Berlin. Deutschland muss klimaneutral werden, darüber sind sich fast alle Parteien einig. Ihre Vorschläge gehen allerdings weit auseinander.

Leidende Wälder und Überschwemmungskatastrophen in Deutschland, verheerende Brände in Südeuropa und ein Weltklimarat, der deutlich wie nie zuvor Alarm schlägt: Die Klimakatastrophe prägt den Wahlkampf 2021. Schon jetzt ist klar, die Antwort auf diese Krise wird eine der wichtigsten Aufgaben für die kommende Bundesregierung.

Darüber besteht auch zwischen den Parteien weitgehend Einigkeit. Bis auf die AfD bekennen sich alle im Bundestag vertretenen Parteien zum Ziel des Pariser Abkommens, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Doch die Vorstellungen, wie das zu erreichen ist, gehen weit auseinander. Wer hat was vor im Bereich Klimaschutz? Ein Überblick über die Wahlprogramme zur Bundestagswahl.

So wollen CDU und CSU die Klimaneutralität erreichen

Christdemokraten und Christsoziale setzen sich in ihrem Wahlprogramm zum Ziel, was nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts seit diesem Jahr ohnehin Gesetz ist: Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden. Auf dem Weg dahin bauen die Schwesterparteien auf "neue Technologien und Innovationen". So wollen sie unter anderem in Forschung und Entwicklung investieren, damit Emissionen, die nicht vermieden werden können, über sogenannte "negative Emissionen" ausgeglichen werden können.

Den europäischen Emissionshandel will die Union sobald wie möglich ausweiten auf die Bereiche Verkehr und Wärme. Um Bürger und Bürgerinnen zu entlasten, sollen die Einnahmen aus dem CO2-Preis über billigeren Strom zurückgegeben werden – "zuerst wird die EEG-Umlage abgeschafft", heißt es im Programm.

Den Ausbau der Erneuerbaren wollen CDU und CSU "entscheidend voranbringen" – konkrete Zahlen, wie viel Windkraft und Solaranlagen in den nächsten Jahren dazukommen sollen, stehen allerdings nicht im Programm.

Klimaneutralität sieht die Union als möglichen Wettbewerbsvorteil für deutsche Unternehmen. Deshalb will sie Investitionen in Klimatechnologien und Energieeffizienz steuerlich besser absetzbar machen.

Die deutschen Wälder, die durch die Dürre der vergangenen Jahre und steigende Temperaturen stark belastet sind, will die Partei schützen – allerdings nach dem Grundsatz "schützen durch Nützen", wie es im Programm heißt. Nur die Forstwirtschaft sichere die Schutz-, Nutz- und Erholungsfunktion der Wälder gleichermaßen, so die Union. Mit einer CO2-Bindungsprämie soll die Klimaschutzleistung des Waldes honoriert werden. Zudem verweist die Partei auf ein schon existierendes 1,5-Milliarden-Euro-Paket der Bundesregierung für Aufforstung, Anpassung an den Klimawandel und nachhaltige Forstwirtschaft.

SPD-Programm: Nicht die Falschen belasten

Es gibt Berührungspunkte zwischen den Plänen von Union und SPD: Auch die Sozialdemokraten wollen die EEG-Umlage abschaffen, bis 2025. Und auch sie wollen das unter anderem finanzieren mit Einnahmen aus dem CO2-Preis. Anders als die Union will die SPD beim CO2-Preis beim Heizen aber die Vermieter stärker in die Pflicht nehmen – die sollen die Mehrkosten tragen.

Die SPD will laut Programm mit Klimapolitik einen Rahmen schaffen, damit alle von den Chancen des Wandels profitieren könnten und nicht jene das Nachsehen hätten, "die den geringsten Einfluss auf ihre CO2-Bilanz haben".

Konkret wollen die Sozialdemokraten dafür sorgen, dass bis 2040 erneuerbare Energien 100 Prozent des Strombedarfs in Deutschland decken. Dafür brauche es jetzt ein Jahrzehnt des entschlossenen Ausbaus. Dazu gehören nach den Vorschlägen der Partei Modelle mit mehr kommunaler Beteiligung, mehr Mieterstrom und Solaranlagen auf "alle dazu geeigneten Dächer". Außerdem will die Partei bis 2030 fünf Millionen Häuser mit modernen Heizsystemen wie Wärmepumpen ausstatten.

Wälder will die Partei an den Klimawandel anpassen. Details finden sich dazu im Wahlprogramm allerdings nicht.

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Kernthema: Das planen die Grünen beim Klimaschutz

Für die Grünen ist Klimaschutz nicht nur ein Kernthema ihrer Politik, sondern, laut Wahlprogramm, auch "der Weg in eine bessere Zukunft". Wie dieser Weg aussehen soll, buchstabiert die Partei darin detailliert aus. Auf das derzeitige deutsche Klimaziel für 2030, dass 65 Prozent weniger Emissionen als 1990 vorsieht, will die Partei draufsatteln und bis dahin 70 Prozent einsparen.

Dafür sollen die erneuerbaren Energien zügig ausgebaut werden, um jährlich fünf bis sechs Gigawatt an Windkraft an Land und bis 2035 35 Gigawatt auf See. Zwei Prozent der Flächen bundesweit sollen für erneuerbaren Strom zur Verfügung stehen. Auf den Dächern der Republik sollen Solaranlagen entstehen – eine Million in den nächsten vier Jahren.

