Berlin. Kindern und Jugendlichen setzt die Krise schwer zu. Mit einem Programm will die Politik schulische und soziale Defizite ausgleichen.

Die Pandemie hat Kindern und Jugendlichen schwer zugesetzt, das steht außer Frage. Kitas und Schulen blieben über Monate geschlossen. Unterricht und Betreuung fanden vorrangig zu Hause statt. Der Kontakt zu Lehrern und Erziehern fiel oft ebenso weg wie Begegnungen mit Gleichaltrigen und Freunden. Die Pandemie hat viele der Jüngsten in ihrer persönlichen Entwicklung und beim Lernfortschritt zurückgeworfen. Es droht eine „Generation Corona“. Nun will die Politik gegensteuern. Ein Aufholprogramm in Höhe von zwei Milliarden Euro soll dazu beitragen, schulische und soziale Defizite bei den Jüngsten auszugleichen.

Laut Kabinettsbeschluss von Mittwoch sind unter anderem die Förderung von Nachhilfeunterricht geplant sowie gezielte Freizeit- und Sozialprogramme. Kinder aus ärmeren Familien erhalten überdies einen sogenannten Freizeitbonus in Höhe von 100 Euro.

Kritik am Corona-Aufholprogramm

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sagte, das Aktionsprogramm habe zum Ziel, „dass die Kinder und Jugendlichen möglichst unbeschadet durch die Pandemie kommen“. Auch Familienministerin Franziska Giffey (SPD) betont mit Blick auf das zurückliegende Pandemiejahr, Kinder und Jugendliche hätten auf eine Menge verzichtet, „es sind Bildungs-, aber auch Bindungslücken entstanden“.

Beide Ministerinnen rechnen mit der Zustimmung der Länder. Kritiker halten das Programm dagegen für nicht ausreichend. Das Deutsche Kinderhilfswerk betonte, zwei Milliarden Euro hörten sich zwar nach viel an, im Endeffekt würden damit aber weniger als 150 Euro pro Kind in die Hand genommen.

Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, bemängelte, Berufsanfänger und Studierende kämen zu kurz. „Die darf man nicht vergessen, denn sie gehören auch zur jungen Generation“, sagte sie unserer Redaktion. „Auch für die Auszubildenden, Berufsanfänger und Studierenden brauchen wir daher besondere Aufholprogramme“, forderte Buyx.

Zugleich beschloss die Regierung einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder bis zur vierten Klasse. Das Projekt steht nicht im Zusammenhang mit Corona, sondern ist ein unerledigtes Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag.

Corona-Nachhilfe

Es wird davon ausgegangen, dass wegen der Pandemie etwa ein Viertel der insgesamt knapp elf Millionen Schülerinnen und Schüler in Deutschland Lernrückstände aufzuholen hat. Mit rund einer Milliarde Euro vom Bund sollen die Länder etwa Sommercamps und Nachhilfekurse während des Schuljahrs finanzieren.

Es geht dabei vor allem um Defizite in Kernfächern wie Mathematik, Deutsch und Fremdsprachen. Die Kurse könnten von Stiftungen, Vereinen, Initiativen, Volkshochschulen, pensionierten Lehrkräften, Lehramtsstudenten und auch kommerziellen Nachhilfeanbietern übernommen werden.

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Das "Aktionsprogramm Aufholen" soll die Folgen der Corona-Pandemie für Kinder abfedern und unter anderem Nachhilfekurse finanzieren. © Uwe Anspach/dpa

Freizeit und Sozialleben

Eine weitere Milliarde ist für die Aufstockung verschiedener Programme vorgesehen, um die sozialen und psychischen Krisenfolgen für Kinder und Jugendliche in der Pandemie abzufedern. Verbände und Träger in der Jugendhilfe beispielsweise erhalten Zuschüsse, um günstige Ferien- und Wochenendfreizeiten sowie Jugendbegegnungen anzubieten.

Bonus für Kinder in Hartz IV

Geplant ist eine Einmalzahlung von 100 Euro für Kinder aus Familien, die auf Hartz IV angewiesen sind oder nur ein sehr geringes Einkommen haben. Das Geld soll je nach Bedarf für Ferien-, Sport- und Freizeitaktivitäten eingesetzt werden können. Der Bonus wird einmalig je Kind gewährt.

Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder

Ab 1. August 2026 soll jeder Erstklässler in Deutschland einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung haben. Jedes Jahr soll dann eine weitere Klassenstufe der Grundschulen folgen, ab August 2029 sollen alle Schüler der Klassen eins bis vier die Ganztagsbetreuung nutzen können. Kinder sollen dann an fünf Tagen pro Woche je acht Stunden in Horten und offenen sowie gebundenen Ganztagsschulen gefördert werden.

Bis auf vier Wochen Ferien im Jahr soll der Betreuungsanspruch auch in der unterrichtsfreien Zeit gelten. Der Bund will den Ländern 3,5 Milliarden Euro bereitstellen, um den Rechtsanspruch an den rund 15.400 Grundschulen in Deutschland umzusetzen. Rund 800.000 zusätzliche Ganztagsbetreuungsplätze müssen laut Giffey neu geschaffen werden.