Berlin. Die SPD befindet sich mit Kanzlerkandidat Scholz weiter im Aufwind. In einer neuen Umfrage überholen die Sozialdemokraten die Union.

In den letzten Umfragen lagen Union und SPD noch gleichauf. Die Sozialdemokraten hatten zuletzt kontinuierlich aufgeholt. Im aktuellen RTL/ntv-Trendbarometer von Forsa überholt die SPD nun erstmals seit 15 Jahren die Union und ist damit wieder stärkste Kraft.

Hieß es am Anfang des Wahlkampfs noch, die SPD müsse hoffen, dass sie überhaupt drittstärkste Kraft wird, so hat Olaf Scholz nun gute Chancen, Angela Merkel im Kanzleramt zu beerben. In der Umfrage, die am Dienstagnachmittag veröffentlicht wurde, legen die Sozialdemokraten um zwei Prozentpunkte und kämen somit auf 23 Prozent, wenn jetzt Bundestagswahl wäre. CDU und CSU verlieren dagegen einen Prozentpunkt und liegen mit 22 Prozent knapp dahinter.

Auf Platz drei folgen die Grünen mit nur noch 18 Prozent. Die FDP könnte derzeit mit zwölf Prozent rechnen, die AfD mit zehn Prozent und die Linke mit sechs Prozent. Für sonstige Parteien würden sich unverändert neun Prozent der Wählerinnen und Wähler entscheiden.

Forsa-Umfrage: SPD erstmals wieder stärkste Kraft

Noch zu Jahresbeginn führte die Union bei der Sonntagsfrage deutlich mit 36 Prozent. Die SPD kam damals auf nur 15, die Grünen auf 19 Prozent. Die aktuelle Umfrage deutet an, dass die SPD ihren Abwärtstrend in den Umfragen endgültig hinter sich gelassen hat – das dürfte die Union weiter unter Druck setzen. Das letzte Mal lag die SPD im Oktober 2006 vor der Union. Damals kamen die Sozialdemokraten auf 32, die Union auf 30 Prozent.

Doch damit nicht genug: Mit 22 Prozent läge die Union aktuell nicht nur ein Prozent hinter der SPD – es ist auch der schlechteste Wert, den das 1984 gegründete Meinungsforschungsinstitut Forsa während seiner Existenz jemals für die CDU und CSU ermittelt hat.

Der Forsa-Umfrage zufolge hätten vier Dreier-Bündnisse eine Mehrheit im Parlament. Dabei ist es aktuell wahrscheinlicher, dass Olaf Scholz nächster Bundeskanzler wird. Für Armin Laschet, den Kanzlerkandidaten der CDU und CSU, schwinden die Machtoptionen.

Wahlplakate von Olaf Scholz (SPD), Bundesfinanzminister und Kanzlerkandidat, stehen an einer Straße in der Innenstadt Münchens. Die SPD legt in Umfragen deutlich zu.
Wahlplakate von Olaf Scholz (SPD), Bundesfinanzminister und Kanzlerkandidat, stehen an einer Straße in der Innenstadt Münchens. Die SPD legt in Umfragen deutlich zu. © Sven Hoppe/dpa | Sven Hoppe/dpa

Union verliert – Laschet gehen die Machtoptionen aus

Drei der regierungsfähigen Koalitionen würden der Erhebung zufolge unter Führung der SPD zustande kommen – entweder die „Ampel“-Koalition aus SPD, Grünen und FDP (449 Sitze), die „Deutschland“-Koalition aus SPD, Union und FDP (zusammen 487 Sitze), oder Rot-Rot-Grün mit SPD, Grünen und Linken (398 Sitze). Als einziges Bündnis unter Führung der CDU und CSU hätte die „Jamaika“-Koalition aus Union, Grünen und FDP (444 Sitze) genug Sitze im Parlament.

Bis zur Bundestagswahl dauert es noch etwas mehr als vier Wochen – doch die Briefwahl ist bereits angelaufen. Die Sozialdemokraten können sich also noch nicht auf diesem kleinen Sieg in den Umfragen ausruhen – und so mancher Unionspolitiker dürfte hoffen, dass sich der Wind bis zum 26. September noch dreht.

Mehrheit glaubt nicht an Trendwende für CDU und CSU

Doch die von Forsa Befragten glauben zu einem großen Teil nicht an eine Trendwende. 60 Prozent werten es laut der Umfrage als Fehleinschätzung, dass die Union noch Wähler gewinnen könnte, die aus Angst vor einer SPD-geführten Bundesregierung lieber CDU/CSU wählen würden.

Nur 22 Prozent der Befragten glauben, dass ein solcher Stimmungsumschwung noch möglich wäre. Selbst die Anhänger der Unions-Parteien sind skeptisch: 57 Prozent der CDU und 65 Prozent der CSU-Anhänger glauben nicht an eine Trendwende vor dem Wahltag.

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Das dürfte auch am starken Kanzlerkandidaten der SPD liegen: Im Ranking der Spitzenpolitiker gewinnt einzig SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hinzu (plus 7 Punkte verglichen mit Juni). Größter Verlierer dagegen ist mit minus 11 Punkten der Kanzlerkandidat der Union, Armin Laschet. Bei diesem Ranking geben die Befragten an, bei welchen Politikern sie das Land „in guten Händen“ sehen. Laschet liegt laut Forsa nun auf Rang 11, hinter dem CDU-Politiker Friedrich Merz und knapp vor SPD-Vize Kevin Kühnert. Scholz rangiert auf Platz 3, knapp hinter CSU-Chef Markus Söder und deutlich hinter Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

CDU-Politiker reagieren mit verschärftem Ton auf Umfrage

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) forderte nach der Veröffentlichung der Umfrage von seiner Partei mehr Klarheit im Bundestagswahlkampf. „Wir müssen eine Erklär-Offensive starten und den Deutschen sagen, was sie bekommen, wenn sie bei der Bundestagswahl CDU/CSU wählen“, sagte er unserer Redaktion. Die Zusage „Keine Steuererhöhung mit der Union“ sei ein handfester Punkt, ebenso die Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Kretschmer kritisierte, der Wahlkampf plätschere dahin.

Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann verschärfte als Reaktion auf die Umfrage den Ton gegenüber SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. „Man muss wissen, dass es mit Olaf Scholz zu einer Änderung der Spielregeln in Deutschland kommen würde“, sagte er dieser Redaktion. Er wolle neue Schulden, neue Belastungen und das Prinzip „Fördern und Fordern“ aushöhlen. „Das ist respektlos gegenüber denjenigen, die mit ihren Steuergeldern unser Sozialsystem überhaupt erst möglich machen“, sagte er.

Grundsätzlich spiegeln Wahlumfragen nur das Meinungsbild zum Zeitpunkt der Befragung wider und sind keine Prognosen auf den Wahlausgang. Doch auch in den Erhebungen anderer Meinungsforschungsinstitute hatte die SPD zuletzt zugelegt und die Grünen teils deutlich überholt. Zuletzt hatte das Insa-Institut im Sonntagstrend für die „Bild am Sonntag“ Union und SPD bereits gleichauf gesehen.

(mit dpa)