Berlin. Während der Konflikt um Transnistrien wieder aufflammt, wirbt die Separatisten-Region in Berlin um Touristen. Wie passt das zusammen?

Maria Khoroshunova kommt aus einem Land, das es eigentlich gar nicht gibt. Jedenfalls nicht offiziell. Die 43-Jährige lebt in Tiraspol, in der Hauptstadt von Transnistrien. Das Gebiet, in dem rund 400.000 Menschen leben, hat sich nach dem Zerfall der Sowjetunion von der Republik Moldau abgespalten. Seit mehr als 30 Jahren sieht sich Transnistrien als unabhängig an, wird aber von keinem Staat dieser Welt so anerkannt – auch nicht von Russland, obwohl es das Separatistengebiet wirtschaftlich subventioniert und von sich abhängig gemacht hat.

Khoroshunova macht das alles gar nichts aus. Zusammen mit ihrem Mann Dmitri betreibt sie in Transnistrien das Tourismusunternehmen „Go Transnistria“. Er ist in Transnistrien geboren worden, sie zog aus Russland nach Tiraspol um. Seit 2017 verdienen die beiden ihr Geld damit, Touristen aus aller Welt durch die Scheinrepublik zu führen. Sie preisen Lenin-Statuen und Kloster an, schwärmen vom regionalen Essen und der Gastfreundschaft der Transnistrier.

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Das Geschäft laufe überraschend gut, sagt sie, auch wenn es durch Corona und den Krieg in der Ukraine, die unmittelbar an Transnistrien grenzt, „ein paar Dämpfer gab.“ Wir treffen Maria bei der weltgrößten Reisemesse ITB in Berlin. Khoroshunova ist hierhergekommen, um neue Partner zu suchen und mehr Werbung für die abtrünnige Region zu machen. Transnistrien hat keinen eigenen Stand, sondern ist Teil vom Stand der Republik Moldau, zu der die Region völkerrechtlich weiterhin gehört.

Transnistrien: Putin schielt auf die Region – Reiseleiterin weicht aus

„Wir wollen zeigen, wie schön und einmalig Transnistrien ist“, schwärmt die Reiseleiterin. Die Tatsache, dass die Region gerade weltweit damit Schlagzeilen macht, dass sie als nächstes von Russlands Präsident Wladimir Putin eingenommen werden könnte, wird von ihr mit einem Lächeln überspielt. „Da wird viel Propaganda verbreitet und schnell aus einer Mücke ein Elefant gemacht“, sagt sie und fügt schnell hinzu, dass sie eigentlich so gar nicht über die Politik reden wolle.

Maria Khoroshunova aus Tiraspol: Die Reiseleiterin wirbt auf der Reisemesse ITB in Berlin für ihre Region.
Maria Khoroshunova aus Tiraspol: Die Reiseleiterin wirbt auf der Reisemesse ITB in Berlin für ihre Region. © FMG | Alina Juravel

Trotzdem macht sie kein Geheimnis daraus, dass sie und die meisten Bewohner von Transnistrien russlandfreundlich sind. So ist sogar die offizielle Amtssprache in Transnistrien Russisch, während im Rest der Republik Moldau das Rumänische dominiert. Auch das Regime ist prorussisch und hisst überall in der abtrünnigen Region neben der eigenen Flagge auch die von Russland – und das, obwohl keine 100 Kilometer weiter in Odessa regelmäßig russische Drohnen und Raketen landen.

„Wir in Transnistrien sind ein friedliches und multikulturelles Volk“, beteuert sie trotz allem. Dass es zu Putins politischem Repertoire gehört, russische Minderheiten in anderen Ländern aufzustacheln und auf diese Weise zur Destabilisierung des politischen Systems vor Ort beizutragen – das erwähnt sie nicht.

Nach offiziellen Angaben leben gleich drei große Bevölkerungsgruppen in Transnistrien. Zum größten Anteil mit fast 40 Prozent gehören die Moldauer, gefolgt von Russen (etwa mehr als 30 Prozent) und Ukrainern (fast 30 Prozent). Da eine transnistrische Staatsbürgerschaft außerhalb der Separatistenregion nirgendwo auf der Welt anerkannt wird, besitzen die meisten Menschen dort auch eine moldauische.

Transnistrien 1500 russische Soldaten sind vor Ort stationiert

Einzig Russland erlaubt es den Menschen in Transnistrien, auch einen russischen Pass zu beantragen – obwohl der Kreml die Region offiziell nicht als Teil Russlands sieht. Jedenfalls noch nicht. Der „große Bruder“ subventioniert Transnistrien aber nicht nur mit Pässen, sondern auch mit Gas, das fast zum Nulltarif in den Landstrich fließt und übernimmt zum Großteil auch die Renten. Doch wozu das alles? Die Reiseleiterin erklärt dies mit einer Art historischen Verantwortung Russlands.

Transnistrien ist Teil der Republik Moldau und grenzt an die Ukraine an.
Transnistrien ist Teil der Republik Moldau und grenzt an die Ukraine an. © DPA Images | dpa-infografik GmbH

Doch für Außenstehende ergibt das so gar keinen Sinn – und auch für die kleine Republik Moldau nicht, die sich mit ihrer proeuropäischen Präsidentin Maia Sandu von Russland zunehmend bedroht fühlt. Auch die Tatsache, dass in Transnistrien 1500 russische Soldaten stationiert sind und dort gleichzeitig das wahrscheinlich größte Munitionsdepot Osteuropas lagert, schürt die Spannungen.

Erst vor wenigen Tagen drohte der als eingefroren geltende Konflikt erneut zu eskalieren, als Transnistrien Moskau offiziell um Schutz vor Moldau bat. Ein Grund dafür sind von Moldau abgeschaffte Zollprivilegien. Seit Jahresbeginn müssen für Im- und Exporte nach Transnistrien Steuern an Moldau gezahlt werden. „Viele in Transnistrien betrachten diesen Vorgang als gezielte Wirtschaftsblockade“, erklärt Khoroshunova, möchte aber auch hier nicht ins Detail gehen.

Frankreich reagiert und bietet Moldau Sicherheitsgarantien

Nun reagierte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf die Spannungen um die Region: Paris will die Republik Moldau mit einem Verteidigungsabkommen unterstützen. Macron sicherte seiner Kollegin Sandu am Donnerstag die „unerschütterliche Unterstützung“ seines Landes zu. Beide riefen Russland auf, die stationierten Soldaten aus Transnistrien abzuziehen.

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Dass viele in Europa eine Annexion Transnistriens durch Russland fürchten, kann Reiseleiterin Khoroshunova nicht verstehen: „Man darf nicht vergessen, dass Transnistrien seit mehr als 30 Jahren friedlich neben Moldau lebt und auch nicht von Russland annektiert wurde.“ Den Einmarsch in die Ukraine verurteilt sie trotzdem: „Wir sind mit der Ukraine als Nachbarn eng verbunden, wir wollen, dass dieser Krieg endlich endet.“ Doch das aus Russland stammende Narrativ, der Westen habe ein Interesse am Krieg in der Ukraine, sei auch in Transnistrien weit verbreitet.

Trotz des Krieges im Nachbarland und der negativen Schlagzeilen sieht Khoroshunova auch eine Chance für wachsenden Tourismus in Transnistrien. „Vor ein paar Jahren wusste so gut wie niemand, wo Transnistrien überhaupt liegt“, sagt sie. „Jetzt kommen Anfragen aus der ganzen Welt an. Die Leute wollen mit uns, statt über uns reden.“