Den Haag. Zum Weihnachtsshopping oder an Silvester nach Amsterdam? Fällt aus. Nach Deutschland gehen die Niederlande in einen langen Lockdown.

Mark Rutte ist ein Ministerpräsident, der selten auf den Tisch haut. Der Liberale, der seit zehn Jahren die Niederlanderegiert, gilt als umsichtiger und zurückhaltender Politiker. Als im Mai seine Mutter in einem Pflegeheim in Den Haag starb, hielt sich Rutte an die strengen Corona-Regeln und besuchte sie in den letzten Tagen vor ihrem Tod nicht mehr.

Nun musste der Regierungschef vor dem Hintergrund dramatisch steigender Infektionszahlen den härtesten Lockdown für die Niederlande seit Ausbruch der Pandemie verkünden. „Die Niederlande werden für fünf Wochen abgeriegelt“, sagte Rutte in einer Fernsehansprache. Es war erst das zweite Mal seit März, dass er sich direkt an die Niederländer wandte.

Lockdown: Die Niederlande machen für fünf Wochen dicht

Erstmals werden fast alle Einzelhandelsgeschäfte geschlossen. Der Lockdown bis 19. Januar ist auch eine Reaktion auf die Entscheidung Deutschlands, von diesem Mittwoch an das öffentliche Leben herunterzufahren.

Viele niederländische Kommunen fürchteten, dass Deutsche dann zu Weihnachtseinkäufen oder für die beliebten Silvester-Trips nach Amsterdam über die Grenze fahren könnten. Die Niederlande teilen mit Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen eine fast 600 Kilometer lange Grenze.

Weihnachten, Schulen, Sport: Diese Regeln gelten in den Niederlanden

Seit Montagnacht geht im Nachbarland so gut wie nichts mehr. Kinos, Theater, Museen, Friseure, Fitnessstudios und Schwimmbäder sind geschlossen. Am Mittwoch sind Schulen und Kitas dran. Supermärkte, Bäcker, Apotheken, Drogerien und Optiker bleiben offen, ebenso Hotels, Büchereien und Banken.

Bürger dürfen sich außerhalb der eigenen Wohnung nur noch zu zweit treffen. Zu Weihnachten darf man drei Gäste einladen, Kinder bis zwölf Jahre zählen nicht dazu. Sport ist nur noch im Freien und mit einer anderen Person erlaubt. Kinder und Jugendliche dürfen aber noch in größeren Gruppen Sport machen. Rutte appellierte an die Wirtschaft, nach Möglichkeit alle Mitarbeiter ins Home-Office zu schicken.

Mark Rutte, Ministerpräsident der Niederlande, bei seiner Ankunft für einen EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs im Gebäude des Europäischen Rates.
Mark Rutte, Ministerpräsident der Niederlande, bei seiner Ankunft für einen EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs im Gebäude des Europäischen Rates. © dpa | YVES HERMAN

Quarantäne: Strenge Maßnahmen bei Reisen in die Niederlande

Der Ministerpräsident ermahnte seine Landsleute, bis Mitte März nicht ins Ausland zu reisen. Für Deutsche und Niederländer gelten jeweils Reisewarnungen. Wer dennoch in die Niederlande zum Beispiel in ein Ferienhaus fährt, muss sich dort für zehn Tage in häusliche Quarantäne begeben. Für Berufspendler gelten Ausnahmen.

Der Ministerpräsident betonte, dass es „gerade vor Weihnachten“ eine äußerst harte Botschaft sei. „Aber wir haben keine Wahl.“ Seit Mitte November steigt die Zahl der Neuinfektionen stark an, auf täglich bis zu 10.000 Fälle. Das ist nur ein Drittel der aktuellen Zahlen in Deutschland – die Bundesrepublik hat aber mehr als fünfmal so viele Einwohner wie die Niederlande mit ihren 17 Millionen Einwohnern.

Corona-Maßnahmen nicht streng befolgt: War harter Lockdown abzusehen?

Seit etwa Mitte Oktober galt in den Niederlanden ein Teil-Lockdown. Privatkontakte wurden eingeschränkt und Gaststätten geschlossen. Das führte aber wie in Deutschland nicht zu einem dauerhaften Rückgang der Infektionen.

In der Bevölkerung gibt es seit langem Unmut über die Regeln, die im Alltag eher lasch befolgt wurden. Die linksliberale niederländische Zeitung „de Volkskrant“ glaubt deshalb, dass die widerspenstigen Niederländer selbst schuld seien: „Wir haben uns den Lockdown selbst eingebrockt, indem wir massenweise den Verlockungen von Black Friday und anderen Shopping-Festen nachgegeben haben.“ (tb/dpa)