Berlin. City- und Trekkingräder zählen zu den meistverkauften Fahrrädern. Das Kettler Traveller 3.0 versucht beides zu sein und beansprucht Allrounder-Qualitäten für sich. Sein Name indes leitet in die Irre.

Fahrradtypen gibt es viele: Rennrad, Mountainbike, Lastenrad oder Reiserad zum Beispiel. Im Windschatten der Vielfalt fahren zugleich zwei Bike-Typen, die gemessen an den Verkaufszahlen seit Jahren die beliebtesten sind: das Cityrad und das Trekkingrad.

Das Cityrad soll auf alltäglichen Wege bequem und verkehrssicher sein. Als sogenannter Tiefeinsteiger ermöglicht es schellen Auf- und Abstieg, seine Nabenschaltung ist wartungsarm. Das Trekkingrad erweitert hingegen den Aktionsradius von Stadt in Richtung Land, es soll vielseitiger, sportlicher und tourentauglicher sein.

Manchmal aber verwischen auch die Gattungsgrenzen - wie beim Modell Traveller 3.0 vom Alu-Rad-Hersteller Kettler. Wie ist man unterwegs mit einem solchen Trekkingbike? Ein Fahrbericht.

Der Einsatzzweck

Eigentlich müsste man von Einsatzzwecken im Plural sprechen, denn das Traveller 3.0 ist als Multitalent konzipiert. Laut Hersteller eignet es sich für Fahrten zum Beispiel in hügeligen Städten ebenso wie für Touren. Damit spreche es auch Berufspendler an, die am Stadtrand wohnen: "Ein Rad für Vielfahrer", sagt Firmensprecher Ole Honkomp.

Ob Asphalt oder Schotterweg: Das Alu-Rad komme komfortabel durch. Allerdings ist die Produktbezeichnung Traveller irreführend. Denn ein Reiserad ist das Bike nicht. Die Gepäckmitnahme ist begrenzt, ausgewiesene Reiseräder besitzen typischerweise Aufnahmen für Taschen auch am Vorbau sowie einen Stahlrahmen - beides bietet es nicht.

Die Technik

Um den Radius eines Cityrades zu erweitern, hat Kettler eine Kettenschaltung montiert. Stadträder werden meist mit Sieben- oder Achtgang-Getriebenaben ausgestattet. Doch das Traveller bietet mit einer Dreifach-Kettenschaltung mit 30 Gängen nicht nur eine größere Übersetzungsbandbreite, sondern auch eine feinere Abstufung.

Damit lassen sich Anstiege besser meistern - sei es in hügeligen Städten wie Stuttgart oder auf Radwegen durch deutsche Mittelgebirge. Ihren ursprünglichen Einsatzbereich habe die Deore-Schaltung von Shimano bei Mountainbikes gehabt, sagt Honkomp, "von dort kommt sie".

Dass das Alu-Rad auf höhere Belastbarkeit ausgelegt ist, zeigt auch die tragende Konstruktion. Von der günstigeren Version Traveller 2.0 unterscheidet sich das 3.0 durch zwei Kniffe beim Rahmenbau. So wird das Unterrohr mittels Hydroforming gefertigt, einem Verfahren, das eine erhöhte Steifigkeit ermöglichen soll. Das Steuerrohr führt die Gabel und zählt zu den am meisten belasteten Stellen eines Fahrrads - am Traveller 3.0 wurde es verstärkt und vergrößert, um eine "tapered"-Gabel aufnehmen zu können, deren Schaftumfang im unteren Bereich größer ist. Auch das wurde zuvor bei Mountainbikes umgesetzt.

Der Fahreindruck

Auf einigen hundert Kilometern mit dem Traveller 3.0 löste sich kein Teil, einen Platten gab es trotz mancher Flaschensplitter auf dem Weg ebenfalls nicht, kaputt ging fast nichts. Nur der zweigeteilte Kettenschutz verlor eine Schraube und löste sich - eine Lappalie.

Ansonsten hat man schon auf der ersten Fahrt das Gefühl, auf einem robusten Rad zu sitzen. Das Fahrverhalten ist dank recht langem Radstand und den großen 28-Zoll-Rädern spurtreu und ruhig, das Rad tritt sich leise, einzig beim Bedienen der präzisen Deore-Schaltung lässt der Kettenantrieb dezente Betriebsgeräusche vernehmen.