Die Grünen wollen außerdem den CO2-Preis schneller erhöhen als bisher geplant, schon 2023 soll eine Tonne ausgestoßenes CO2 60 Euro kosten. Das ist zwei Jahre früher als von der Koalition vorgesehen. Verbrenner sollen nach 2030 nicht mehr neu zugelassen werden. Im Gebäudebereich plant die Partei ein Investitionsprogramm 2.000.000 Wärmepumpen bis 2025.

Gleichzeitig sollen Bürgerinnen und Bürger entlastet werden, in dem sie ein Energiegeld als pauschalen Betrag pro Kopf bekommen. Wer von der Erhöhung besonders hart getroffen wird – etwa Pendler mit niedrigem Einkommen – soll über einen Fonds unterstützt werden und so zum Beispiel auf ein E-Auto umsteigen können. Außerdem wollen die Grünen die EEG-Umlage senken.

Für die Wälder soll es Zukunft gesetzliche Mindeststandards geben, die eine naturnahe Bewirtschaftung sicherstellen und Wiederbewaldung nach ökologischen Kriterien unterstützen. Fünf Prozent der Wälder sollen komplett aus der Nutzung herausgenommen und zu den "Urwäldern von morgen" gemacht werden.

Emissionshandel und Klimaschutzdividende: Die Pläne der FDP

Eine der größten Herausforderungen, aber vielleicht auch eine der größten Chancen, so sehen die Liberalen den Klimawandel. Die FDP setzt zur Senkung von Emissionen vor allem auf einen Mechanismus: Der EU-Emissionshandel soll "schnellstmöglich" auf alle Sektoren ausgeweitet werden. "Die Politik gibt vor, wieviel CO2 im Jahr ausgestoßen werden darf. Für den Ausstoß müssen Zertifikate erworben werden, die von Jahr zu Jahr weniger und damit teurer werden." So will die Partei Anreize für Klimaschutz schaffen.

Den höheren Kosten für Verbraucherinnen und Verbraucher will die Partei begegnen mit einer "Klimaschutzdividende, die pauschal pro Person gezahlt werden soll. Außerdem will die FDP für Entlastung sorgen, indem die EEG-Umlage abgeschafft wird. Die Stromsteuer will sie zunächst senken, dann "so schnell wie möglich" ebenfalls streichen. Außerdem setzt die Partei auf die Anrechnung von Klimaschutzmaßnahmen in anderen Ländern.

International und national wollen die Liberalen Schutz und mehr Aufforstung für Wälder. Auch dafür soll der Emissionshandel Anreize liefern. Eine Belohnung für in Wäldern gebundenes CO2 soll in das System integriert werden.

"Überlebensfrage": Klimaschutz im Programm der Linken

Für die Linke ist die aktuelle ökologische Krise die große Überlebensfrage des 21. Jahrhunderts – und "gleichzeitig ist sie eine Klassenfrage." Früher noch als die Grünen will die Partei die Emissionen in Deutschland auf null senken, nämlich bis 2035. 2030 sollen bereits 80 Prozent der Emissionen im Vergleich zu 1990 eingespart werden.

Dafür soll der Kohleausstieg auf 2030 vorgezogen und die erneuerbaren Energien zügig ausgebaut werden: Bis 2025 sollen mindestens 10 Gigawatt Photovoltaik dazu kommen, außerdem 7 Gigawatt Windenergie an Land und 2 Gigawatt auf See. Große Energiekonzerne sollen "entmachtet" werden und die Energieversorgung am Gemeinwohl ausgerichtet.

Den Emissionshandel als Leitinstrument im Klimaschutz lehnt die Linke ab. Stattdessen setzt sie auf verbindliche Klimaziele und Emissionsgrenzen für Konzerne. Förderprogramme und staatliche Infrastrukturprogramme müssten den Umbau unterstützen, heißt es im Programm. Dazu gehören 40 Milliarden Euro für einen "geschlechtergerechten Strukturwandel" in Tagebauregionen und 20 Milliarden Euro, mit denen der ökologische Umbau insbesondere der Autozulieferindustrie unterstützt werden soll.

Beim Waldbau will die Partei auf Mischwälder mit vielfältiger Altersstruktur und europäischen Baumarten setzen.

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AfD zweifelt an menschengemachtem Klimawandel

Als einzige Partei im Bundestag zweifelt die AfD daran, ob der Klimawandel wirklich menschengemacht ist, und das einem breiten wissenschaftlichen Konsens über Ursachen und Auswirkungen der Erderwärmung zum Trotz.

"Statt einen aussichtslosen Kampf gegen den Wandel des Klimas zu führen, sollten wir uns an die veränderten Bedingungen anpassen, so wie es Pflanzen und Tiere auch tun", heißt es im Wahlprogramm – wobei auf Nachfrage in Interviews keiner der beiden Parteichefs eine Tier- oder Pflanzenart nennen konnte, die das erfolgreich tut.

Entsprechend sieht die Partei keinerlei Notwendigkeit, Emissionen zu reduzieren. Stattdessen will die AfD, dass Deutschland aus dem Pariser Abkommen von 2015 aussteigt. Auch den Klimaschutzplan der Bundesregierung lehnt die Partei ab.

Um Wälder zu erhalten, will die Partei Holz als Baumaterial und Energieträger fördern. Außerdem positioniert sie sich gegen Windkraftanlagen im Wald.