Berlin. Pedelecs haben Konjunktur, Radeln ist hip wie lange nicht. Im Fahrwasser des anhaltenden Bike-Booms wächst das Marktangebot an Fahrradschutzbriefen, die im Pannenfall Hilfe versprechen.

Ein Sensor spielt verrückt, der Motor ruckelt, irgendetwas scheint mit der Batterie nicht zu stimmen - oder ist es die Verkabelung? Eine Fahrradpanne kann mittlerweile ganz schön komplex sein.

Seit immer mehr E-Bikes auf den Straßen und Wegen der Republik unterwegs sind, sind ihre Radler im Notfall ohne technisches Fachwissen auch öfters aufgeschmissen. Denn damit, den Schlauch zu wechseln oder eine Bremse zu justieren, ist es oft nicht mehr getan.

Radler als Zielgruppe

Es kommt also nicht von ungefähr, dass sich eine Marktlücke auftut, in die immer mehr Anbieter von Fahrradschutzbriefen drängen. Seit 2016 bietet der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) seinen Mitgliedern Schutz im Pannenfall, auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) ist mit einem entsprechenden Angebot im Sattel.

Die Autoclubs haben die Radler ebenso als Zielgruppe entdeckt: Fahrradschutzbriefe bieten mittlerweile auch der Auto Club Europa (ACE), der Automobil-Club Verkehr (ACV) oder der Auto- und Reiseclub Deutschland (ARCD), nur der ADAC nicht. Deutschlands größter Automobilclub leistet seinen Mitgliedern zusätzliche Pannenhilfe lediglich bei Zweirädern, die ein Versicherungskennzeichen benötigen, zum Beispiel S-Pedelecs.

Teilweise sind Leistungen fürs Fahrrad sogar inklusive

ARCD-Sprecher Thomas Schreiner sieht in dem zum August eingeführten Angebot auch eine Reaktion auf das in der Corona-Krise veränderte Mobilitätsverhalten vieler Menschen: "Die vergangenen Wochen und Monate haben gezeigt, dass Fahrradfahren immer beliebter wird." Der Schutz der Clubmitglieder müsse unabhängig vom gewählten Verkehrsmittel gewährleistet sein, betont Schreiner.

Folglich verlangt der Club für den Fahrradschutzbrief keinen Aufpreis. Er ist in der Clubmitgliedschaft enthalten, die für Autofahrer Pannen- und Unfallhilfe in Europa bietet - so wie bei den meisten anderen Clubs auch. Teilweise können Leistungen zugebucht werden.

ADFC-Einzelmitglieder zahlen 56 Euro (Familien: 68 Euro). Beim VCD werden 9 Euro monatlich zuzüglich einer Jahresgebühr von 60 Euro fällig, um im Notfall Pannenschutz zu bekommen. Radler können aber auch günstiger wegkommen, wenn sie den Schutzbrief als Einzelbaustein abschließen. Jährlich 19,90 Euro verlangt zum Beispiel die Roland Schutzbrief-Versicherung. Deren Fahrradschutzbrief vermarktet auch die HDI-Versicherung.

Leistungen der Schutzbriefe genau vergleichen

Elke Weidenbach von der Verbraucherzentrale NRW rät allerdings dazu, genau hinzuschauen, die Leistungen mit dem eigenen Bedarf abzugleichen und letztlich auch das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht aus dem Auge zu verlieren. "Umfang und Inhalt der einzelnen Schutzbriefangebote sind sehr unterschiedlich. Bei manchen, um nur ein Beispiel zu nennen, ist die Kostenübernahme für die Weiter- oder Rückfahrt gedeckelt", sagt die Versicherungsexpertin.

Pannenhilfe vor Ort und Erreichbarkeit mittels 24-Stunden-Hotline gehören zu den Kernmerkmalen eines Fahrradschutzbriefes. Wer die feinen bis größeren Unterschiede wissen will, muss jedoch im Kleingedruckten genau nachforschen. So variieren auch die maximal für ein Mietrad oder die Übernachtung im Pannenfall übernommenen Kosten ebenso wie die Entfernung zum Schadenort, ab der der Schutz greift. Auch sollte im Einzelnen überprüft werden, ob die maximale Kostenübernahme begrenzt ist oder ob der Schutz auch im Ausland gilt.

