Berlin. Bald soll mit der Impfung gegen Corona begonnen werden. Doch ausgerechnet bei Ärzten und Pflegekräften ist die Impfbereitschaft gering.

  • Sobald ein Corona-Impfstoff zugelassen ist, soll in Deutschland eine große Aktion beginnen, um zuerst Risikogruppen zu immunisieren
  • Doch die Bereitschaft, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen, ist in der Bevölkerung gesunken
  • Besonders besorgniserregend: Die Imfpbereitschaft beim medizinischen Personal ist noch geringer. Wie soll damit umgegangen werden?

Zwei Dinge sind nötig für eine erfolgreiche Impfkampagne. Das eine ist die Technik: „Die logistische In­frastruktur steht“, sagt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mit Blick auf Hunderte Impfzentren, die ab Dienstag bundesweit ihre Arbeit aufnehmen können, sobald ein Impfstoff zugelassen ist.

Das andere ist die Impfbereitschaft: „Es müssen alle beim Impfen mitmachen“, mahnt Söder am Sonntag nach der Bund-Länder-Schalte mit der Kanzlerin. Seine Sorge: „Dass sich am Ende nicht genügend impfen lassen“. Die Sorge ist berechtigt, wie jüngste Umfragen zeigen. Besonders besorgniserregend: Unter Ärzten und Pflegekräften ist die Impfmüdigkeit noch größer als in anderen Gruppen. Was ist da los?

Corona: Nur 50 Prozent der Bevölkerung will sich impfen lassen

Schon in Kürze dürfte es einen oder mehrere Impfstoffe in der EU geben. Da anfangs nicht genügend Impfdosen zur Verfügung stehen, hat die Ständige Impfkommission (Stiko) eine Prioritätenliste erstellt. Demnach sollen Risikogruppen rasch versorgt werden, ebenso medizinisches Personal. Doch was, wenn sich Teile davon gar nicht impfen lassen wollen?

Die Stiko-Experten verweisen auf eine Anfang Dezember veröffentlichte Umfrage, die unter anderem vom Robert-Koch-Institut (RKI) und von Wissenschaftlern der Universität Erfurt erstellt wurde. Die Befragung zeigt, dass die Impfbereitschaft in der Bevölkerung in den vergangenen Monaten stetig gesunken ist. Lediglich 50 Prozent aller Befragten erklärten sich demnach Anfang Dezember bereit, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen.

Impfbereitschaft bei Ärzten und Pflegekräften noch geringer als in Gesamtbevölkerung

„Mitte April waren es noch 79 Prozent. Seitdem sinkt die Bereitschaft kontinuierlich“, heißt es in dem Stiko-Bericht. Besonders Krankenpfleger, Ärzte und Apotheker scheinen große Vorbehalte zu haben. Laut der Erhebung sei „die Impfbereitschaft des medizinischen Personals geringer als die der Gesamtbevölkerung“. Das wäre demnach bei mehr als der Hälfte der Fall.

Und das, obwohl es in den jüngsten Empfehlungen der Stiko ausdrücklich heißt: Covid-19-Erkrankungen und -Todesfälle „unter medizinischem Personal werden weltweit berichtet“. Zudem könne medizinisches Personal zur Übertragung des Virus „in Krankenhaus, Praxis oder bei anderen Kontakten beitragen“.

Die Fachleute sehen insbesondere ein Ansteckungsrisiko für stark gefährdete Patientengruppen wie etwa Hochbetagte und Krebskranke. Anders gesagt: Es gäbe gute Gründe für diese Berufsgruppen, andere und sich selbst zu schützen.

Ein Mitarbeiterin hält eine Ampulle des Pfizer-BioNTech COVID-19-Impfstoffs in der Hand. Eine Befragung zeigt, dass die Impfbereitschaft in der Bevölkerung in den vergangenen Monaten stetig gesunken ist.
Ein Mitarbeiterin hält eine Ampulle des Pfizer-BioNTech COVID-19-Impfstoffs in der Hand. Eine Befragung zeigt, dass die Impfbereitschaft in der Bevölkerung in den vergangenen Monaten stetig gesunken ist. © dpa | Graeme Robertson

Lauterbach: Impfskepsis bei Medizinern nicht nachvollziehbar

Nur, warum ist die Impfskepsis ausgerechnet bei jenen besonders groß, die tagtäglich einem hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind? Selbst SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach – sonst eher selten um einen Ratschlag verlegen – kann sich keinen rechten Reim darauf machen. „Es überrascht mich, dass die Impfbereitschaft beim medizinischen Personal nicht deutlich höher ist und es eine so große Zurückhaltung gibt“, sagte er unserer Redaktion.

