Berlin. Industriestrompreis, niedrigere Stromsteuer oder Senkung der Netzentgelte: Wie die Vorschläge funktionieren und was sie kosten sollen.

Billigerer Strom für alle, oder doch nur für die Industrie? Mit Bedingungen oder ohne? Und wie viel darf es kosten? Seit Robert Habeck im Frühjahr vorgeschlagen hat, die Industrie mit verbilligtem Strom zu unterstützen, diskutiert die Bundesregierung. Einigkeit besteht, dass die schwächelnde Wirtschaft Hilfe braucht und Standorte erhalten werden sollen, doch die Details sind umstritten. Welche Vorschläge es gibt und wer davon profitieren würde.

Industriestrompreis: Auch bekannt als Brückenstrompreis. Vorübergehend, so die Idee aus dem Haus von Robert Habeck, bis genügend billiger, erneuerbarer Strom zur Verfügung steht, sollen die Strompreise gedeckelt werden: Energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, sollen bis 2030 für 80 Prozent ihres Verbrauchs nur sieben Cent pro Kilowattstunde zahlen. Damit verknüpft wären nach den Vorstellungen des Wirtschaftsministeriums Pflichten – Tariftreue, eine Standortgarantie und ein Plan für die Transformation. Profitieren könnten rund 2000 Unternehmen.

Das Konzept hat viele Befürworter. Gewerkschaften und Verbände haben sich dafür ausgesprochen, die SPD-Fraktion hat die Idee aufgegriffen und will den Preis sogar auf fünf Cent pro Kilowattstunde senken. Die Ministerpräsidenten der Länder wurden geschlossen in Brüssel vorstellig, um dort für einen Brückenstrompreis zu werben.

Olaf Scholz warnt: Ausbau der Wind- und Solarenergie darf nicht stocken

Im Kanzleramt allerdings ist man nicht überzeugt. Bundeskanzler Olaf Scholz signalisierte am Wochenende erneut seine Ablehnung. Er warnte vor den „ungewollten Folgen“, die ein Industriestrompreis haben könnte. „Es darf nicht dazu führen, dass dann der Ausbau von Wind- und Solarenergie stockt“, sagte Scholz. „Und wie könnten wir es rechtfertigen, dass Unternehmen, die riesige Gewinne machen, von dem Steuerzahler und der Steuerzahlerin subventioniert werden und Deutschland sich dafür stark verschuldet?“ Das Wirtschaftsministerium geht von 25 bis 30 Milliarden Euro aus, die das Projekt bis 2030 kosten würde.

Niedrigere Stromsteuer: Die FDP will lieber die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß senken. Statt 2,05 Cent pro Kilowattstunde für Privatverbraucher und 1,54 Cent für viele Unternehmen würde die dann nur noch 0,1 bzw. 0,05 Cent betragen. „Von einer Senkung der Stromsteuer würde jeder profitieren, der die Steuer derzeit bezahlt – die Studentin, der Rentner, das kleine Ladengeschäft, der Mittelständler“, sagt Reinhard Houben, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Eine solche Senkung der Steuer würde etwa sechs Milliarden Euro pro Jahr kosten.

Doch auch gegen eine pauschale Senkung für alle gibt es Vorbehalte in der Koalition. Das Instrument sei nicht zielgerichtet genug, um industriepolitisch wirklich sinnvoll zu sein, fürchten manche. Und Privathaushalte seien bereits durch die Abschaffung der EEG-Umlage entlastet worden.

„Garantien müssen mit Zielen verbunden werden“, sagt etwa der grüne Vize-Fraktionschef Andreas Audretsch, zum Beispiel in Form von Tarifbindung, Standortgarantien oder Plänen für die Umstellung auf neue Klima-Technologien.

Große Unternehmen profitieren schon jetzt von Subventionen

Spitzenausgleich verlängern: Die energieintensive, produzierende Industrie profitiert jetzt schon von ihrer eigenen Stromsteuersenkung. Über den sogenannten Spitzenausgleich, der Anfang des Jahrtausends eingeführt wurde, können Unternehmen bis zu 90 Prozent der Stromsteuer erstattet bekommen. Rund 9000 Unternehmen nutzen diese Möglichkeit bisher, zum Ende des Jahres sollte sie eigentlich auslaufen. Doch sowohl Finanzminister Christian Lindner als auch das Wirtschaftsministerium haben sich offen gezeigt für eine Verlängerung. Die würde rund 1,8 Milliarden Euro pro Jahr kosten.

Strompreiskompensation: Diskutiert wird nach Medienberichten auch eine Ausweitung der Strompreiskompensation, ein bestehendes Instrument, bei dem energieintensiven Unternehmen die Kosten aus dem Emissionshandel für die Stromerzeugung erstattet werden. Bisher erhalten diese etwa 340 Unternehmen. Laut einem Bericht des „Spiegel“ erwägt die Regierung, ihnen noch mehr Geld auszuzahlen. Die Kosten lägen demnach bei rund zehn Milliarden Euro bis 2030.

Netzentgelte senken: Die Union will den Strompreis für alle auf unter 20 Cent drücken und dafür unter anderem die Netzentgelte halbieren. Das Thema ist politisch heikel. Die Netzentgelte variieren innerhalb Deutschlands stark. Bundesländer wie Brandenburg, in denen viel erneuerbarer Strom erzeugt und dann in die in den Süden transportiert wird, fordern seit längerem eine Reform, die ihre Bürgerinnen und Bürger entlastet. In Süddeutschland dagegen, wo dieser Strom in erster Linie verbraucht wird, sind die Widerstände erheblich.

Experte: Regierung muss Fehlanreize beseitigen

Sinnvoll sei eine Senkung der Netzentgelte nur, wenn die Regierung gleichzeitig Fehlanreize beseitige, sagt Lion Hirth, Experte für Energiepolitik an der Hertie School in Berlin. „Es gibt zum Beispiel eine Ausnahmeregel für Netzentgelte für energieintensive Industrie“, sagt er.

Betriebe könnten 80 bis 90 Prozent Rabatt auf die Entgelte bekommen, wenn sie das ganze Jahr konstant Strom verbrauchen. Langfristig müsse die Schwerindustrie aber dahin kommen, dass sie schwerpunktmäßig dann produziert, wenn der Strom billig ist. Das aber würden Regelungen wie diese verhindern, sagt Hirth: „Ein Unternehmen, dass sich um Zukunftsfähigkeit bemüht und dann produziert, wenn die Sonne scheint, verliert diesen Rabatt und zahlt Millionen drauf.“