Berlin. Die Bundesregierung kann nun das Raketenabwehrsystem aus Israel kaufen. Es soll für Schutz sorgen - als Reaktion auf den Ukraine-Krieg.

Die USA haben grünes Licht gegeben: Deutschland wird zum Schutz gegen russische Raketen einen hochmodernen „Arrow 3“-Raketenschutzschirm aus israelischer Produktion aufbauen. Damit die Herstellung in Israel vorbereitet werden kann, hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags bereits die ersten 560 Millionen Euro für eine Vorvertrags-Vereinbarung frei gegeben. Geschätzte Gesamtkosten des Hightech-Projekts: knapp vier Milliarden Euro. Wie funktioniert das System, wie gut ist Deutschland geschützt?

Arrow (das englische Wort für Pfeil) ist ein Abwehrsystem, mit dem vor allem hochfliegende Lang- und Mittelstreckenraketen direkt getroffen und durch einen Sprengkopf zerstört werden können, in erster Linie Boden-Boden-Raketen. Die Abwehrraketen haben eine Reichweite von bis zu 2400 Kilometern und fliegen bis zu hundert Kilometer in die Höhe.

Das Besondere: Die sieben Meter lange und etwa drei Millionen Euro teure Rakete kann gestartet werden, sobald ein Frühwarnsystem Alarm gibt, ohne das bereits zwingend ihr Ziel feststeht – „Arrow 3“ manövriert auch nach dem Abschuss, die beiden Antriebsstufen haben jeweils ein schwenkbares Triebwerk.

Die Bundeswehr will das an drei Standorten aufbauen

Die Rakete fliegt mit bis zu neunfacher Schallgeschwindigkeit. Hauptzweck sind direkte Treffer feindlicher Raketen („Hit-to-kill“) möglichst weit entfernt vom eigenen Boden. Verfehlt eine Arrow ihr Ziel knapp, löst ein Näherungszünder einen Splittersprengkopf aus, sodass die vorbeifliegende Feind-Rakete trotzdem zerstört werden kann. Die israelische Armee setzt gleich zwei Arrow-Raketen auf ein Ziel an – wenn die erste trifft, kann die andere noch auf ein anderes Ziel gelenkt werden.

Das System besteht aus einer Radaranlage „Green Pine“ sowie mehreren Abschussrampen, die auf mobilen Lkw-Tiefladern montiert werden können. Innerhalb von 30 Sekunden lassen sich fünf Raketen starten. Die Bundeswehr soll Batterien für drei Standorte in Deutschland erhalten, jeweils auch mit entsprechendem Radarsystem, die zusammen eine „eiserne Kuppel“ über dem Bundesgebiet bilden könnten. Die Radardaten würden vom zentralen Luftraum-Gefechtsstand der Bundeswehr im niederrheinischen Uedem ausgewertet.

Arrow-Abwehrraketen haben eine Reichweite von bis zu 2400 Kilometern und fliegen bis zu hundert Kilometer in die Höhe.
Arrow-Abwehrraketen haben eine Reichweite von bis zu 2400 Kilometern und fliegen bis zu hundert Kilometer in die Höhe. © picture-alliance / dpa | Israel_Aircraft_Industries

Die Bundesregierung plant die Anschaffung als Reaktion auf den Ukraine-Krieg. Es ist eine klare Ansage Russlands Präsident Wladimir Putin. Vor allem mögliche Angriffe aus großer Höhe, sogar aus dem Weltraum gelten in neuen Bedrohungsanalysen als Schwachstelle der Verteidigung. Doch könnten die „Arrow 3“ auch gegen Kurzstreckenraketen und Marschflugkörper schützen, die von der westlichsten russischen Militärbasis in Kaliningrad an der Ostsee abgeschossen werden könnten. Die Bundeswehr geht davon aus, dass die „Arrow 3“ ab 2025 aufgestellt werden können.

Der verbindliche Vertrag mit der israelischen Regierung wird für Ende des Jahres erwartet. Das Vorhaben wird jetzt mit knapp vier Milliarden Euro veranschlagt, doppelt so viel wie noch im vorigen Jahr geschätzt. Der Schutzschirm würde theoretisch auch Länder in Osteuropa abdecken. „Arrow 3“ würde damit Teil des europäischen Luftverteidigungssystems „European Sky Shield“, das Deutschland initiiert hat und federführend mit 14 anderen Nato-Partnern aufbauen will, von Bulgarien und Rumänien bis zu den Niederlanden und Großbritannien.

Arrow-Raketenschutzschirm: Reagans „Krieg der Sterne“-Idee war der Auslöser

Diese Pläne haben allerdings zu ernster Verstimmung zwischen Deutschland und Frankreich geführt. Denn Paris ist nicht Teil des geplanten europäischen Schutzschildes: Frankreich setzt auf das gemeinsam mit Italien entwickelte Raketenabwehrsystem Mamba und hatte gehofft, dass diese Technik von Deutschland und anderen Nato-Staaten angeschafft würde.

„Arrow 3“ wurde in einem Gemeinschaftsprojekt der USA und Israel entwickelt, seit 2017 ist es im Einsatz. Beteiligt ist unter anderem das US-Unternehmen Boeing. Das System geht zurück auf die „Krieg der Sterne“-Idee des US-Präsidenten Ronald Reagan Anfang der 1980er Jahre, der ursprünglich weltraumbasierte Laserwaffen gegen sowjetische Atomraketen entwickeln lassen wollte. Daraus wurde zwar nie etwas, Arrow wurde als Teilprojekt aber weiterverfolgt.

In Israel ist „Arrow 3“ eines von drei Verteidigungssystemen gegen Angriffe aus der Luft: Der bekannte „Iron Dome“ und das System „Davids Sling“ schützen gegen Raketen kürzester bis mittlerer Reichweite. In Deutschland wird „Arrow 3“ nach Angaben der Luftwaffenführung durch die bisherigen Raketen- und Luftabwehrsysteme Patriot und Iris-T ergänzt. Für das vom deutschen Unternehmen Diehl Defence hergestellte Iris-T als Abwehrsystem im Nahbereich, das derzeit seinen erfolgreichen Einsatz in der Ukraine erlebt, gab der Haushaltsausschuss des Bundestags ebenfalls Geld frei: Geplant ist der Kauf von sechs Flugabwehrsystemen Iris-T SLM für insgesamt rund 950 Millionen Euro.

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