So ist beim ARCD die Kostenübernahme bei 2000 Euro im Jahr gedeckelt, und "Schadenereignisse, die sich außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ereignen, sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen", heißt es in den Bedingungen. Dafür gilt der Brief nicht nur für das einzelne Club-Mitglied, sondern auch für dessen Lebenspartner und deren gemeinsame minderjährige Kinder. Bei anderen wie etwa dem ADFC kosten Familienpakete extra, auch Auslandsleistungen gibt es dort nur gegen Aufpreis, die beim ACV zum Beispiel wiederum inklusive sind.

Schutzbrief lohnt sich nicht gleichermaßen

Doch benötigen Radler solche Leistungen, die man vom Autoschutzbrief kennt, überhaupt? Sind Kostenübernahme bei Übernachtungen, Krankenrücktransport oder Abschleppdienst für Radler nicht überdimensioniert? "Welche Schutzbriefinhalte muss und will ich haben?" - das ist laut Weidenbach die Frage, die jeder für sich individuell beantworten sollte, um das passende Angebot zu finden.

Daraus folgt: Nicht für jeden lohnt ein Schutzbrief gleichermaßen. Wer täglich nur fünf Kilometer zur Arbeit fährt, benötigt so etwas eher nicht und könnte das Rad notfalls selbst nach Hause oder zur nächsten Werkstatt befördern. Wenn man sich aber grundsätzlich für einen Schutz entscheide, sollten Weidenbachs Meinung nach auch umfangreiche Leistungen enthalten sein: "Auch seltene Szenarien können teuer werden, zum Beispiel wenn man teure ungeplante Übernachtungen bis zur Reparatur des Rades zahlen muss."

Der Fahrradschutzbrief sei besonders für Menschen interessant, die gerne auch mal unbekannte Gegenden abseits von zu Hause erkunden wollten, sagt Schreiner. "Ideal also für Urlauber" - egal ob Radler nun mit einem herkömmlichen Rad oder einem Pedelec unterwegs seien.

Auch, wer längere Pendelstrecken zu bewältigen hat, dürfte sich im Fall der Fälle darüber freuen, wenn Hilfe naht - gerade bei gegenüber normalen Fahrrädern oft deutlich schwereren E-Bikes. "Das Schieben - gerade außerorts - über eine längere Strecke ist hier zumeist keine Alternative", sagt ACE-Sprecher Jörg Heinze. "Auch der eigene Abtransport per Pkw ist nicht ganz einfach, da die elektrischen Räder nicht in jedes Auto passen."

Diebstahl und Ersatzteile gehören nicht zur Police

So gesehen könnte der E-Bike-Boom mittelfristig auch den Erfolg von Fahrradschatzbriefen befördern. 2019 stieg der Marktanteil der Elektrofahrräder laut Zweirad-Industrie-Verband auf fast ein Drittel (31,5 Prozent), auch im ersten Halbjahr 2020 gab es demnach Zuwächse. E-Bikes könnten sich in einigen Jahren sogar besser verkaufen als normale Fahrräder, deren Absatz seit Jahren eher rückgängig ist.

Ersatzteile übrigens werden im Rahmen von Fahrradschutzbriefen in der Regel nicht gezahlt, höchstens ihr Versand zur Werkstatt. Auch der Diebstahl des Fahrrads ist in der Regel nicht gedeckt. Dafür gibt es eigene Absicherungen, zum Beispiel im Rahmen von Hausrat- oder speziellen Fahrradversicherungen. Der ADAC testet derzeit in einem auf München beschränkten Pilotprojekt unter dem Namen Click & Go eine per App aktivierbare Versicherung mit minutengenauer Abrechnung.

Es kann aber auch sein, dass radfahrende Autofahrer, die einen Schutzbrief für ihr vierrädriges Gefährt besitzen, schon einen gewissen Schutz genießen - zum Beispiel Pannenhilfe, wenn sie mit dem Fahrrad einen Platten haben. Verbraucherschützerin Weidenbach empfiehlt deshalb vor dem Abschluss, beim Anbieter des bestehenden Autoschutzbriefes nachzufragen, ob ein gewisser Fahrradschutz enthalten ist. "Man kann aber davon ausgehen, dass der Fahrradschutzbrief sehr viel weitergehende Leistungen enthält."

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