Berlin. Virologe Streeck erklärt bei „Markus Lanz“ erste Ergebnisse der „Heinsberg-Studie“. In Italien wächst derweil die Wut auf Deutschland.

Markus Lanz kann es nicht glauben: Da hält das Coronavirus die Welt in Atem, mit über 17.000 Todesfällen ist Italien am schwersten von der Pandemie betroffen. Auch New York meldete 800 Corona-Tote – innerhalb eines Tages. Und trotzdem soll die Sterberate bei Covid-19-Patienten lediglich bei 0,37 Prozent liegen?

„Überrascht hat mich diese Zahl nicht“, sagte der Virologe Hendrik Streeck, der am Donnerstagabend im TV-Studio zugeschaltet war. Streeck ist so etwas wie ein Corona-Pionier. Im besonders vom Virus betroffenen Landkreis Heinsberg (NRW) hat der Wissenschaftler eine repräsentative Studie durchgeführt – mit erstaunlichen Ergebnissen. So kamen Streeck und sein Team zu dem Ergebnis, dass 15 Prozent der Bürger bereits mit dem Coronavirus infiziert waren. Und damit immun sind.

Markus Lanz: Das waren die Gäste

  • Prof. Hendrik Streeck, Virologe
  • Prof. Klaus Püschel, Pathologe
  • Dirk Steffens, Wirtschaftsjournalist
  • Annette Hilsenbeck, Journalistin und Italien-Korrespondentin des ZDF
  • Martin Kind, Unternehmer

Virologe Streeck erklärt bei „Markus Lanz“ das Rätsel um die Sterblichkeit

Interessant sind die Ergebnisse vor allem vor dem Hintergrund, dass das Robert Koch-Institut (RKI) die Corona-Sterblichkeit mit 1,8 bis 1,9 Prozent deutlich höher ansetzt. „Also rund das Fünffache“, wie Moderator Lanz gleich mehrmals wiederholte. Wie kann das sein?

Was zunächst paradox klingt, zeigt vor allem eines: Wissenschaft ist nie schwarz oder weiß. Es kommt auf die Betrachtung an. „Das Virus, das wir haben, ist das gleiche, das auch in New York, Italien und China grassiert“, sagte Virologe Streeck. Aber: Je mehr getestet werde, desto mehr Infektionen finde man auch. Die Sterberaten sind aber abhängig von den Testkapazitäten.

Wo wenig getestet wird, die Dunkelziffer also hoch ist, schnellt auch die Sterberate nach oben – quasi als statistische Verzerrung. Eine repräsentative Untersuchung wie im Landkreis Heinsberg liefert also mitunter andere Ergebnisse als das, was von den Gesundheitsämtern ans RKI gemeldet wird. Lesen Sie hier, welche sechs Lehren aus der „Heinsberg-Studie“ gezogen werden können.

Virologe Streeck: Der Maßstab muss die Kapazität des Gesundheitswesens sein

Der Hamburger Gerichtsmediziner Prof. Klaus Püschel verstieg sich gar zu der Aussage, dass man am Ende des Jahres Covid-19 in der deutschen Todesstatistik nicht feststellen werde – da es keine Ausschläge nach oben geben werde. „In Deutschland sterben nicht mehr Menschen als zuvor“, sagte Püschel.

Es ist müßig, darüber zu spekulieren. Sinnvoller erscheint es, wie Virologe Streeck es tat, sich weniger auf Infizierten- und Todeszahlen zu konzentrieren – sondern die Kapazität des Gesundheitssystems im Blick zu haben. Und damit die Frage: Gibt es genug Intensivbetten? „Allein das muss der Maßstab sein, wie wir mit dem Virus umgehen“, sagte der Bonner Wissenschaftler. Wichtig sei jetzt, dass die Hygieneregeln weiter eingehalten werden. Ebenso sollten die Menschen voneinander Abstand halten.

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    „Ich glaube, dass wir dann eine Beruhigung sehen in den nächsten Wochen und Monaten“, sagte der Virologe. Und damit wäre auch wieder so etwas wie ein halbwegs normaler Alltag möglich. Eine Aussage, die wohl viele Zuschauer mit Erleichterung zur Kenntnis genommen haben dürften. „Es ist Licht am Ende des Tunnels“, fasste Markus Lanz zusammen.

    Fußball-Manager bei „Markus Lanz“: Die Saison muss zu Ende gespielt werden

    Denn viele Menschen können es kaum erwarten, dass das öffentliche Leben wieder hochgefahren wird – und sei es nur aus wirtschaftlichen Gründen. Zu dieser Gruppe gehört sicher auch Martin Kind, der Geschäftsführer von Hannover 96. „Es macht Hoffnung“, kommentierte der Fußballmanager die Studien-Ergebnisse des Virologen. Hoffnung, dass auch der Ball schon bald wieder rollt.

    Für die Bundesliga und die Proficlubs ist die Situation bedrohlich. Es sind nicht die Geisterspiele, die Sorgen bereiten. Wobei: Auch hier kalkuliert Hannover 96 laut Kind pro Heimspiel mit Einnahmen von 500.000 Euro. Dem niedersächsischen Zweitligisten würden also bei fünf verbleibenden Heimspielen 2,5 Mio. Euro durch die Lappen gehen. Viel wichtiger, so Kind, seien aber die TV-Einnahmen.

    Daher setzen die Proficlubs auch alles daran, dass die Saison zu Ende gespielt wird. Irgendwie. Martin Kind sagte es selber: Der Fußball ist volkswirtschaftlich unbedeutend – aber er begeistert Millionen Fans.

    Journalistin Hilsenbeck bei „Markus Lanz“: In Italien wächst Wut auf Deutschland

    Im Vergleich zu dem, was die italienische ZDF-Korrespondentin Annette Hilsenbeck aber anschließend berichtete, erschienen Kinds Sorgen geradezu kleinlich. Die ZDF-Reporterin schilderte die wirtschaftliche Not in Süditalien. Da das Land stillsteht, hätten viele Menschen ihre Jobs verloren.

    „Für sie bedeutet nicht arbeiten, kein Geld mehr zu haben – und Hunger“, sagte sie. In Italien wachse die Wut auf die EU und Deutschland. Die reichen Länder des Nordens blocken Corona-Bonds, also eine gemeinschaftliche Verschuldung der EU-Staaten, ab. Damit kämen Länder wie Italien oder Spanien günstiger an frisches Geld. Das, so der Vorwurf, sei gerade jetzt wichtig. Lesen Sie hier, ob Corona-Bonds die Krise lösen können und wie sie funktionieren.

    In einer Situation, in der die ohnehin wirtschaftlich gebeutelten Südländer unverschuldet in eine Krise rutschten – und damit doppelt gestraft seien. „Das ruft Wut hervor“, sagte Hilsenbeck. Das Virus ist sicherlich irgendwann verschwunden. Die aufgerissenen Gräben in Europa aber könnten bleiben.

    „Markus Lanz“ – Das waren die vergangenen Sendungen zum Coronavirus