Berlin. Mehr als 100 Länder wollen die Abholzung der „grünen Lungen“ beenden. Doch vor allem bei einem Staatschef gibt es erhebliche Zweifel.

Zumindest ein kleiner Hoffnungsschimmer. Auf dem Weltklimagipfel in Glasgow haben sich mehr als 100 Staaten in einer Erklärung verpflichtet, die Zerstörung von Wäldern und anderen Landschaften bis 2030 zu stoppen. Mit dabei sind die Staaten mit den größten Waldgebieten überhaupt - also Brasilien, Kanada, Russland, Kolumbien, Indonesien sowie China, Norwegen und die Demokratische Republik Kongo.

Die beteiligten Länder, darunter Deutschland und die gesamte EU, repräsentieren 85 Prozent der weltweiten Waldfläche, also etwa 34 Millionen Quadratkilometer. Unterstützt wird das Vorhaben mit fast 20 Milliarden Dollar an Finanzzusagen von öffentlichen und privaten Geldern. Damit sollen Wälder geschützt und wieder aufgeforstet werden. Konkrete Zielmarken wurden aber zunächst nicht bekannt.

Klimawandel: Jede Minute gehe eine Fläche von etwa 27 Fußballfeldern verloren

Die Initiative gilt als wichtiger Schritt im Kampf gegen den Klimawandel. Wälder absorbieren in hohem Maße das klimaschädliche Kohlendioxid: Sie nehmen etwa ein Drittel der jährlich vom Menschen ausgestoßenen CO2-Emissionen auf. Vor allem der tropische Regenwald in Südamerika spielt hier eine wichtige Rolle. Doch die Baumregionen schrumpfen sie bedenklich. Jede Minute gehe eine Fläche von etwa 27 Fußballfeldern verloren.

Laut Redetext betonte der britische Premierminister Boris Johnson die Bedeutung der Wälder bei der Erreichung des Ziels, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. „Diese großen wimmelnden Ökosysteme, diese Kathedralen der Natur, sind die Lungen unseres Planeten“, so Johnson. Mit der Selbstverpflichtung zum Waldschutz habe die Menschheit die Chance, vom „Eroberer“ zum Hüter der Natur zu werden.

Unter Bolsonaro wurde ein Großteil des Regenwaldes durch Brandrodung zerstört

Dass auch Brasilien zu den Unterzeichnern der Erklärung für einen Entwaldungs-Stopp gehört, überrascht. Präsident Jair Bolsonaro hatte bislang immer wieder den Klimawandel geleugnet. In seiner Amtszeit wurde ein beträchtlicher Anteil des Regenwaldes durch Brandrodung zerstört. Der Staatschef unterstützte die Aktionen von Holzindustrie und Bergbau-Unternehmen. Viehzüchter bekamen neue landwirtschaftliche Flächen.

Ein Holzfäller fällt mit einer Kettensäge nahe Manaus im brasilianischen Regenwald einen Baum.
Ein Holzfäller fällt mit einer Kettensäge nahe Manaus im brasilianischen Regenwald einen Baum. © dpa | Werner Rudhart

In Glasgow gab sich Bolsonaro hingegen einen grünen Anstrich. Per Videobotschaft kündigte er an, die Treibhausgasemissionen seines Landes bis 2030 im Vergleich zu 2005 zu halbieren. Nach Angaben von Brasiliens Umweltminister Joaquim Leite will das Land bis 2050 Kohlenstoffneutralität erreichen. Die Gipfel-Pläne, die Entwaldung bis 2030 zu stoppen, beinhalten auch Zusagen, die Rechte von Ureinwohnern zu wahren. So soll ihre „Rolle als Wächter der Wälder“ anerkannt werden.

Greenpeace kritisiert: Grünes Licht „für ein weiteres Jahrzehnt der Entwaldung“

Die Naturschutzorganisation Greenpeace kritisierte den Glasgower Vorstoß. Damit werde praktisch grünes Licht gegeben „für ein weiteres Jahrzehnt der Entwaldung“. Ureinwohner forderten zurecht, dass 80 Prozent des Amazonas bis 2025 geschützt werden müssten. „Das Klima und die Natur können sich diesen Deal nicht leisten“, mahnte Greenpeace.

Was die Zusage vom Glasgow tatsächlich wert ist, muss sich erst noch zeigen. Bereits 2014 hatten die Teilnehmer eines UN-Klimatreffens in New York angekündigt, die Entwaldungsrate bis 2020 zu halbieren und die Entwaldung bis 2030 zu stoppen. Dennoch ging die Abholzung in industriellem Maßstab ungebremst weiter, nicht zuletzt im brasilianischen Amazonas-Regenwald unter der Regierung Bolsonaro.

Trotz Pandemie stieg Brasiliens Ausstoß an Treibhausgasen

Der rechtsgerichtete Staatschef muss erst noch beweisen, ob er es mit einer klimapolitischen Kehrtwende wirklich ernst meint. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Climate Observatory ist Brasiliens Treibhausgasausstoß trotz der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr um 9,5 Prozent gestiegen. Damit stieß das größte Land Südamerikas mehr Treibhausgase in die Luft als in allen Jahren seit 2006. Weltweit waren die Emissionen im Jahr 2020 um sieben Prozent zurückgegangen.

Vor wenigen Wochen hatte die österreichische Klimaschutz-Organisation Allrise den brasilianischen Präsidenten wegen der Abholzung des Amazonas-Regenwaldes vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) verklagt. Allrise wirft Bolsonaro in ihrer in Den Haag eingereichten Klage „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ wegen seiner Amazonas-Politik vor.

4000 Quadratkilometer Amazonas-Regenwald werden pro Jahr zerstört

An der zugehörigen Kampagne „The Planet Vs. Bolsonaro“ beteiligen sich weitere Organisationen, darunter die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Allrise geht davon aus, dass die brasilianische Regierung für die Abholzung von etwa 4000 Quadratkilometer Amazonas-Regenwald pro Jahr verantwortlich ist. Die Abholzungsrate sei seit Bolsonaros Amtsantritt um 88 Prozent gestiegen.