Berlin. Schlagerstar Matthias Reim ist zurzeit auf Tournee. Was seine Insolvenz ihn gelehrt hat und wo er als Vater zu wünschen übrig lässt.

Mit 65 Jahren kann Matthias Reim auf eine der wechselvollsten Karrieren des deutschen Musik-Business zurückblicken. Nach finanziellen und gesundheitlichen Tiefschlägen im Lauf der letzten beiden Jahrzehnte ist der Sänger, der sich unter anderem mit dem Millionenhit „Verdammt, ich lieb‘ dich“ verewigt hat, wieder ganz oben angekommen, was sich auch an seiner derzeitigen erfolgreichen Tournee und einem Live-Album (ab 14. Juli im Handel) zeigt. Dass er keine Abstürze mehr zu befürchten hat, dafür sorgen unter anderem sein Bruder, und ein Anhänger, den er um den Hals trägt.

Sie gehen in einem Alter auf Tournee, wo andere Menschen in die Rente gehen. Was treibt Sie an?

Matthias Reim: Das, was ich tue, liebe ich über alles. Ich liebe es, Konzerte zu geben und Songs zu schreiben, ich liebe die Atmosphäre, das Adrenalin. Und das hält mich jung. Ich spüre meine 65 höchstens, wenn ich meine Knochen sortiere und mir der Rücken wehtun. Aber wenn ich auf der Bühne stehe, dann fühle ich auch die Jahre nicht. Und weil ich nicht ständig in den Spiegel schaue, sehe ich meine paar Falten nicht. Gott sei dank habe ich mir meine Figur erhalten und habe keinen Hang zum Haarausfall und zum Dickwerden. Ich verstehe, wenn Leute das Arbeiten beenden wollen, aber ich arbeite ja nicht, ich spiele. Und dieses Gefühl treibt auch meine internationalen Kollegen wie die Stones oder Ozzy Osbourne an. Mick Jagger springt immer noch auf der Bühne herum, als ob es kein Morgen gäbe, und wenn der liebe Gott es will und mein Körper es zulässt, werde ich diesen Weg auch gehen.

Auf diesem Weg gab es auch einige tiefe Täler – insbesondere Ihre Insolvenz vor 17 Jahren. Wird man durch solche Erfahrungen ein besserer Musiker?

Reim: Auf jeden Fall habe ich ein Profil bekommen. Ich stehe für viele da als der Phönix, der aus der Asche aufsteigt und sagt, meine verbrannten Flügel interessieren mich nicht mehr, ich will wieder fliegen. Ich habe diesen Untergang zwar akzeptiert, aber ich habe auch gesagt: Damit musst du umgehen. Wenn sich eine Tür schließt, dann geht eine andere auf. Davon schreibe ich gerne abgewandelt in meinen Songs. Die Hoffnung und die Träume starben nie.

Wussten Sie, dass Sie wieder fliegen würden, als Sie in der Asche waren?

Reim: Ich bin davon ausgegangen. Wie hoch und wie weit, das wusste ich nicht. Ich hätte auch einfach nur produzieren und Songs schreiben können.

Sie haben auch noch alle Hände voll mit Ihren sieben Kindern zu tun. Aber laut einer Selbstaussage sind Sie ein „pädagogisch nicht wertvoller Vater“...

Reim: Ich versuche meine Kinder schon auf meine Weise pädagogisch ins Leben zu geleiten, indem ich sie auffordere, morgens die Zeitung zu lesen. Sie brauchen eine Allgemeinbildung, vor allem diejenigen, die Künstler werden wollen. Schließlich müssen sie in Interviews bestehen. Wobei ich ihnen das nicht aufzwingen will.

Was ist dann an Ihrem Verhalten pädagogisch zweifelhaft?

Reim: Wenn meine Kinder ins Einkaufszentrum wollen, um sich neue Klamotten zu kaufen, dann sagt die Mutter: „Dafür mähst du aber den Rasen oder putzt die Fenster, damit du merkst, dass Geld einen Wert hat und dass es nicht selbstverständlich ist.“ Dann rufen sie mich an und sagen: „Papa, ich brauche dringend so und so viel Geld“. Und ich antworte: „Okay, dann schicke dir das per Sofortüberweisung rüber.“ Dann kriege ich von der jeweiligen Mama einen Einlauf, dass ich mich wieder habe um den Finger wickeln lassen.

Bekannt wurde Reim mit Hits wie „Verdammt, Ich Lieb’ Dich“ oder „Ich Hab’ Geträumt Von Dir“. An Aufhören denkt der Schlagerstar nicht.
Bekannt wurde Reim mit Hits wie „Verdammt, Ich Lieb’ Dich“ oder „Ich Hab’ Geträumt Von Dir“. An Aufhören denkt der Schlagerstar nicht. © dpa | Britta Pedersen

Als verträumter Hoffnungsvoller lesen Sie jeden Morgen die Zeitung, wie Sie sagten. Treibt Ihnen die Lektüre nicht die Träume aus?

Reim: Die Zeiten sind furchtbar und ich verfolge das alles, ob das der Ukrainekrieg oder der Aufstieg der AfD ist. Da schüttle ich den Kopf und denke mir: ‚Mein Gott, was geht denn hier ab?‘ Aber ich kann es nicht ändern und so mache ich meinen Beruf weiter. Gerade in den heutigen Zeiten sind Emotionalität, positives Denken, Hoffnung und Gemeinsamkeit wichtig. Das ermögliche ich mit meinen Konzerten.

Das heißt, die Menschen können in Ihren Konzerten auch ihre Frustration bewältigen?

Reim: Ja, denn in vielen Songs beschreibe ich das Wiederaufstehen. Da singe ich: „Wer nie durch Scherben ging, hat nie gelebt.“ Die Tiefs und schlechten Zeiten gehören dazu, um das Glück, das auch dazu gehört, empfinden zu können. Wenn das Leben wie eine gerade Linie verlaufen würde, hätten wir keine Werte und keinen Ansporn.

Wenn man aus dem Scherbenhaufen aufgestanden ist, möchte man aber den nie wieder erleben...

Reim: Solche Dinge, wie sie mir damals mit meiner Insolvenz widerfahren sind, würden mir heute nicht mehr passieren. Ich unterschreibe gar nichts. Ich investiere nur in Dinge, die ich meinen Bruder, der Banker ist, abchecken lasse. Wenn er sagt „Lass die Finger davon,“ dann folge ich seinem Rat. Ich habe auch gelernt, dass ich mein Geld lieber auf meine Girokonten verteile als an der Börse spekulieren zu gehen. Das ist nicht mein Ding, ich kann es nicht.

Sie scheinen auch noch auf andere Mächte zu vertrauen. Immerhin tragen Sie ein großes Kreuz um den Hals.

Reim: Das hat eine massive Bedeutung. Ich habe es mir auch auf den Oberarm tätowiert. Das stammt aus dem Jahr, als ich pleite ging. Damals habe ich auf Ibiza gewohnt und mir das für 17,50 Euro bei einem Straßenhändler am Hafen gekauft, weil es mir gefiel. Ich sagte: „Dich trage ich, bis ich wieder aus der Scheiße raus bin und ein Boot habe. Alles klar?“ Zehn Jahre später war der Erfolg wieder zurück, ich hatte ein Boot, und es ging mir gut. Und ich trage das Kreuz heute noch.