Berlin/Ulm. Ein Mitarbeiter des Ausrüstungsamts der Bundeswehr hat sich selbst getötet. Die Behörde war ins Visier des Geheimdienstes MAD geraten.

Einen Tag nach Bekanntwerden von Extremismus-Vorwürfen gegen das Beschaffungsamt der Bundeswehr hat sich ein Mitarbeiter der betroffenen Dienstelle das Leben genommen. Das teilte das Verteidigungsministerium in Berlin am Mittwoch mit. Nach Recherchen des Südwestrundfunks und des ARD-Hauptstadtstudios handelt es sich um den Hauptverdächtigen aus der Gruppe der acht Mitarbeiter, die ins Visier des Geheimdienstes MAD geraten waren.

Die Staatsanwaltschaft Memmingen bestätigte am Mittwoch auf Anfrage, dass sich am Vormittag vor dem Klinikum im bayerischen Krumbach (Landkreis Günzburg) in der Nähe von Ulm (Baden-Württemberg) ein Mann tödlich verletzt habe. Nähere Einzelheiten wurden nicht genannt. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte dazu, er könne „zu diesem Zeitpunkt weder bestätigen noch dementieren“, dass es sich um eine der Personen handelt, gegen die der MAD ermittelt.

Verdächtige erhielten Zutrittsverbot für Bundeswehr-Gebäude

Am Dienstag war öffentlich geworden, dass mehrere zivile Mitarbeiter der Truppe im Verdacht stehen, der sogenannten Reichsbürgerszene anzugehören. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) ermittelt demnach seit Ende vergangenen Jahres gegen „mehrere Verdachtspersonen“ in einer Niederlassung des Ausrüstungsamts in Ulm, wie das Verteidigungsministerium mitgeteilt hatte. Betroffen sei unter anderem die Leitung der Regionalstelle.

Die Ermittlungen gingen den Angaben zufolge auf interne Hinweise zurück. Es gehe um den „Verdacht der Bestrebung im Phänomenbereich ,Reichsbürger und Selbstverwalter’“, erklärte das Ministerium. Im Zuge der Ermittlungen hatte der MAD am Dienstag acht Verdächtige befragt. Als „Sofortmaßnahme“ sei gegen die Hauptverdächtigen ein Zutrittsverbot zu Liegenschaften ausgesprochen worden.

Das Gebäude des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) in Köln.
Das Gebäude des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) in Köln. © dpa | Federico Gambarini

Reichsbürger und Selbstverwalter sind Gruppierungen oder auch Einzelpersonen, die den deutschen Staat, sein Rechtssystem, Regierungen, Parlamente und die Polizei nicht anerkennen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz rechnet dem Milieu rund 19.000 Personen zu. Im Frühjahr hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer erstmal eine Reichsbürger-Gruppierung verboten.

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Bei der betroffenen Behördenniederlassung handelt es sich demnach um das Zentrum für technisches Qualitätsmanagement in Ulm. Es gehört zum Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw).

Chef der Dienststelle soll Anführer der Gruppe sein – er verfügt über Waffen

Laut „Bild“ wurde die mutmaßliche Reichsbürgergruppe von dem Chef der Dienststelle angeführt. Es handele sich um einen Beamten im Rang eines technischen Regierungsdirektors, hieß es in dem Bericht. Der Mann sei Sportschütze und verfüge über ein Waffenarsenal.

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Die mutmaßlichen Reichsbürger sollen laut dem Bericht zudem Kontakte zu „gleichgesinnten Verschwörern in anderen Sicherheitsorganen“ haben. Es würden insbesondere Verbindungen zu Reichsbürgern beim Bundesnachrichtendienst (BND) geprüft.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte am Dienstag erklärt, „Verfassungsfeinden lassen wir nicht den kleinsten Raum in der Bundeswehr“. Extremismus und fehlende Treue zu den gemeinsamen Werten sei „unvereinbar mit unserem Auftrag, aber auch mit den Grundsätzen der Kameradschaft und Kollegialität“.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU)
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) © dpa | Michael Kappeler

Bundestags-Kontrollgremium stellt Geheimdienst kein gutes Zeugnis aus

Die Bevölkerung könne darauf vertrauen, dass in der Bundeswehr jedem Hinweis der Nähe zum Reichsbürgertum „konsequent nachgegangen wird“, versicherte die Ministerin. Kramp-Karrenbauer nannte es „ermutigend, dass die wesentlichen Hinweise erneut aus internen Quellen kommen“.

Für seinen Umgang mit rechtsextremistischen Verdachtsfällen hatte das Kontrollgremium des Bundestages für die Geheimdienste erst kürzlich dem MAD allerdings kein gutes Zeugnis ausgestellt. Der „Spiegel“ hatte vergangene Woche unter Berufung auf einen Entwurf für einen Bericht des Gremiums gemeldet, der habe „seine Aufgaben in der Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht in hinreichendem Maße wahrgenommen“.

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(afp/dpa/heg)