Berlin. Der Brandenburger AfD-Chef ist wegen Kontakte ins rechtsextreme Milieu kein Parteimitglied mehr. Gegen die Entscheidung will er nun vorgehen.

Wegen früherer Kontakte in die rechtsextreme Szene hat die AfD-Spitze die Mitgliedschaft des Brandenburger Landes- und Fraktionschef Andreas Kalbitz beendet. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Parteikreisen erfuhr, stimmte am Freitag eine Mehrheit des Bundesvorstandes dafür, seine Mitgliedschaft für nichtig zu erklären. Nun will Kalbitz, der als eine der Schlüsselfiguren des rechtsnationalen Flügels galt, gegen die Entscheidung vorgehen.

„Ich (...) werde alle juristischen Möglichkeiten nutzen, um diese aus meiner Sicht politische Fehlentscheidung anzufechten“, teilte er auf Anfrage mit. Eine Sprecherin der AfD-Fraktion erklärte, die Fraktion werde sich später zu der Entscheidung äußern. Unklar war zunächst, ob Kalbitz formell weiter Landes- und Fraktionschef ist.

Kalbitz wurde im April 2017 Vorsitzender der AfD Brandenburg, im November 2017 Chef der Landtagsfraktion. Bei der Landtagswahl 2019 kam die AfD unter seiner Parteiführung auf 23,5 Prozent. Kalbitz war neben dem Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke bislang der bekannteste Vertreter der rechtsnationalen Strömung der Partei.

Jörg Meuthen stimmte für den Beschluss, Alice Weidel dagegen

Der Parteivorsitzende Jörg Meuthen und sechs weitere Mitglieder des Parteivorstandes stimmten nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur für den Beschluss. Kalbitz, der Co-Vorsitzende Tino Chrupalla, die Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Alice Weidel, sowie drei weitere Mitglieder waren dagegen. Carsten Hütter aus Sachsen enthielt sich demnach der Stimme.

Nach Beendigung von Kalbitz’ Mitgliedschaft zeigten sich einige Parteikollegen solidarisch. „Wir stehen zu unserem Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz“, schrieb Landes- und Fraktionsvize Birgit Bessin gemeinsam mit den Abgeordneten Dennis Hohloch und Andreas Galau bei Facebook. „Der politische Gegner steht draußen!“, schrieb Bessin. Der „Flügel“, an dessen Spitze Kalbitz gemeinsam mit Björn Höcke stand, hatte Anfang Mai seine öffentlichen Aktivitäten eingestellt, nachdem er vom Bundesverfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft worden war.

Aelxander Gauland hält Entscheidung für „falsch und gefährlich“

Auch der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland und die Co-Fraktionschefin Weidel kritisierten den Schritt. Gauland sagte ARD und ZDF, er halte die Entscheidung des Bundesvorstandes „für falsch und für gefährlich für die Partei“. Er glaube nicht, dass dies juristisch Bestand habe. Weidel betonte, das Verfahren sei „juristisch höchst angreifbar“.

Meuthen erklärte in ARD und ZDF, in einer „sehr ernsthaften, auch kontroversen“ Diskussion sei es darum gegangen, ob die Bedingungen zur Aufnahme von Kalbitz 2013 rechtlich korrekt waren oder nicht. „Und wir sind zu dem Ergebnis gekommen, mehrheitlich, sie sind es nicht und haben daraus die Konsequenzen gezogen.“

Kalbitz selbst sagte im ZDF: „Ich bedaure, dass Teile des Bundesvorstandes sich offensichtlich zu Handlagern der politischen Gegner und des Verfassungsschutzes gemacht haben.“ In dem Beschluss des AfD-Bundesvorstands heißt es, die Mitgliedschaft sei „wegen des Verschweigens der Mitgliedschaft in der „Heimattreuen Deutschen Jugend““ (HDJ) und „wegen der Nichtangabe seiner Mitgliedschaft“ bei den Republikanern zwischen Ende 1993 und Anfang 1994 mit sofortiger Wirkung aufgehoben.

Kalbitz hat Besuch bei Neonazi-Veranstaltung eingeräumt

Der Parteivorstand hatte Kalbitz im März aufgetragen, schriftlich Auskunft zu früheren Vereinsmitgliedschaften und Kontakten zu geben. Kalbitz hatte daraufhin in der Stellungnahme eingeräumt, es für „durchaus möglich und wahrscheinlich“ zu halten, dass er im Zusammenhang mit dem Besuch einer Veranstaltung der HDJ auf einer „Interessenten- oder Kontaktliste“ der inzwischen verbotenen Organisation aufgeführt worden sei.

Der Verfassungsschutz geht Medienberichten zufolge davon aus, dass Kalbitz nicht nur Interessent, sondern Mitglied der HDJ war. Die Organisation wurde 2009 verboten, weil sie rassistisches und nationalsozialistisches Gedankengut verbreitete. Laut einem internen Gutachten des Verfassungsschutzes gab es in den Unterlagen der rechtsextremen Gruppierung eine Mitgliedsnummer, die der „Familie Andreas Kalbitz“ zugeordnet war. Kalbitz hatte betont, er sei nicht Mitglied.

Die HDJ befindet sich auf der sogenannten Unvereinbarkeitsliste der AfD. Wer einer der dort aufgeführten Organisationen angehört hat, darf nicht Mitglied der AfD sein.

Aus Sicht der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken ändert der Rauswurf von Kalbitz nichts an der Ausrichtung der AfD. „Es wird der AfD weder durch die wirkungslose Auflösung des sogenannten „Flügels“ noch durch Parteiausschlüsse gelingen, sich von dem rechtsextremen Gedankengut zu distanzieren, das längst die gesamte Partei durchdrungen hat“, sagte Esken gegenüber dem Portal t-online.de. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Benjamin Strasser twitterte: „Wenn es der #AfD wirklich um Rechtsextreme in den eigenen Reihen ginge, wäre #Höcke schon längst weg“.

(lah/raer/dpa)