Berlin. Auch Jan Böhmermann ist von der „NSU 2.0“-Drohbriefaffäre betroffen. Seine Daten wurden offenbar von Rechnern der Polizei abgerufen.

Persönliche Daten des TV-Moderators und Satirikers Jan Böhmermann sind von einem Polizeirechner abgerufen worden. Das haben die Ermittlungen zu rechtsextremen Drohbriefen mit der Signatur „NSU 2.0“ zutage gefördert. Die Daten wurden demnach Ende Juli von einem Berliner Polizeicomputer unbefugt abgefragt. Wenige Tage später tauchte Böhmermanns Privatadresse in einem Drohschreiben auf, wie die „Frankfurter Rundschau“ (FR) berichtet.

Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) habe demnach am Donnerstag im Innenausschuss des Landtags in Wiesbaden über die illegale Datenabfrage bei der Berliner Polizei berichtet. Diese sei am 25. Juli 2020 erfolgt. Der „FR“ liegt nach eigenen Angaben ein „NSU-2.0“-Drohbrief vom 1. August vor, in dem Böhmermanns Adresse zu lesen ist. Die E-Mail selbst sei dabei nicht an Böhmermann, sondern an andere Empfänger gegangen.

Private Daten von Jan Böhmermann über Polizeicomputer abgerufen

Kühne-Hörmann machte im Ausschuss keine Angaben zu der Frage, ob die Daten aus Berlin auch in einem Drohschreiben gegen Böhmermann aufgetaucht seien. Der Bericht der „FR“ gibt auch keine näheren Informationen darüber, welche persönlichen Daten über den Polizeicomputer abgerufen wurden – und ob die Privatadresse des Satirikers dabei war.

Die Berliner Polizei widerspricht den Aussagen. „Entgegen öffentlich geäußerter Feststellungen, erfolgte die Abfrage der Meldeanschrift eines Moderators durch einen Angehörigen der Polizei Berlin im Juli 2019 und nicht im Juli 2020“, erklärt sie. „Nach jetzigem Kenntnisstand erfolgte die Überprüfung aus einem dienstlichen Kontext heraus.“ Laut Polizeiangaben habe der Polizist, der die Abfrage tätigte, seine Abfragegründe plausibel dargelegt. Er werde daher nicht als Tatverdächtiger gesehen.

Polizei Berlin: Abfragen werden genau protokolliert

Die Polizei erklärte weiter, dass zu jeder Abfrage eine genaue Protokollierung erfolge. So werde unter anderem der Abfragegrund und eine Begründung zum Abfragegrund gespeichert. „Diese Protokollierung erfolgt seit dem Jahr 2005“, heißt es.

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Einen ähnlichen Vorgang hatte es in Berlin bereits am 5. März 2019 gegeben, als persönliche Daten der Kabarettistin İdil Baydar ohne erkennbaren dienstlichen Grund an einem Polizeicomputer abgefragt worden waren. Auch Baydar hatte kurz darauf ein Drohschreiben mit dem Absender „NSU 2.0“.

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Anfang September hatten Sonderermittler aus Hessen in Neukölln und Spandau zwei Berliner Polizeibeamte vernommen. Sie sollen aus der Polizeidatenbank private Daten der Kabarettistin Idil Baydar und der „taz“-Kolumnistin Hengameh Yaghoobifarah abgefragt haben. Beide erhielten kurz darauf Drohschreiben, in denen ihnen mit dem Tod gedroht wurde. (bef/fmg)

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