Magdeburg. Maximilian Krah soll die AfD mit neuer Stärke ins Europaparlament führen. Warum der Rechtsanwalt in der eigenen Partei umstritten ist.

Das ganze Gesicht von Maximilian Krah ist ein einziges, breites Grinsen. Er steht am Samstagnachmittag in der Halle der Magdeburger Messe. Gerade ist er auf einem Parteitag mit 65,7 Prozent zum Spitzenkandidaten der AfD für die Europawahl im Juni 2024 gewählt worden. Das ist mehr, als er erwarten durfte.

Was ist sein Plan? „Was müssen nach dem Parteitag mit dem Kandidatenteam in Klausur gehen, damit nicht wieder jeder gegen jeden tritt“, sagt er unserer Redaktion. „Das ist ja bei der AfD ein klassisches Problem – aber da sind wir schlauer geworden.“ Auch seinen persönlichen Wahlkampfslogan hat Krah schon: Die EU, sagt er, stehe für Klima, Gendern, Einwanderung und Krieg – und die AfD für Wohlstand, Familie, Volk und Frieden.

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Maximilian Krah führt die AfD in den Europawahlkampf

Wer ist der Mann, der wie ein AfD-Katalog redet und mit seinem gut geschnittenen Anzug, dem blausilbernen Schlipps und dem dezenten Einstecktuch so aussieht, als komme er gerade aus einem Herrenausstatter? Maximilian Krah wurde 1977 in der Lausitz geboren. Sein Vater, ein Ingenieur, arbeitete nach dem Ende der DDR im sächsischen Innenministerium als Referent war Mitglied der CDU.

Auch Krah engagierte sich frühzeitig in der Jungen Union und trat noch als Teenager in die CDU ein. Nach dem Abitur studierte er Rechtswissenschaft, promovierte und gründete gemeinsam mit Kollegen eine Rechtsanwaltskanzlei in Dresden. Dort betreute er, der konservative Katholik, die steuergünstige Verwahrung des Vermögens der Pius-Bruderschaft, einer Priestervereinigung katholischer Traditionalisten. Nebenher gründete er mehrere Familien. Acht Kinder hat er inzwischen.

ParteiAlternative für Deutschland (AfD)
Gründung6. Februar 2013
IdeologieRechtspopulismus, Nationalkonservatismus, EU-Skepsis
VorsitzendeTino Chrupalla und Alice Weidel (Stand: April 2023)
Fraktionsstärke83 Abgeordnete im Bundestag (Stand: April 2023)
Bekannte MitgliederJörg Meuthen (ehemals), Alexander Gauland, Björn Höcke

2016 kam der politische Wechsel, aus Protest gegen die Flüchtlingspolitik, wie er damals sagte. Er trat aus der CDU aus und in die AfD ein – und verteidigte als Anwalt die Männer, die 2016 vor einer Kaufhalle im sächsischen Arnsdorf einen irakischen Flüchtling an einen Baum gefesselt hatten. Weil er den Begriff „Umvolkung“ nutzte und auch sonst gegen Migranten agitierte, gelangte sein Name in das AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes.

Maximilian Krah: Seit 2019 im Europaparlament – Streit mit rechten Kräften

Vor der Europawahl 2019 trat er dann für die EU-Wahlliste der AfD an und wurde auf den sicheren Platz 3 gewählt. In Brüssel und Straßburg fiel er schnell auf – auch deshalb, weil er sich gegen die Mehrheit der Fraktion „Identität und Demokratie“ (ID) stellte, in der sich rechtspopulistische bis -extremistische Parteien zusammengeschlossen haben.

Er führt die AfD als Spitzenkandidat in den Europawahlkampf: Maximilian Krah.
Er führt die AfD als Spitzenkandidat in den Europawahlkampf: Maximilian Krah. © Jens Schlueter/Getty Images

Weil er im französischen Präsidentschaftswahlkampf 2022 nicht Marine Le Pen von der Partnerpartei Rassemblement National, sondern ihren noch extremistischeren Konkurrenten Éric Zemmour unterstützte, suspendierte ihn die Fraktion für ein halbes Jahr. Zuletzt wurde er erneut freigestellt – wegen Vorwürfen, er habe die Vergabe eines PR-Auftrags der Fraktion manipuliert.

Krah sprach von einer „Schmutzkampagne“ gegen ihn. Auch sonst ließ er alles an sich abprallen, ob nun die Kritik an der von chinesischen Konzernen finanzierten Reise oder die Vorwürfe, er beschäftige einen Rechtsextremisten, der wegen Antisemitismus-Verdacht aus dem Rassemblement National ausgeschlossen worden war.

