Martin Debes über doppelte Moral in Opposition und Regierung.

Den Linken lässt sich so einiges in Thüringen vorwerfen. Aber die Sache mit dem Regieren und der Macht haben sie schnell gelernt – und dies in jeder Hinsicht.

Rückblende: Im Jahr 2013 wurde der thüringische Staatssekretär Peter Zimmermann von der damaligen CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Obwohl er eine lukrative Anschlussbeschäftigung in der Wirtschaft in Aussicht hatte, sollte er eine Pension erhalten.

Die Opposition war empört. Der Linke-Fraktionschef, er hieß Bodo Ramelow, warf der Landesregierung vor, Thüringen zu schaden. Die Grünen zeigten Lieberknecht sogar wegen Untreue an.

Zwar stellte die Staatsanwaltschaft später ihre Ermittlungen wieder ein. Zudem wurde Zimmermann entlassen und gesetzlich dafür gesorgt, dass das Einkommen aus einer privaten Tätigkeit komplett mit einem Ruhegehalt verrechnet wird. Aber am Ende kosteten die politischen Folgen die Union die Regierungsmacht.

Die Personalie der Ex-Staatssekretärin Gabi Ohler, die am Dienstag vom rot-rot-grünen Kabinett zur Gleichstellungsbeauftragten berufen wurde, unterscheidet sich in einigen Details vom Fall Zimmermann. Aber es gibt eine zentrale Parallele: Die Linke wurde im März in den einstweiligen Ruhestand geschickt, obwohl ihr der neue Job schon gewiss war – und dies sogar im öffentlichen Dienst.

Die Gesetze lassen dies zu, formal betrachtet. Solange ein politischer Beamter nicht ausdrücklich auf eigenen Wunsch geht, kann er ohne Angabe von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden, egal, wie alt er ist, und egal, was danach kommen mag.

Politisch wirkt der Vorgang aber ebenso geschmack- und instinktlos wie die Affäre im Jahr 2013. Nicht nur bei Ohler praktiziert die Linke das, was sie der Union ein Vierteljahrhundert lang mit moralischer gefestigter Inbrunst vorwarf: Sie nutzt ihre Regierungsmacht, um die eigenen Leute zu versorgen. Und die CDU, das ist die umgekehrte Ironie, darf das jetzt skandalisieren.