und überhaupt: Wie sollten alte Menschen selbständig im Internet ihren Impftermin organisieren? Wie sollen sie mit ihren Rollatoren ins Impfzentrum kommen? "Wer denkt sich sowas aus", schüttelte er verständnislos den Kopf über den "entseelten Prozess" und beklagte, dass dabei das Menschliche fehlte. Hätten Minister denn keine Eltern, dass sie sich in deren Lage nicht hineinversetzen könnten?

"Maybrit Illner": Das wären die Gäste

  • Thorsten Frei (CDU), Politiker
  • Anna Kebschull (Bündnis 90/Die Grünen), Politikerin
  • Sigmar Gabriel, ehemaliger SPD-Vorsitzender
  • Ralf Moeller, Schauspieler und Autor
  • Anne McElvoy, britische Journalistin,
  • Georg Mascolo, Journalist
"Maybrit Illner": Die Gäste vom 11. März 2021. © ZDF/Svea Pietschmann

Deutschlands Corona-Politik: Wie kommt Strategie im Ausland an?

Die scharfe Kritik mochte der Moderatorin und vielen Zuschauern aus der Seele sprechen, die Gäste von Maybrit Illner aber wollten nicht so richtig in die Politschelte einstimmen. Lag es an den bevorstehenden Landtagswahlen von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, dass ihre zugespitzten Fragen so wenig bei der 6er-Runde verfingen?

Der "Masken-Skandal" jedenfalls wurden bei "Maybrit Illner" nur am Rand diskutiert. Stattdessen ging es ganz allgemein um die Unfähigkeit der deutschen Politik und wie das im Ausland ankomme. "Im Verbieten sind wir klasse, im Ermöglichen schlecht“, formulierte Maybrit Illner zum Beispiel flott und wollte von Anna Kebschull (Bündnis 90/Die Grünen) wissen: "Wie schwer ist es da, Politik immer noch zu rechtfertigen?"

Corona-Mutanten als Bumerang

"Noch besser sind wir im Schlechtmachen, wie es scheint", entgegnete die Landrätin des Landkreises Osnabrück per Video. Zwar gab sie Ralf Moeller recht, dass es oft eine Diskrepanz zwischen Versprechen und Organisation gäbe, aber alles Schimpfen nütze nichts, wenn der Impfstoff nicht da sei. Dafür monierte sie, wie einige Länder ein "Me First" glorifizierten: "Wir sind in einer Pandemie, die gilt weltweit. Und wenn wir nicht alle Impfstoff haben, kommen die Mutationen irgendwann als Bumerang zurück", mahnte sie.

Auch Thorsten Frei (CDU), stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, mochte nicht von einem deutschen Versagen sprechen, schließlich gäbe es bezogen auf die Einwohnerzahl in Italien oder Spanien doppelt so viele Tote. "Bei allen Schwierigkeiten gibt es doch Fortschritte", beschwichtigte er: Zweidrittel der Alten- und Pflegeheime seien schon geimpft. Die Hauptsache sei jetzt, dass kein Impfstoff liegen bleibe, denn "jeder Geimpfte hilft bei der Rückkehr zur Normalität."

Überbürokratisierung und mangelnde Flexibilität in Deutschland?

Ganz Bundesaußenminister a.D., weitete Sigmar Gabriel (SPD) den Blick auf die Welt: Wenn andere Länder momentan auf Deutschland blickten, dann sagten sie, das ist "typisch deutsch", bestätigte er mit leichter Ironie: "Aber sie meinen nicht Qualität, sondern eine Überbürokratisierung und mangelnde Flexibilität."

Es gäbe schon ein paar Dinge, die man anders machen könnte, fand er. Andere Länder, zum Beispiel die USA, ging viel pragmatischer vor: "Sie impfen in Apotheken, in Drugstores. Sie setzen in ländlichen Regionen völlig selbstverständlich das Militär ein", zählte er auf. In Deutschland hätte es darum erst eine Riesen-Debatte gegeben: "Klar könnte die Bundeswehr Impfungen organisieren, warum nicht."

Sigmar Gabriel bei
Sigmar Gabriel bei "Maybrit Illner". © ZDF/Svea Pietschmann

Dem konnte grob auch Georg Mascolo zustimmen. Enttäuschend aber fand der Ex-"Spiegel"-Chefredakteur und Buch-Autor, dass die USA – durch ein Exekutiverlass, so alt wie der Koreakrieg – selbst an ihre unmittelbar angrenzenden Länder keine Impfstoffe exportierten. Europa versorge im Moment weite Teile der Welt, darunter auch Kanada und Mexiko, mit 25 bis 30 Millionen Impfdosen.

"Wenn diese Krise irgendwann vorbei ist, werden sich manche Länder unangenehme Fragen gefallen lassen müssen, weil sie nicht gesehen haben, dass es ein medizinisches und ein menschliches Argument gibt, andern zu helfen", befand er.

"Erst der Impfstoff, dann die Moral"?

Anne McElvoy, leitende Redakteurin beim britischen "The Economist", konnte sich dieser Ansicht allerdings nicht anschließen. Zugeschaltet per Video aus London berichtete sie, wie es zum "Impfspurt" auf der britischen Insel gekommen war: Im Vergleich mit dem "Pandemie-Weltmeister Deutschland" habe Großbritannien in der ersten Phase versagt, bestätigte sie.

Gerade wegen dieser Erfahrung habe die Regierung Johnson dann aber "sehr schnell Entscheidungen getroffen" und mithilfe von Kate Bingham die Lage so weit in den Griff bekommen, dass inzwischen rund ein Viertel aller Briten geimpft werden konnten. "Das war eine Seilschaft, die gut funktioniert hat", kommentierte sie, mit einem Seitenhieb auf den deutschen Masken-Skandal, den Einsatz der erfahrenen Risikokapitalunternehmerin für ihr Land: Die Ehefrau eines konservativen Abgeordneten habe für ihren Krisen-Job kein Honorar berechnet.

Anne McElvoy bei
Anne McElvoy bei "Maybrit Illner". © ZDF/Svea Pietschmann

Deshalb glaubte Anne McElvoy auch nicht, dass die Briten nach dem egoistischen Motto "erst kommt der Impfstoff, dann die Moral" handelten, paraphrasierte sie ein berühmtes Zitat von Bert Brecht: Auch Großbritannien werde in naher Zukunft seine Impfstoffe in die Welt exportieren, war sie sich sicher.

"Um diese humanitäre Leistung aufnehmen zu können, muss man aber erst in der Lage sein, zu liefern", erläuterte sie die Sicht der Briten, die – wie die USA – zuerst die eigenen Bürger versorgt wissen wollten. Alles zeitgleich machen zu wollen wie in der EU, sei ihrer Meinung nach nicht praktikabel: "Man kann den Kuchen erst verteilen, wenn er gebacken ist."

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