Erfurt/Berlin/Stützberbach. Sollte die Mehrwertsteuer auf Speisen wieder steigen, befürchten Gastronomen in Thüringen eine Erhöhung der Preise um rund zwölf Prozent. Manche sehen sich auch in der Existenz bedroht.

Im November soll in Berlin durch die Bundespolitik die Entscheidung fallen, ob der Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie ab 1. Januar 2024 für Speisen in Restaurants wieder von 7 auf 19 Prozent angehoben wird. Die Rückkehr könnte aus Branchensicht für viele Betriebe zur existenziellen Belastung werden.

Für Thüringen befürchtet der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) bei einer Neuregelung ein Gaststättensterben „von bis zu 15 Prozent, vor allem auf dem Land“, so Geschäftsführer Dirk Ellinger. Betroffen wäre aus seiner Sicht auch der touristisch geprägte Thüringer Wald, „wo die Gastronomie schon seit Jahren mit der Schließung von Unternehmen und dem Fehlen von Personal zu kämpfen hat.“

Das bestätigt Jens Löser von der Wanderpension „Zum Reifberg“ in Stützerbach, im Ilm-Kreis. „1990 hatten wir im Ort 18 Gastwirtschaften, mittlerweile sind es noch zwei“. Der Inhaber bietet seit anderthalb Jahren für seine Gäste nur noch Übernachtung mit Frühstück an und sagt voraus. „Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer wird vor allem kleine Betriebe treffen, besonders Familienunternehmen. Die gehen kaputt.“

Landesregierung unterstützt Dehoga

Die Speisen-Mehrwertsteuer war während der Pandemie von 19 auf sieben Prozent reduziert worden. Seither gilt dort derselbe Steuersatz wie für den Außer-Haus-Verkauf, Lieferdienste oder Lebensmittel im Einzelhandel. Die Regelung wurde dann durch die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und stark gestiegener Energiepreise nochmals bis Ende 2023 verlängert.

Neben dem Branchenverband Dehoga setzen sich in Thüringen auch die Landesregierung und Verbände – wie die Industrie -und Handelskammer oder der Regionalverbund Thüringer Wald – für den Erhalt der jetzigen Mehrwertsteuer ein.

Restaurantbesuch teilweise schon Luxus

In Zeiten der grassierenden Inflation sei der Restaurantbesuch schon jetzt „teilweise zu einem Luxus“ geworden, so Ellinger. Er warnt vor einer Kostenexplosion, sollte der Mehrwertsteuersatz wieder angehoben werden. „Dann würden Speisen im Durchschnitt um zwölf Prozent teurer“, was sich Gäste oft nicht mehr leisten können. Gestützt wird die Angst durch eine aktuelle Umfrage des Erfurter Meinungsforschungsinstituts Insa im Auftrag des Dehoga. Mehr als jeder zweite Befragte würde dann seltener essen gehen.

Das Argument der Politik, dass die Steuereinnahmen von 3,4 Milliarden Euro dringend gebraucht werden, lässt Ellinger nicht gelten. Auch nicht, dass sich die Gastronomie – wie andere Branchen – veränderten Marktbedingungen stellen muss. Er verweist darauf, dass während der Pandemie schon jedes fünfte steuerpflichtige Unternehmen im Thüringer Gastgewerbe schließen musste. Aktuell arbeiten dort in 4000 Betrieben noch rund 41.000 Beschäftigte.