Berlin. Bei „Maybrit Illner“ hatten die Lockdown-Gegner Oberhand. Vorn dabei: Christian Lindner, der gefährliche Wissenschaftskritik betrieb.

Seit Ostern hat die Corona-Debatte in Deutschland einen neuen Dreh. Längst geht es nicht mehr um eine maximale Begrenzung der Pandemie; die Sehnsucht nach einer Lockerung wird größer, die Politik ist entsprechend unter Druck.

Das Phänomen beschäftigte am Donnerstagabend auch „Maybrit Illne r“: „Die Politik macht auf – die Unsicherheit bleibt?“, war der Talk überschrieben. Es wurde eine interessante, zugleich aber auch einseitige Debatte – mit klarem Schwerpunkt auf der Lockdown-Skepsis.

Diese wurde vor allem von FDP-Chef Christian Lindner vertreten. Sein Argument zusammengefasst: Wir sind mit Hygiene- und Abstandsregeln sowie ausgebauten Krankenhauskapazitäten besser aufgestellt als noch im Februar. Daher seien die Maßnahmen gegen das Coronavirus nicht mehr verhältnismäßig. „Ich lass mir mit der zweiten Welle nicht mehr Angst machen“, gab er zu Protokoll.

„Maybrit Illner“: Christian Lindner diskreditiert die Wissenschaft

Das kann man so sehen. Einen faden Beigeschmack hatten Lindners Äußerungen aber doch, weil er immer wieder unseriöse Zweifel an der Wissenschaft säte. Christian Drosten äußere sich heute so und morgen so, behauptete Lindner im Fall der Infektionslage bei Kindern. Und überhaupt wäre es doch mal nicht schlecht, wenn alle Virologen wie in der katholischen Kirche zusammen kämen und weißen Rauch aufsteigen lassen würden, wenn sie sich einig seien.

Diese Gäste diskutierten bei „Maybrit Illner“:

• Franziska Giffey (SPD), Bundesfamilienministerin

• Christian Lindner (FDP), Parteivorsitzender

• Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe am Bernhard-Nocht-Institut Universität Hamburg

• Udo di Fabio, Mitglied „Expertenrat Corona“ in NRW, ehemaliger Bundesverfassungsrichter

• Katia Saalfrank, Pädagogin und Familienberaterin

Gut und wichtig war bei dieser unlauteren Häme, dass die Gastgeberin bei Lindner umfassend zu Äußerungen von dessen Vize Wolfgang Kubicki nachhakte. Der hatte von angeblich „politisch motivierten“ Zahlen des Robert Koch-Instituts geraunt, eine Formulierung, wie man sie eher von der AfD erwarten würde. Das brachte Lindner kurz in die Defensive – und zeigte noch einmal, dass die Diskreditierung der Wissenschaft in seiner FDP durchaus System hat.

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    Den zum Teil plausiblen und zum Teil unsäglichen Äußerungen von Lindner wollte oder konnte Jonas Schmidt-Chanasit nicht viel entgegen setzen. Zwar verteidigte der Virologe von der Universität Hamburg die Kollegen des Robert Koch-Instituts gegen die Anschuldigungen und verwies auf die Erfolge bei der Eindämmung des Virus. Ein glühendes Plädoyer für die gegenwärtige Strategie gab er allerdings nicht ab. Lesen Sie auch: Wegbereiter von Drosten und Co.: Wer war dieser Robert Koch?

    Und Franziska Giffey? Selbst die Vertreterin der Bundesregierung stellte sich nur halbherzig gegen Lindner: Man dürfe das Erreichte jetzt nicht verspielen, müsse sich aber durchaus Stück für Stück an Lockerungen heranrobben, räumte die Familienministerin ein.

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    Für den Standpunkt Lindners sprach letztlich auch Udo di Fabio. In der ersten Phase sei der Lockdown verfassungsmäßig geboten gewesen, führte der frühere Verfassungsrichter aus. Mittlerweile gebe es aber eine entspanntere Lage.

    Katia Saalfrank, Christian Lindner, Maybrit Illner, Franziska Giffey und Jonas Schmidt-Chanasit (von links). Zugeschaltet: Udo Di Fabio.
    Katia Saalfrank, Christian Lindner, Maybrit Illner, Franziska Giffey und Jonas Schmidt-Chanasit (von links). Zugeschaltet: Udo Di Fabio. © ZDF/Svea Pietschmann

    Interessant war, dass di Fabio ähnlich wie Wolfgang Schäuble den absoluten Schutz des Lebens relativierte. „Wir nehmen bestimmte Risiken als sozialadäquat hin und gehen nicht davon aus, dass es einen absoluten Lebensschutz in allen Bereichen braucht“, sagte der Jurist. So akzeptiere man etwa jährlich tausende Verkehrstote, weil die Mobilität ein hohes, auch lebenssicherndes Gut sei.

    Das Fazit

    Es gibt gute Argumente dafür, über eine Lockerung der Corona-Maßnahmen zu sprechen. Christian Lindner, das zeigte die Runde, hat sie durchaus in petto. Würde er bloß auf die gefährliche Wissenschaftskritik verzichten.

    Ansonsten krankte die durchaus spannende Runde daran, dass kein echter Widerpart vorhanden war. Vielleicht spiegelt das aber auch ganz gut die aktuelle Lage in der deutschen Corona-Debatte wieder: Die Lockdown-Vertreter sind in die Defensive geraten.

    Die aktuelle Ausgabe von „Maybrit Illner“ finden Sie in der ZDF-Mediathek.