Martin Debes über den Rücktritt des Thüringer Regierungschefs.

Der Mann, der formal immer noch Ministerpräsident von Thüringen ist, hat die einzige richtige Entscheidung getroffen. Egal, ob er sie nun traf, weil der Druck auf ihn zu groß wurde oder weil in ihm über Nacht so etwas wie Einsicht reifte: Thomas Kemmerich will seinen fatalen Fehler korrigieren, mit dem er das Land ins politische Chaos gestürzt hat. Immerhin.

Dennoch dürfte das Chaos noch eine Weile andauern. Neuwahlen auf die Art und Weise, wie Kemmerich es sich vorstellt, wird es kaum geben können. Der Ministerpräsident muss schon die Vertrauensfrage im Landtag stellen – womit Bodo Ramelow oder ein anderer Kandidat die Chance hätte, sein, das klingt jetzt komisch: Nachfolger zu werden. Oder es gibt ein konstruktives Misstrauensvotum, an dem sich die FDP beteiligt.

So oder so hat Kemmerich bleibenden Schaden angerichtet. Es mag ja sein, dass es bei der Abstimmung am Mittwoch tatsächlich keine konkreten Absprachen mit der AfD gab, wie es CDU und FDP ständig versichern. Belege für eine Konspiration gibt es bislang jedenfalls nicht. Doch dass beide Parteien überhaupt das Risiko billigend in Kauf nahmen, einen Ministerpräsidenten zusammen mit der extremen Rechten zu wählen, war ein gefährlicher Tabubruch.

Wenn es zwei Erkenntnisse aus diesem verrückten Schlamassel gibt, dann diese. Erstens: Es ist nichts mehr selbstverständlich, nicht die Demokratie, nicht der politische Anstand und nicht der Kampf gegen den Rechtsextremismus. Und zweitens: Die Reflexe der Zivilgesellschaft und der Politik funktionieren. Oder genauer: Sie funktionieren noch.

Es gilt zu lernen, für alle Beteiligten. Die AfD ist Teil der Parlamente, mit allen Rechten. So lange sie nicht für verfassungsfeindlich erklärt ist, so lange ist sie inhaltlich zu stellen, auf demokratische Weise. Zusammenarbeit, auch indirekte, muss aber ausgeschlossen bleiben.

Die Bedrohung der offenen Gesellschaft ist real. Und sie wird größer, wenn nicht alle, die diese Gesellschaft bewahren wollen, ihre Feinde abwehren. Gemeinsam.