Auch auf einem wurzeligen Pfad klapperte kein Bauteil am Rad, doch der Abstecher zeigte dem Modell seine Terraingrenzen auf. Die Federgabel steigert aber schon beim Überfahren von Schwellen und flachen Bordsteinen den Komfort - das ist sinnvoll bei einem Fahrrad aus steifem Aluminium, das gegenüber Stahl weniger dämpfend wirkt. Der Federweg liegt bei 63 Millimetern. Das reicht für Pendlerstrecken und marode Radwege, für ein Mountainbike wäre es zu wenig.

Verglichen mit einem reinen Cityrad sitzt man weniger aufrecht, der Oberkörper ist leicht nach vorn gebeugt, die Haltung ist sportlicher. Dank winkelverstellbarem Vorbau lässt sich der Lenker jedoch in der Höhe und auch der Nähe zum Oberkörper verstellen. Mit senkrechtem Rücken ist man aber nie unterwegs, kein Hollandrad-Feeling kaum auf.

Das Testrad mit straßentauglicher Vollausstattung bringt mit mehr als 16 Kilogramm für einen Alu-Rad-Spezialisten als Hersteller recht viel auf die Waage, vergleichbare Räder gibt es auch zwei Kilo leichter. Je nach Rahmengröße und -beschaffenheit wiegt das Modell sogar bis zu 17,5 Kilo. Das Traveller wird in Rahmenhöhen von 45, 50 und 55 Zentimeter und neben dem Tiefeinsteiger auch mit sogenanntem Diamant- und Trapezrahmen gebaut. Im Alltag, in dem mit bepackten Taschen samt Einkäufen ohnehin oft etliche Zusatzkilos an Bord sind, fällt das jedoch buchstäblich weniger ins Gewicht: Das zulässige Gesamtgewicht für das Rad mit Sack und Pack und Fahrer liegt bei 135 Kilogramm.

Ausstattung, Zubehör, Peripherie

Im Wortsinne ein tragendes Teil ist der robuste, auf bis zu 25 Kilo ausgelegte Gepäckträger, der während des Tests etwas Flugrost ansetzte. Mit starkem Klemmbügel ausgestattet, kann manche Ladung auch ohne Spanngurte sicher an Bord mitfahren; als I-Rack-Systemgepäckträger ausgelegt lassen sich kompatible Taschen, Körbe und Boxen problemlos anbringen. Vor allem mit gängigen Fahrradtaschen hat man einen veritablen Kofferraum parat.

Vor allem, wenn die Fuhre bepackt unterwegs ist, spielen die Zwei-Kolben-Scheibenbremsen ihre Vorzüge aus. Es bedarf nur wenig Kraft in den Fingern, um für adäquate Verzögerung zu sorgen, auch wenn das zulässige Gewicht ausgeschöpft ist. Im Alltag stört es allenfalls, dass der weit hinten verschraubte Fahrradständer mit dem Fuß schlecht zu erreichen ist, wenn Taschen eingehängt sind.

Auf Konnektivität, etwa App-gestützte Funktionen wie GPS-Ortung, verzichtet das durchweg analoge Rad. Dafür ist es, anders als manches vernetzte Smart Bike, im Sinne der Straßenverkehrszulassungsordnung verkehrssicher ausgestattet: mit Beleuchtung, den vorgeschriebenen Reflektoren und allem, was dazu gehört - samt Schutzblechen.

Nur wer fein hinspürt, bemerkt, dass der Nabendynamo das Vorderrad leicht einbremst. Doch die Vorzüge einer allzeit einsatzbereiten Beleuchtung überwiegen wohl am Alltagsrad, mit dem man weniger auf Rundenzeiten abzielt, aber auch mal im Dunkeln nach Hause pendelt.

Der Preis

Das Traveller 3.0 kostet 1049 Euro und damit 250 Euro mehr als das Modell 2.0, bei dem der Hersteller an Ausstattung spart. Ein I-Rack II-Einkaufskorb kostet 30 Euro extra.

Das Fazit

Das gut verarbeitete Alu-Rad fährt sich wie aus einem Guss. Dank Kettenschaltung, Federgabel und Systemgepäckträger erobert es mit seinen ausgeprägten Trekking-Genen auch Terrain außerhalb der Stadt, was es zu einem Reiserad light qualifiziert. Für längere Touren würde man allerdings lieber zu einem richtigen Reiserad greifen. Und Abstriche gibt es für das unerwartet hohe Gewicht.

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