Berlin. Die Sieben-Tage-Inzidenz steigt rasant, die Impfquote stagniert. Die Zahlen zeigen: Eine Altersgruppe wird besonders schwer getroffen.

Noch bis Mitte Oktober schien die Lage in Deutschland einigermaßen stabil. Die Zahl der täglichen Corona-Neuinfektion war wenig dynamisch, die Sieben-Tage-Inzidenz lag über Wochen zwischen 60 und 70. Doch von solchen Werten ist man jetzt weit entfernt. Das Robert-Koch-Institut (RKI) dokumentierte am Freitag 24.668 Neuinfektionen. Die Inzidenz ist auf 139,2 (Stand: 29. Oktober) hochgeschnellt. Eine Trendwende ist nicht absehbar. „Die diesjährigen Fallzahlen sind deutlich höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres“, schreibt das RKI in seinem Wochenbericht. Herbst und Winter drohen also ungemütlich zu werden.

Welche Altersgruppe ist besonders vom Virus betroffen?

Dramatisch ist das aktuelle Infektionsgeschehen bei den Jugendlichen. Am höchsten ist die Sieben-Tage-Inzidenz unter den 10- bis 14-Jährigen. Sie liegt bei 237. Das geht aus dem RKI-Wochenbericht hervor. In der Altersgruppe 15 bis 19 beträgt die Inzidenz 174. Und erst 41 Prozent der 12- bis 17-Jährigen sind vollständig geimpft.

Das Virus trifft also auf eine mehrheitlich ungeimpfte Bevölkerungsgruppe und hat es besonders leicht, sich zu verbreiten. Ganz zu schweigen von der Altersklasse, für die noch kein Impfstoff zugelassen ist. Das betrifft alle Kinder unter zwölf Jahren. Auch hier ist die Inzidenz auffällig hoch: Bei den Fünf- bis Neunjährigen beträgt sie 194.

Für wen kommt die Booster-Impfung infrage?

„Wir haben genug Impfstoff, um alle, die wollen, auffrischzuimpfen“, machte der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag im rbb-Inforadio deutlich. Seit zwei Wochen können sich bestimmte Bevölkerungsgruppen zum dritten Mal gegen das Coronavirus impfen lassen. Voraussetzung: Die Zweitimpfung liegt mindestens sechs Monate zurück. Die Äußerung bracht dem Minister Kritik ein. Sein Ministerium stellte allerdings am Wochenende klar, dass jede Bürgerin und jeder Bürger Anspruch auf eine Booster-Impfung hat und verwies auf eine lange Liste auf seiner Homepage.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt hingegen die Auffrischungsimpfung für alle ab 70 Jahren. Auch können sich Bewohner und Personal von Alten- und Pflegeheimen unabhängig vom Alter eine dritte Impfung geben lassen. Gleiches gilt für Mitarbeiter in medizinischen Einrichtungen, die engen Kontakt mit Patientinnen und Patienten haben. Personen, die eine einmalige Impfung mit Johnson & Johnson erhalten haben, empfiehlt die Stiko eine Booster-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff ab vier Wochen nach der Grundimmunisierung.

Bisher haben laut RKI fast 1,7 Millionen Menschen eine Auffrischungsimpfung erhalten. Booster „können einen entscheidenden Beitrag in der Pandemiebewältigung leisten“, sagte die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Schmidtke, am Freitag.

Und wie sieht es in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen aus?

Die steigenden Infektionszahlen wirken sich auch verstärkt auf Altenpflegeheime aus. Dort treten zunehmend Corona-Ausbrüche auf. Auch wenn deren Anzahl durch Impfungen zurückgegangen ist. In der vergangenen Woche wurden 122 aktive Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen gemeldet (Vorwoche: 78).

Und in den Krankenhäusern? Die Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz lag am Freitag bei 3,5. Vor einer Woche wurde der Wert noch mit 2,68 angegeben. Auf den Intensivstationen liegen derzeit 1768 Corona-Infizierte. Und viele Erkrankte würden wesentlich länger in den Kliniken behandelt als zuvor, berichten Intensivmediziner und Ärztinnen.

Impfkampagne stockt: EU-Partner zeigen, wie es besser geht

Sorgen bereitet Politikern und Expertinnen zudem die stockende Impfkampagne: In Deutschland sind 66,6 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Zu wenig, um die Infektionszahlen bei dem aktuellen Anstieg runterzudrücken. Dabei lohnt der Blick nach Spanien. Dort beträgt nach erfolgreicher Kampagne die Impfquote fast 80 Prozent, die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei etwas unter 30.

Ähnlich sieht es in Portugal aus. Und auch Italien macht vor, wie ein Land niedrige Infektionszahlen erreichen kann. Dort gilt die 3G-Regelung sogar am Arbeitsplatz. 71,2 Prozent der Italiener sind zweifach geimpft. Die Inzidenz liegt bei 45,6. Zahlen, von denen Deutschland nur träumen kann.