Vermutlich stehe dahinter die Überzeugung vieler Mediziner und Pflegekräfte, „nicht zur Hochrisikogruppe für eine Covid-19-Erkrankung zu gehören und sich durch Schutzkleidung besonders schützen zu können“. Lauterbach selbst kann diese Haltung nicht nachvollziehen. „Ich persönlich würde mich auf jeden Fall impfen lassen, und zwar sowohl mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer als auch mit dem von Moderna“, sagt er. Beide Impfstoffe seien sehr gut untersucht und gälten bisher als sehr sicher.

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Patientenschützer: Ärzte haben bei Eindämmung der Corona-Pandemie Vorbildfunktion

Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund sieht genau hier einen entscheidenden Punkt. Die Vorsitzende Susanne Johna geht davon aus, dass viele Ärzte grundsätzlich zu einer Impfung bereit sind. Je eindeutiger das Wirkspektrum des Impfstoffes feststehe, „desto größer wird auch die Impfbereitschaft sein“.

Auch die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Schmidtke (CDU), glaubt, dass die Impfbereitschaft des medizinischen Personals steigt, sobald verlässliche Impfstoffe zugelassen sind. Zugleich appelliere sie „eindringlich gerade auch an die Menschen in den Gesundheitsberufen, die prioritär geimpft werden können, diese Möglichkeit auch zu nutzen“. Ärzte hätten bei der Eindämmung der Pandemie „eine wichtige Vorbildfunktion“.

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Maskenverweigerer: Ärzte stellen immer wieder Atteste aus

Es ist aber nicht nur der Impfstoff, dem ein Teil der Ärzteschaft skeptisch gegenübersteht. Auch Masken hält offenbar nicht jeder Mediziner für nötig. Immer wieder gibt es offenbar Ärzte, die Maskenverweigerern „Gefälligkeitsatteste“ bewilligen, in denen sie medizinische Gründe für das Nichttragen eines Mund-Nasen-Schutzes bescheinigen. Viele Landesärztekammern berichten, dass sie Meldungen über Mediziner erreichen, die solche Bescheinigungen ausstellten.

Die Hinweise kämen von anderen Ärzten und Patienten, aber auch von der Polizei, von Gesundheitsämtern und Pädagogen. Es gebe zudem Beschwerden von Patienten, die in einer Arztpraxis im Wartebereich sogar dazu aufgefordert werden, ihre Mund-Nasen-Bedeckung abzunehmen, berichtet etwa die Ärztekammer Berlin.

Bundesärztekammer: Auch Ärzte unter sogenannten „Querdenkern“

Im Vergleich zur Gesamtzahl der Ärzte ist diese Gruppe aber wohl eine kleine Minderheit. Die meisten Landesärztekammern berichten von Fallzahlen im einstelligen und niedrigen zweistelligen Bereich. Die Berliner Kammer hat seit März rund 160 entsprechende Beschwerden gesammelt, Sachsen verzeichnet 45, Hamburg 35. „Auch innerhalb der Ärzteschaft gibt es Menschen, die quer oder besser gesagt schräg denken“, sagt Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, unserer Redaktion, in einer Anspielung auf die sogenannten Querdenker-Demonstrationen. Das seien aber nur sehr wenige.

„Entscheidend ist, dass Patientinnen und Patienten aufgrund einer persönlichen Weltanschauung des Arztes keinesfalls Schaden erleiden dürfen“, sagt Reinhardt, „zum Beispiel durch Ablehnung anerkannter Hygiene- und Schutzmaßnahmen.“ Andernfalls müssten diese Mediziner mit berufsrecht­lichen Verfahren rechnen.

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