Berlin. Normalerweise gehen die Autohersteller mit ihren Ikonen eher behutsam um. Chevrolet hat den berühmtesten US-Sportwagen beim Generationswechsel jedoch komplett umgekrempelt. Nur in einer Disziplin bleibt sich die Corvette treu - beim Preis.

Auch fast 70 Jahre Modellgeschichte und mehr als eine Million Einheiten konnten der Corvette nie den Ruf des Underdogs nehmen. Aber jetzt sind die Amerikaner ihre Rolle als Außenseiter leid und bauen die Ikone deshalb gründlich um.

Wenn in diesem Frühjahr in den USA und zwölf Monate später auch bei uns die Generation Acht an den Start geht, dann probt die amerikanische Legende den Aufstieg in die Liga der Supersportwagen, wo bisher Ferrari und Co. das Sagen haben. Nur in einer Disziplin wollen die Amerikaner nicht mit den Spitzenmarken konkurrieren - beim Preis. Der steht zwar für Deutschland noch nicht fest. Doch selbst wenn aus den 60.000 Dollar für das Einstiegsmodell wahrscheinlich 100.000 Euro werden dürften, ist der Chevrolet als Neuwagen billiger als jeder Ferrari, Lamborghini oder McLaren aus zweiter Hand.

Der Motor wandert in die Mitte

Ihre gesteigerten Ambitionen markieren die Amerikaner mit einem radikalen Umbau des Antriebskonzepts: Statt vorn im endlos langen Bug steckt der Motor jetzt direkt hinter den Sitzen. Das verändert die Balance des Autos und mit ihr den Schwerpunkt, es entlastet die Lenkung und erhöht die Traktion der angetriebenen Hinterräder. Zudem verbessert es die Sicht, weil jetzt kein Motor mehr den Blick auf die Straße versperrt. Dafür sieht man nach hinten weniger, was die Amerikaner mit einem von Kameras unterstützten, digitalen Rückspiegel kompensieren.

Man muss weder Rennfahrer sein, noch Physiker, um diesen Unterschied zu spüren: Mit dem Schwerpunkt ziemlich genau da, wo auch beim Fahrer alle Nerven zusammenlaufen, mit einer sehr viel direkteren Lenkung, mit einer neuen Doppelkupplungsautomatik und mit so viel Schub wie ein Kampfjet fliegt die Corvette regelrecht durch die Kurven. Während beim Vorgänger einen der Versuch, den Scheitelpunkt zu treffen, noch ins Schwitzen brachte, steht man bei der C8 schnell wieder auf dem Gas und jagt über die nächste Gerade.

Klassische Antriebstechnik in Höchstform

Zwar haben die Amerikaner den Aufbau umgekehrt. Aber zumindest beim Antrieb zeigen sie sich weniger innovationsfreudig: Denn sie setzen nach wie vor auf einen V8-Motor, an dem sowohl der Downsizing- als auch der Turbo-Trend vorbeigehen. 6,2 Liter groß und ein klassischer Sauger, holt er seine Leistung über die Drehzahl und schraubt sich deshalb mindestens genauso hoch wie der Puls des Fahrers. Und genauso erregend ist auch das Gefühl beim Kickdown: 364 kW/495 PS und 637 Nm stehen in den Büchern. Und mit knapp drei Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h und maximal 312 km/h ist die jüngste auch die schnellste Corvette aller Zeiten. Zumindest diesseits der nachgeschärften Versionen Z06 und ZR1, die erst später wieder zur Familie stoßen werden. Allerdings wird man kaum auf die offiziellen Messwerte warten müssen, um dem Achtzylinder einen gehörigen Durst und deutlich zweistellige Verbrauchswerte zuzuschreiben.

Der Cruiser unter den Supersportwagen

Während Chevrolet beim Konstruktionsprinzip jetzt mit dem Mainstream geht, bestehen die Amerikaner in Sachen Komfort auf ihren eigenen Stil. Weil die Corvette anders als etwa der Ferrari zumindest in ihrer Heimat oft als "Daily Driver" genutzt wird, ist sie mit Abstand der alltagstauglichste Supersportwagen. Das gilt für Federn und Dämpfer im entspannten Tour-Modus genauso wie für das Geräuschniveau im neuerdings nobler ausgeschlagenen Innenraum. Auch die solide Online-Navigation, die vielen Assistenzsysteme und die großzügigen Platzverhältnisse dürften sich bei Nutzfahrten auszahlen. Nicht umsonst fassen die beiden Kofferräume im Bug und im Heck fast so viel wie beim VW Golf. Und noch eine Eigenheit haben die Amerikaner beibehalten. Alle Corvettes sind im Grunde Cabrios. Denn aus dem Dach lässt sich ein großes Stück herausnehmen und im Kofferraum verstauen. Wer nach noch mehr Frischluft giert, der muss sich etwas gedulden. Denn bald gibt es die Corvette auch wieder als echtes Cabrio - und zwar zum ersten Mal mit einem versenkbaren Hardtop.

Fazit: Die C8 bedeutet Aufstieg und Abschied zugleich

Mit ihrem neuen Mittelmotor-Layout markiert die achte Generation der Corvette Aufstieg und Abschied zugleich. Denn sie ist zwar näher an der Ferrari-Klasse als je zuvor. Doch trotz des hohen Maßes an Alltagstauglichkeit und des großen Preisvorteils entfernt sie sich weiter denn je von ihren Wurzeln. Wer einen Supersportwagen zum Schnäppchentarif will, der wird die neue Corvette lieben. Aber wer eine authentische, amerikanische Alternative zu den Europäern sucht, der wird die alte Corvette vermissen.

Datenblatt: Chevrolet Corvette C8 Stingray

Motor und Antrieb V8-Benziner
Hubraum: 6200 ccm
Max. Leistung: 364 kW/495 PS bei 6450 U/min
Max. Drehmoment: 637 Nm bei 5150 U/min
Antrieb: Heckantrieb
Getriebe: Achtgang-Doppelkuuplung
Maße und Gewichte
Länge: 4630 mm
Breite: 1934 mm
Höhe: 1234 mm
Radstand: 2722 mm
Leergewicht: 1530 kg
Zuladung: k.A.
Kofferraumvolumen: 360 Liter
Fahrdaten:
Höchstgeschwindigkeit: 312 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h: ca. 3,0 s
Durchschnittsverbrauch: k.A.
CO2-Emission: k.A.
Kraftstoff: Super
Schadstoffklasse: k.A.
Energieeffizienzklasse: k.A.
Kosten:
Basispreis der Chevrolet Corvette C8 Stingray: ca 100.000 Euro
Typklassen: k.A.
Kfz-Steuer: k.A.
Wichtige Serienausstattung:
Sicherheit: Vier Airbags, LED-Scheinwerfer, Abstands-Regeltempomat
Komfort: Klimaautomatik, Navigation, digitale Instrumente
Spritspartechnik: Zylinder-Abschaltung

Alle Daten laut Hersteller, GDV, Schwacke