Barcelona. In Katalonien gehen Proteste gegen Haftstrafen für Separatisten weiter. Dabei kamen am Wochenende ungewöhnliche Mittel zum Einsatz.

In Katalonien bleibt die Lage angespannt. Die siebte Nacht in Folge ist es dort zu Demonstrationen gekommen. Tausende Menschen veranstalteten am Sonntagabend einen friedlichen Sitzprotest vor dem Polizeipräsidium im Zentrum von Barcelona. Die Demonstranten skandierten stundenlang Slogans wie „Freiheit für die politischen Gefangenen!“ und „Raus mit der Besatzungsmacht!“.

Anders als in früheren Nächten gab es diesmal in Barcelona keine Ausschreitungen. Die Zeitung „El Periódico“ sprach von einer „festlichen Stimmung“. Dennoch kam es nicht nur zu einfachen Versammlungen. Vor dem regionalen Büro der spanischen Regierung in Barcelona hatten Demonstranten etwa Müllsäcke abgeladen.

Demonstranten versammeln sich, nachdem sie Müllsäcke vor dem regionalen Büro der spanischen Regierung abgelegt haben.
Demonstranten versammeln sich, nachdem sie Müllsäcke vor dem regionalen Büro der spanischen Regierung abgelegt haben. © dpa | Joan Mateu

Am Sonntag gingen auch auf Mallorca knapp 5000 Menschen aus Solidarität mit den katalanischen Separatisten auf die Straße. Die Kundgebung in der Inselhauptstadt Palma verlief ebenfalls ohne nennenswerte Zwischenfälle. Eine ähnlich große Kundgebung hatte es am Samstag bereits in der spanischen Hauptstadt Madrid gegeben.

In den vergangenen Tagen und Nächten war es immer wieder zu Ausschreitungen gekommen. In der Nacht zu Samstag kam es in Barcelona zu den bislang schwersten Ausschreitungen, seitdem der Unabhängigkeitskonflikts am vergangenen Montag wieder aufgeflammt war.

Barcelona: Gewalt überschattet friedliche Proteste

Mindestens 15 zum Teil minderjährige Aktivisten seien am Freitag allein in Barcelona festgenommen worden, teilten die regionalen Sicherheitsbehörden mit. Mindestens 60 Menschen wurden verletzt, darunter drei Polizisten und zwei Journalisten. Die Zahl der gewalttätigen Demonstranten wurde auf 4000 geschätzt.

Der katalanische Innenminister Miquel Buch sagte dem TV-Sender La Sexta in der Nacht zum Samstag, „eine solche extreme Gewalt“ habe es in Katalonien „noch nie gegeben“. „Das sind natürlich keine Separatisten, das sind Gewalttätige“, die es aber nicht schaffen würden, die Befürworter der Unabhängigkeit „zu besudeln“, so der Vertreter der separatistischen Regionalregierung.

Barcelona: Randalierer kamen zum Teil wohl auch aus dem Ausland

Vermummte und dunkel gekleidete Antifa-Aktivisten, die in dieser großen Zahl erst seit kurzem an den Separatisten-Protesten teilnehmen, errichteten am Freitagabend brennende Barrikaden. Die Behörden vermuten, dass einige von ihnen aus anderen Teilen Spaniens und aus dem Ausland angereist waren.

Sie rissen Verkehrsschilder aus, setzten Müllcontainer in Brand und bewarfen die Polizisten mit Steinen, Eiern und anderen Gegenständen. Die Polizei setzte unter anderem Gummigeschosse, Tränengas und erstmals auch Wasserwerfer ein. Der öffentlich-rechtliche TV-Sender RTVE sprach von einer „wahren Schlacht“.

Barcelona am Freitagabend: Ein Mann läuft vor einer brennenden Barrikade entlang, die Aktivisten zum Schutzb gegen die Polizei errichtet hatten.)
Barcelona am Freitagabend: Ein Mann läuft vor einer brennenden Barrikade entlang, die Aktivisten zum Schutzb gegen die Polizei errichtet hatten.) © Getty Images | Jeff J Mitchell

Spaniens Innenminister will „mit aller Härte“ gegen Gewalt in Katalonien vorgehen

Auslöser der Unruhen war ein Urteil des Obersten Gerichts in Madrid vom Montag. Sieben ehemalige Politiker der Konfliktregion und zwei Anführer ziviler Organisationen des Aufruhrs waren für schuldig befunden worden. Wegen ihrer Rolle bei dem als illegal eingestuften Abspaltungsreferendum vom Oktober 2017 wurden sie zu Gefängnisstrafen von bis zu 13 Jahren verurteilt. Seither gibt es in Katalonien massive Proteste von Separatisten.

Auch in den Tagen zuvor hatte es vereinzelt gewalttätige Ausschreitungen, Festnahmen und Verletzte gegeben, aber nicht in dem Maße wie am Wochenende. Der spanische Innenminister Fernando Grande-Marlaska warnte, man werde das Strafrecht gegen Gewalttätige „mit aller Härte anwenden“. Haftstrafen von bis zu sechs Jahren seien möglich.

Barcelona am Donnerstagabend: Ein Demonstrant gestikuliert in Richtung von Polizisten.
Barcelona am Donnerstagabend: Ein Demonstrant gestikuliert in Richtung von Polizisten. © Reuters | JON NAZCA

„Clásico“ wurde wegen Unruhen verschoben

Wegen der Unruhen in Katalonien wurde indes auch eines der prestigeträchtigsten Spiele der höchsten spanischen Fußball-Liga verschoben. Der „Clásico“ zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid, der zunächst für den 26. Oktober im Stadion Camp Nou in der Regionalhauptstadt Barcelona angesetzt war, soll später nachgeholt werden. An dem regulären Spieltag ist in der Stadt eine Großdemo der Separatisten geplant.

Der spanische Fußball-Verband RFEF habe den 18. Dezember als neuen Termin vorgeschlagen, hieß es in Medienberichten. Zuvor hatte auch die spanische Regierung eine Verschiebung des Spiels empfohlen. Die beiden Clubs seien mit dem neuem Austragungstermin einverstanden, berichteten Medien.

Die Profi-Liga sei aber dagegen, das Spiel an einem Mittwoch austragen zu lassen – offenbar weil Einbußen bei den TV-Einnahmen befürchtet werden. Der Verband habe alle Parteien dazu aufgefordert, sich bis Montag auf einen neuen Termin zu einigen, hieß es.

Carles Puigdemont stellt sich Polizei in Brüssel

Am Freitagmorgen hatte sich ein weiterer früherer Separatistenführer den Behörden gestellt: Carles Puigdemont meldete sich bei der Polizei in Brüssel. Zuvor hatte Spanien einen internationalen Haftbefehl gegen ihn erneuert. Puigdemont, der 2017 nach Belgien geflohen war, habe sich aus freien Stücken gestellt, hieß es in einer Erklärung seines Büros. Er widerspreche den Vorwürfen der spanischen Justiz.

Die spanische Justiz wirft ihm Aufruhr und Zweckentfremdung öffentlicher Gelder vor. Einem früheren Auslieferungsbegehren waren die belgischen Behörden nicht gefolgt. Puigdemont war 2018 in Deutschland festgenommen worden, aber nach einigen Tagen Haft wieder freigekommen. Später hob das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht den Auslieferungshaftbefehl auf.

(ba/ac/dpa)