Blitzschnell wechselt Krah von Retrokonservativismus zum harten Extremismus

Im parteiinternen Streit darüber, ob die AfD die Auflösung der EU oder einen Rückbau zur EWG präferieren soll, platziert sich Krah kommod in der Mitte. „Wir wollen die EU umwandeln“, sagt er. „Und diese Umwandlung wird sowohl disruptive als auch evolutionäre Elemente haben.“ Damit hat Krah es irgendwie allen recht gemacht. Gleichwohl bleibt er strategisch fest im inzwischen dominanten völkischen Lager verortet. Dass der thüringische Landeschef Björn Höcke am Samstag ausdrücklich die Spitzenkandidatur Krah billigte, sorgte am Ende wohl für das gute Ergebnis.

Der EU-Abgeordnete ist immer mal wieder Gast bei Götz Kubitschek in Schnellroda im südlichen Sachsen-Anhalt, wo das vom Verfassungsschutz beobachtete rechtsextreme Institut für Staatspolitik sitzt. Zuletzt war er in einem Video zu sehen, in dem er sich zum Pride Month, mit dem sexuelle Vielfalt gefeiert und für die Rechte der LGBTQ-Community eingetreten wird, äußert: 2021 habe die Kabuler US-Botschaft „ganz stolz“ den Pride Month ausgerufen. „Es dauerte keine drei Wochen, bis die Taliban in Kabul eingerückt sind. Ich glaub, dass das die einzig richtige Antwort auf den Pride Month gewesen ist.“

In Kubitscheks Verlag hat Krah auch ein Buch veröffentlicht. „Politik von rechts – ein Manifest“ ist ein Bekenntnis zum Rechtsextremismus im bürgerlichen Gewand. Ansonsten versteht es der EU-Abgeordnete aber, sich geschickt in den Medien zu bewegen. Er wirkt nicht so spröde wie Höcke oder so unbeholfen wie Bundeschef Tino Chrupalla. Vielmehr kann er blitzschnell zwischen charmanten Retrokonservatismus und harter Extremismusrhetorik wechseln. Und niemals weiß der Zuhörer wirklich, war er davon ernst meinen könnte.

Bildergalerie: Die wichtigsten Mitglieder der AfD im Überblick

AfD: Das sind die wichtigsten Politikerinnen und Politiker

Seit 2019 ist Tino Chrupalla Bundesvorsitzender – in seiner Partei Bundessprecher – der AfD.
Seit 2019 ist Tino Chrupalla Bundesvorsitzender – in seiner Partei Bundessprecher – der AfD. © Funke Foto Services | Sascha Fromm
Sie ist eines der wohl bekanntesten Gesichter der AfD: Bundessprecherin Alice Weidel.
Sie ist eines der wohl bekanntesten Gesichter der AfD: Bundessprecherin Alice Weidel. © FUNKE Foto Services | Reto Klar
Alexander Gauland ist heute Ehrenvorsitzender der AfD. Er ist Gründungsmitglied der Partei und war vorher in der CDU aktiv.
Alexander Gauland ist heute Ehrenvorsitzender der AfD. Er ist Gründungsmitglied der Partei und war vorher in der CDU aktiv. © Tobias SCHWARZ/AFP | Unbekannt
Björn Höcke ist Fraktionsvorsitzender der AfD im Landtag von Thüringen. Er gilt als rechtsextrem und wird vom Verfassungsschutz überwacht.
Björn Höcke ist Fraktionsvorsitzender der AfD im Landtag von Thüringen. Er gilt als rechtsextrem und wird vom Verfassungsschutz überwacht. © Thueringer Allgemeine | Sascha Fromm
Genau wie Höcke gilt auch Stephan Brandner, stellvertretender Bundessprecher der AfD, als Teil des völkisch-nationalistischen Flügels seiner Partei.
Genau wie Höcke gilt auch Stephan Brandner, stellvertretender Bundessprecher der AfD, als Teil des völkisch-nationalistischen Flügels seiner Partei. © FUNKE Foto Services | Zoltan Leskovar
Er führt die AfD als Spitzenkandidat in den Europawahlkampf: Maximilian Krah.
Er führt die AfD als Spitzenkandidat in den Europawahlkampf: Maximilian Krah. © Jens Schlueter/Getty Images | Unbekannt
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Krah über AfD: „Die spannendste Rechtspartei in ganz Europa“

In seiner Bewerbungsrede hatte Krah bereits vor Selbstbewusstsein gestrotzt. Viele hätten behauptet, dass sich die AfD anpassen müsse, um erfolgreich zu sein, rief er. Aber das stimme nicht. „Wir sind mittlerweile die spannendste Rechtspartei in ganz Europa!“ Gleichzeitig attackierte er seine Gegner in der Partei. Es sei an der Zeit, „den Dreckwerfern endlich mal die Rote Karte“ zu zeigen, rief er unter donnerndem Applaus in die Messehalle.

Später, als die Glückwünsche entgegengenommen sind und er von unserer Redaktion gefragt wird, ob er fürchte, dass im Wahlkampf neue Verdachtsmomente gegen ihn auftauchen könnte, antwortet er ohne Zögern: „Nein, null.“ Das alles, sagt er, seien „völlig lächerliche Vorwürfe“. Dann wird sein Gesicht wieder ein einziges, breites Grinsen.