Berlin. Als sie aus dem Meer kommt, entdeckt die Frau, dass etwas sie angegriffen hat. Die Wunden haben ein Muster, das auf den Täter verweist.

Das ist so ziemlich der Alptraum aller Schwimmer: Im Meer von einem Tier angegriffen zu werden und dem hilflos ausgesetzt zu sein. Diesen Schrecken hat nun eine Frau in Schleswig-Holstein erlebt. Wie sie den Lübecker Nachrichten berichtet, war sie vor ein paar Tagen in Großenbrode (nahe der Insel Fehmarn) in der Ostsee. Sie ist Eisschwimmerin, routiniert im Meer unterwegs und an Kälte gewöhnt – daher sei sie ohne Neoprenanzug unterwegs gewesen. Im Wasser, so berichtet die Lehrerin, habe sie nichts Ungewöhnliches bemerkt, aber als sie nach 20 Minuten wieder an Land kam, habe sie mehrere, heftig blutende Wunden an ihren Beinen entdeckt.

Die Wunden weisen ein Muster auf

Nach der ersten Vermutung, sie könne sich an Treibgut verletzt haben, fällt ihr auf, dass die Wunden ein Muster haben: Sie sind punktuell und kreisrund angeordnet. Nach einigen Recherchen lautet ihre Vermutung: Ein Neunauge habe sie angegriffen.

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Tatsächlich deutet alles darauf hin. Denn Neunaugen sind Parasiten. Sie zählen nicht zu den Fischen, sondern sind eine uralte Spezies mit einer primitiven Wirbelsäule aus Bindegewebe. Sie haben keine Kiefer, sondern ein rundes Saugmaul mit Hornzähnen. Mit diesen Fress-Werkzeugen heften sich die Tiere an ihre Beute, sägen Fleischstücke heraus und saugen Blut. Das tun sie bevorzugt bei Fischen, aber auch bei größeren Beutetieren wie Robben. Dort, wo vermehrt Neunaugen auftauchen, sind die kreisrunden Narben daher nicht selten zu sehen. Wie viele andere blutsaugende Parasiten nutzen Neunaugen gerinnungshemmende und schmerzunterdrückende Substanzen im Speichel, um möglichst lange unbemerkt an ihren Wirtstieren saugen und fressen zu können. Für Pharmaunternehmen sind die Wassertiere daher ein interessantes Forschungsprojekt.

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In Deutschland werden Neunaugen zusehends seltener

Neunaugen, die wegen ihrer Atemöffnungen neben dem eigentlichen Auge so heißen, leben in Süß- und Salzwasser - welche Art für die jüngste Attacke verantwortlich ist, ist nicht klar. Im Mündungsgebiet der Flüsse zur Ostsee tummelt sich sowohl die eine wie die andere. Wobei die Meeresneunaugen mit einer Länge bis zu einem Meter doppelt so groß sind wie die Süßwasser-Verwandten. Neunaugen wandern wie Lachse zum Laichen die Flüsse aufwärts – und das ist auch der Grund, warum sie in Deutschland selten geworden sind: Viele Flüsse sind so verbaut, dass die Wanderwege für die Neunaugen versperrt sind. Dagegen zählen sie in den USA mittlerweile zu den Schädlingen. Dort zählen sie zu den invasiven Arten, die eingeschleppt wurden und die großen Seen an der kanadischen Grenze in Massen besiedelt haben.

Neunauge: Der Biss schmerzt, sei aber harmlos, versichern Experten

Schreckens-Meldungen wie die jüngste von Neunaugen-Attacken gegen Menschen sind eher selten, aber gerade an den beliebten Ostsee-Bädern nichts völlig Ungewöhnliches. Der Nabu Mecklenburg-Vorpommern gibt auf seiner Homepage aber Entwarnung: Aufgrund der Gerinnungsstoffe, die das Tier im Speichel hat, kann es länger dauern, bis eine Blutung gestoppt ist. Daher sei ein solcher Angriff für die Betroffenen sicher unangenehm, aber die Bisse seien weder giftig noch gefährlich. (ftg)