München (dpa/tmn). Der sogenannte Anscheinsbeweis spricht nach Auffahrunfällen für die Schuld von Hintermann oder -frau. Nur Beweise können ihn entkräften. Gelingt das einem Motorradfahrer, der auf Schadenersatz klagte?

Wer auffährt, hat Schuld. Dieser Satz gilt nicht zwangsläufig. Aber der sogenannte Anscheinsbeweis spricht grundsätzlich dafür, dass zu wenig Abstand, zu hohes Tempo oder Unaufmerksamkeit der Hinterfrau oder des Hintermanns den Unfall verursacht haben. Er kann grundsätzlich durch andere Beweise entkräftet werden, aber längst nicht in jedem Fall.

Das zeigt etwa ein Urteil (Az: 10 U 1962/21) des Oberlandesgerichts (OLG) München, über das die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins informiert.

Ein Motorradfahrer war auf einer dreispurigen Autobahn auf der linken Spur auf ein Auto aufgefahren. Der Motorradfahrer ging vor Gericht und klagte auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Strittig war, wie es zu dem Unfall gekommen war und vor allem wann und wie der Pkw zuvor die Spur gewechselt hatte.

Erfolg hatte der Motorradfahrer aber nicht: Zwar stellte das Gericht fest, dass „grundsätzlich Zurückhaltung bei der Anwendung des Anscheinsbeweis geboten“ sei, also die naheliegende Vermutung, dass der Kläger zu nah aufgefahren, zu schnell unterwegs oder unaufmerksam war, nicht vorschnell anzuwenden sei. Zum Beispiel dann, wenn das vorausfahrende Auto kurz vor dem Unfall die Spur gewechselt hätte.

Eine diesbezügliche Beweisführung gelang dem Kläger aber nicht. Im Gegenteil: Zeugenaussagen und Gutachten ergaben, dass das Auto schon ausreichend lange auf der linken Spur gefahren war und der Motorradfahrer den nötigen Abstand hätte einhalten können.