Berlin. Virologe Christian Drosten warnt vor einer Corona-Infektion durch Aerosole in der Luft. Sie seien gefährlicher als Schmierinfektionen.

Eine Restauranteröffnung in Ostfriesland, ein Gemeindetreffen in Frankfurt, dazu zahlreiche Ausbrüche in Pflegeheimen, Sammelunterkünften und Schlachthöfen: verschiedene Orte, aber immer dasselbe Muster. Dutzende Menschen versammeln sich bei geschlossenen Türen auf engstem Raum – und bieten dem Coronavirus leichtes Spiel.

Im Moment sind das regionale Einzelfälle. Doch Virologen wie Christian Drosten von der Berliner Charité warnen davor, diese Fälle zu unterschätzen, weil sie auf ein größeres Problem hinwiesen: die Übertragung des Virus durch winzige Schwebeteilchen, so genannte Aerosole, die sich sehr lange in der Raumluft halten können. Drosten fordert deswegen bereits, die Corona-Maßnahmen an die Aerosol-Übertragung anzupassen.

Coronavirus: Aerosole sind so wichtig für die Übertragung wie Tröpfchen

Die übliche Tröpfchenübertragung beim Sprechen, Singen, Husten oder Niesen spiele weiterhin für die Virusübertragung eine wichtige Rolle. Die Messdaten zeigten aber, „dass ungefähr genauso viel von sich gegeben wird im kleintropfigen Aerosol wie im großtropfigen Tröpfchennebel“, sagte Drosten am Montag im Deutschlandfunk.

Neben den Abstandsregeln sei es deshalb ratsam, auch die Bekämpfung der Aerosolübertragung in die Richtlinien der Länder aufzunehmen. Das sei nach jetzigem Stand des Wissens wichtiger als die Vermeidung von Schmierinfektionen. „Im Alltag sollte man sich eher aufs Lüften konzentrieren und weniger auf das ständige Wischen und Desinfizieren.“

Die Zahl der Neuinfektionen geht bundesweit zurück

Die Warnung kommt zu einem kritischen Zeitpunkt: Bundesweit geht die Zahl der täglichen Neuinfektionen weiterhin langsam zurück, auch die R-Werte blieben zuletzt unter der kritischen Marke von 1,0. Im jüngsten Lagebericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom Montag lagen der auf einem 4-Tages-Mittel basierende R-Wert bei 0,83 und der auf einem 7-Tages-Mittel beruhende stabilere R-Wert bei 0,84. Bleibt es bei der guten Entwicklung? Oder werden aus einzelnen Infektionsherden wieder Flächenbrände?

Zu Beginn der Pandemie waren es die Ski-Bars in Ischgl, die Karnevalsfeiern im Kreis Heinsberg, die Clubs in Berlin und die Starkbierfeste in Bayern. Hunderte Menschen steckten sich an einem einzigen Ort an – und verbreiteten das Virus explosionsartig. Heute ist klar: Die Kombination aus körperlicher Nähe, lautstarkem Sprechen und alkoholisierten Gästen ist ein Biotop für das Virus.

Ein Abend im Restaurant: 133 Quarantäne-Fälle

Das zeigt sich offenbar jetzt auch beim Corona-Ausbruch im Zusammenhang mit einem Restaurantbesuch im ostfriesischen Landkreis Leer: Infolge des Abends in geschlossener Gesellschaft in dem Lokal in Moormerland befanden sich am Montag insgesamt 133 Menschen in Quarantäne, auch etliche Mitarbeiter der Papenburger Meyer-Werft sind betroffen.

Die Untersuchungen zu dem Fall und möglichen Verstößen gegen Corona-Auflagen laufen noch. Mindestens 18 Personen wurden bereits positiv auf das Coronavirus getestet.

Hinweisschilder stehen vor dem Restaurant “Alte Scheune
Hinweisschilder stehen vor dem Restaurant “Alte Scheune". Nach dem Besuch des Lokals im Landkreis Leer sind mehrere Menschen positiv auf das Coronavirus getestet worden. © dpa | Lars-Josef Klemmer

Wieder gibt es zahlreiche Neuinfektionen in einem Schlachthof

Nach dem Corona-Ausbruch in einer Baptistengemeinde in Frankfurt, bei dem sich vor zwei Wochen mindestens 107 Menschen infiziert hatten, räumte die Gemeinde am Montag Versäumnisse ein: „Im Nachhinein betrachtet wäre es für uns angebracht, beim Gottesdienst Mund-Nasen-Schutz-Bedeckungen zu tragen und auf den gemeinsamen Gesang zu verzichten“, hieß es auf der Homepage.

Erneut ist es zudem in der Fleischindustrie zu einem Corona-Ausbruch gekommen: In einem niederländischen Schlachthof nahe der Grenze zu Nordrhein-Westfalen wurden 147 Mitarbeiter positiv auf das Virus getestet, davon wohnen 79 in Deutschland.

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