Berlin. Alexej Nawalny hat sich bei Instagram zum zweiten Mal aus der Charité gemeldet. Er schildert seinen Leidensweg – und bedankt sich.

Alexej Nawalny hat sich zum zweiten Mal seit seiner Vergiftung bei Instagram zu Wort gemeldet. Am Samstag postete der Putin-Kritiker, der seit dem 22. August in der Berliner Charité behandelt wird, ein Bild von sich, wie er auf einer Treppe steht, gekleidet mit Jogginghose und T-Shirt, mit blauen Handschuhen, eine Hand vorsichtig am Geländer. Mit zitternden Beinen, wie er schreibt – aber auch mit vorsichtigem Optimismus. Sie haben mich von einem „technisch lebendigen Menschen“ zu jemandem gemacht, der alle Chancen hat, wieder eine Hohe Lebensform der Modernen Gesellschaft zu werden“, schrieb er.

Sein Dank gelte daher den „brillanten Ärzten“ der Charité. Er werde zu jemandem, der wieder rasch Instagram nutze und „ohne nachzudenken versteht, wo ein Like hingehört“. Der Post erhielt innerhalb der ersten Stunden nach Veröffentlichung mehrere Hunderttausend Likes.

Allerdings äußert Nawalny auch nachdenkliche Worte. Er gehe von einem längeren Weg bis zu seiner Genesung aus. Es gebe noch viele Probleme zu lösen. Das Telefon fühle sich in der Hand an wie ein Stein. „Und sich selbst Wasser einschenken ist eine richtige Attraktion.“

Nawalny: Habe aus Verzweiflung geschwiegen

Noch vor kurzem aber habe er nicht einmal Menschen erkannt und nicht begriffen, wie das Reden geht. „Das hat mich zur Verzweiflung getrieben, weil ich ja im Grunde schon verstanden habe, was der Doktor will, aber ich wusste nicht, woher ich die Worte nehmen soll.“ Er habe einfach geschwiegen, weil er seine Verzweiflung nicht habe ausdrücken können.

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Am Dienstag hatte sich Nawalny erstmals seit dem mutmaßlichen Anschlag auf ihn mit einem Instagram-Bild gemeldet. Der 44-Jährige ist darauf sichtlich geschwächt in seinem Krankenzimmer in der Charité zu sehen. Er wird von seiner Frau Julia umarmt. Auch seine Tochter Daria und sein Sohn Sachar waren im Moment des Fotos bei ihm.

„Ich kann noch immer fast nichts machen, aber ich habe gestern den ganzen Tag selbstständig geatmet“, heißt es in dem Post. Es sei ein „erstaunlicher Prozess“, erklärte Nawalny.

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Am 20. August war Nawalny auf einem Inlandsflug in Sibirien zusammengebrochen und ins Koma gefallen. Nach Angaben von Speziallaboren wurde er mit einem Nervenkampfstoff der Nowitschok-Gruppe vergiftet. Russland behauptet, in nicht nicht in den Fall verwickelt zu sein, und fordert Beweise für eine Vergiftung.

Nawalny erholt sich von Kampfstoff-Vergiftung

Zu Wochenbeginn teilte die Charité mit, dass Nawalny sein Krankenbett bereits zeitweise verlassen könne. Seine Botschaft auf Instagram löste Jubel bei seinen Mitstreitern aus. Das Foto erhielt innerhalb weniger Minuten Hunderttausende Likes.

In seiner ersten Nachricht zeigte Nawalny, der für seine Recherchen zu Korruption in Russland bekannt ist, Humor: „Ich habe keine Hilfe von außen gebraucht, auch kein Ventil im Hals. Das hat mir sehr gefallen.“ Das Atmen sei ein „erstaunlicher, von vielen unterschätzter Prozess“, meinte er. „Ich empfehle es.“

Nach Angaben seiner Sprecherin will Nawalny nach einer Genesung auch wieder in seine Heimat zurückkehren. „Es wurden noch nie andere Möglichkeiten in Betracht gezogen“, betonte Kira Jarmysch am Dienstag auf Twitter. Es sei seltsam, wenn jemand etwas anderes annehmen würde. Zuvor hatte die „New York Times“ berichtet, dass Nawalny seine Rückkehrpläne den deutschen Behörden mitgeteilt habe.

Politiker wollen Asyl für Nawalny

Ein FDP-Politiker hatte Anfang des Monats dafür plädiert, dem russischen Oppositionellen Asyl in Deutschland zu gewähren. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte Asyl für Nawalny ins Gespräch gebracht. Der Kreml betonte, dass Nawalny als russischer Staatsbürger jederzeit in das Land zurückkehren könne. „Jedem Bürger Russlands steht es frei, aus Russland aus- und auch wieder einzureisen“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Tass zufolge.

„Wenn sich ein Bürger Russlands erholt und sich seine Gesundheit verbessert, dann freuen wir uns natürlich alle darüber.“ Der Fall hatte auch massive Spannungen zwischen Russland und Deutschland ausgelöst.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von einem „versuchten Giftmord“ und verlangte Aufklärung von Moskau. Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell forderte Russland erneut auf, bei der Untersuchung des Falls vollständig mit der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen OPCW zu kooperieren. Es gebe nun unwiderlegbare Beweise, dass ein Nervengift der Nowitschok-Gruppe genutzt worden sei, um Nawalny zu töten, sagte Borrell im Europäischen Parlament.

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Russland wirft Deutschland „unkonstruktives“ Verhalten vor

Die Abgeordneten betonten, dass Nawalny nur einer von vielen Kremlkritikern sei, auf die Anschläge verübt worden seien. Striktere Sanktionen seien notwendig. Moskau wirft Berlin hingegen „unkonstruktives“ Verhalten vor. „Russland war und bleibt absolut offen für eine Zusammenarbeit, um herauszufinden, was passiert ist“, sagte Kremlsprecher Peskow. „Aus irgendeinem Grund haben wir aber von der deutschen Seite keine Antworten dahingehend bekommen.“

Französische und schwedische Spezialisten bekämen Zugang, nur den russischen Experten werde dies verwehrt. Es sei aber noch zu früh, um deswegen Schlüsse über die Beziehungen zu einigen europäischen Staaten zu ziehen, sagte Peskow. Außenminister Sergej Lawrow forderte seinem Ministerium zufolge einmal mehr, Deutschland solle seine Erkenntnisse in dem Fall mit Russland teilen. Das sei wichtig, um die Wahrheit herauszufinden.

Russland reichte bei den deutschen Behörden mittlerweile zwei Rechtshilfegesuche ein. Für das erste gab es bereits grünes Licht von der Senatsverwaltung für Justiz in Berlin. Ein zweites sei nun beim Bundesamt für Justiz in Bonn eingegangen, berichtete der „Spiegel“.

Die russische Polizei will damit erreichen, dass sie an den Ermittlungen in Deutschland beteiligt werde, hieß es früheren Angaben zufolge. Nawalnys Team kritisierte das bereits. Die Polizei in Sibirien hatte bislang lediglich „Vorermittlungen“ eingeleitet.

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(yah/mbr/dpa/ba)