Weimar. Jubelschreie so laut wie die Alarmsirenen im wieder quicklebendigen Niederzimmern ertönen aus dem Notfallmobil. Es ist vollbracht. Tief Bodo ist über das Weimarer Land hinweggezogen und meine Frau Carla und ich können uns wieder mit all den Köstlichkeiten versorgen, die der zügellose Kapitalismus uns beschert hat.
Jubelschreie so laut wie die Alarmsirenen im wieder quicklebendigen Niederzimmern ertönen aus dem Notfallmobil. Es ist vollbracht. Tief Bodo ist über das Weimarer Land hinweggezogen und meine Frau Carla und ich können uns wieder mit all den Köstlichkeiten versorgen, die der zügellose Kapitalismus uns beschert hat.
14 Tage hat das fiktive Tief uns dazu gezwungen, nur aus unserem Notvorrat zu zehren. Wir haben nur das gegessen, was das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft für die Notfallvorsorge vorschlägt. Und siehe da, wir haben noch nicht mal alles gebraucht. "Dann können wir ja jetzt ne Party machen", war der Vorschlag meines Nachbarn, als er den aufgestapelten Rest in Augenschein nahm. Doch nach genauerem Hinsehen fiel ihm auf, dass gar kein Bier auf dem Tisch steht. "Dann wohl doch keine Sause", war das kurze und schmerzlose Fazit seines Studiums der Resterampe.
Überleben in der Krise: Das Finale
Schluss mit vollwertiger Mangelernährung
Doch eine kleine Feier lassen wir uns nicht nehmen, als Gäste begrüßen wir verschiedenste Eissorten und Burgervariationen, denn er ist gekommen, der Burgerday. Der Tag, der uns von der vollwertigen Mangelernährung erlöst. Vollwertig, weil auf der Liste alles vorhanden ist, was der Mensch zum Leben braucht, so bestätigte es mir der Ernährungsexperte Professor Michael Glei von der Uni Jena. Mangelhaft, weil die Liste fast gar nichts zu bieten hat, was uns durch Geschmack zum Lächeln gebracht hat. Auch für Sterneköchin Maria Groß war es eine Herausforderung, daraus etwas wahrlich Schmackhaftes zu kreieren.
Natürlich geht es im Überlebenskampf nicht zuerst um wohlige Stimmung durch leckeres Essen, doch ist es sicher nicht von Nachteil, wenn gutes Essen die Stimmung aufheitert. Professor Glei sagte mir, dass Leute beim Fasten 14 Tage nur Brühe essen und auch überleben, aber die Gesellschaft im Notfall ja auch leistungsfähige Bürger brauche.
Als ich den Lebensmittelvorrat im Stasi-Bunker auf dem Rennsteig bei Allzunah inspizierte, fiel mir gleich das Schweinegulasch auf: "Das will ich auch", sagte ich zu meinem Kollegen Martin, der das Projekt mit seiner Fotografie und seinem Ideenreichtum begleitet hat. Ich glaube, es ist wichtig, dass im Notfall ein Vorrat vorhanden ist, der nicht nur ernährt, sondern auch für gute Stimmung sorgen kann. Welche Lebensmittel das sind und ob dazu , wie bei Professor Glei, eine Kiste Bier und eine gute Flasche Wein gehört, dass weiß jeder selbst am besten.
Wir haben getestet, wie es ist, sich so zu ernähren, wie es die Regierung empfiehlt. Natürlich ist eine Empfehlung immer offen für Veränderungen, doch werden sich viele Menschen im Zweifel genau darauf beziehen. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat diese spezifische Liste 1997 aus ihrem Notfallratgeber verbannt, verweist allerdings auch heute noch auf die Internetseite, die das Bundesministerium für Ernährung verwaltet, www.ernaerungsvorsorge.de . Sie soll dem Bürger helfen, sich einzudecken und das tut sie meiner Ansicht auch, doch hält sie an der Beispielliste fest.
Liste stellt Diskussion in den Schatten
Ich verstehe, wenn mir Cornelie Pfau, stellvertretende Leiterin vom Max-Rubner-Institut, und Vera-Tatjana Gizewski von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, die diese Liste erst 2013 gemeinsam bearbeitet haben, immer wieder ans Herz legen, dass es nur Beispiele sind und man selber variieren kann. Das ist ja richtig, doch diese prominente Liste, auch wenn sie gut gemeint ist, stellt die wichtige Diskussion über einen individuellen Vorrat in den Schatten. Im Gespräch mit Bürgern, wie es in unserer kleinen Umfrage auch deutlich wird, kommt immer wieder heraus, dass sie wenig für die Empfehlungen auf der Liste übrig haben. Einen kleinen Vorrat hätte ja ohnehin jeder zu Hause, ist ein oft gehörtes Argument. Dass der im Zweifelsfall aber rasend schnell aufgebraucht wird, ist den Menschen weniger klar.
So ist die Menge der Lebensmittel auf der Liste für zwei Personen, immerhin fast 150 Kilo inklusive Wasser, die ich am Anfang des Experiments für wahnsinnig gehalten habe, durchaus realistisch. Wir haben zwar einiges übrig behalten, doch lag das eher daran, dass wir auf Essen verzichtet haben, weil uns nicht danach war. Ich meine, wer isst denn in zwei Wochen zwei Kilogramm Knäckebrot und 800 Gramm Zwieback? So steht er am Ende da, der Zwiebackturm. Das Wasser war schon zwei Tage vor dem Ende des Projekts verbraucht und ist der Meinung des Vorratsprofis und Grafikers der Mediengruppe Thüringen, Andreas Wetzel, das Allerwichtigste: "Mit Wasser steht und fällt der Notvorrat."
Resümierend gefällt mir die "Aktion Eichhörnchen" aus den sechziger Jahren, bei der Bürgern nahe gelegt wurde, sich einzudecken, ganz gut. Denn wenn mal etwas passiert, Gott bewahre, ist es verheerend, wenn niemand vorbereitet ist. Also: "Denk dran, schaff Vorrat an".
Das umgedrehte Interview: Thomas Münzberg vom Karlsruher Institut für Technologie befragt Steffen Högemann zu diesem Experiment
Videos, Fotos und alle Artikel der Serie finden Sie hier.
Schreiben Sie dem Autor: s.hoegemann@tlz.de
Steffen Högemann