Axel Eger über einen Sport, der noch stattfindet.

Ausgerechnet jener Sport, der immer wieder um die Daseinsberechtigung als solcher kämpfen muss, hält die Sportwelt am Laufen – Schach. In Jekaterinburg kämpfen acht Top-Großmeister beim Kandidatenturnier um Recht und Ehre, Weltmeister Carlsen herausfordern zu dürfen.

Bei Berufskritikern löst das die üblichen Reflexe aus. Russland, Corona und Schach verbinden sich zu einem geradezu explosiven Gemisch. Da wird das königliche Spiel schon mal Kontaktsport genannt, als fielen die Protagonisten am Ural schweißgebadet über sich her – nur weil sie gelegentlich das Holzklötzchen des Gegenübers vom Brett stellen. Da werden ausbleibende Zuschauer (sind aus Gründen nicht zugelassen) und fehlende Medien (dürfen nur die ersten fünf Minuten rein) als Indizien der Katastrophe gedeutet.

Nur: Schon beim Grand Prix im November in Hamburg in seligsten Vor-Corona-Zeiten waren bestenfalls zwei Dutzend Fans im Spiellokal in der Speicherstadt vor Ort. Medienvertreter gar ließen sich an einer Hand abzählen. Beim Schach saß das Publikum nämlich schon zu Hause, als das Homeoffice noch nicht Eingang in die deutsche Alltagskultur gefunden hatte. Kein Sport ist virtueller, keiner internettauglicher. Leuten beim Denken zugucken lässt sich am besten von der Couch aus – am heimischen PC.

Natürlich, das Risiko, dass das Turnier nicht zu Ende gespielt werden kann, bleibt. Und damit die Frage, ob es gerade vielleicht doch Wichtigeres gibt, als ein paar Schachfiguren zu bewegen.

Man kann die Geistesakrobatik der acht Versprengten aber auch als Anregung verstehen: Kopf und Verstand sind das, was uns immer bleibt. Und wenn der Chinese Ding Liren nach zwei vernichtenden Niederlagen ausgerechnet gegen den Topfavoriten Fabiano Caruana zurückschlägt, wirkt das in diesen Zeiten wie ein Zeichen. Selbst wenn es manchmal so aussieht – verloren ist noch lange nichts.