Washington. US-Präsident Donald Trump gerät im Ukraine-Skandal noch mehr unter Druck. Der Whistleblower wirft ihm Vertuschung vor. Trump droht ihm.

In der „Ukrainegate“-Affäre tut Donald Trump das, was er immer tut, wenn die Einschläge näher kommen: Er schießt zurück. In New York rückte der US-Präsident am Donnerstag den bisher unbekannten Mitarbeiter des US-Geheimdienstes CIA, der ihm detailliert vorwirft, die Ukraine „angestiftet“ zu haben, sich zu seinen Gunsten in die US-Wahlen im November 2020 einzumischen, in die Nähe eines Spions, der Landesverrat begangen hat.

Trump deutete zwischen den Zeilen an, wie man „in den alten Zeiten“ mit solchen Leuten umgegangen sei: Todesstrafe. Den Demokraten, die über den Fall ein Amtsenthebungsverfahren einleiten wollen, will er juristisch verbieten lassen, ihn weiter zu verfolgen. „Es sollte einen Weg geben, das zu stoppen.“ Was die Opposition tue, sei eine „Schande“ für Amerika.

Trump will mit seiner Brachial-Attacke ablenken

Mit der Brachial-Attacke versuchte der Präsident abzulenken von der Tatsache, dass die von ihm als Befreiungsschlag gedachte Veröffentlichung einer nachträglichen Mitschrift eines Telefonats mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj nach hinten losging.

Die seit Tagen unter Verschluss gehaltene Beschwerde des besagten Geheimdienstlers wurde am Donnerstagmorgen veröffentlicht. Danach fordert Trump Selenskyj am 25. Juli nicht nur dazu auf, seinen zurzeit aussichtsreichsten Rivalen bei der Wahl 2020, den Demokraten Joe Biden, und dessen Sohn Hunter mit staatsanwaltlichen Ermittlungen zu überziehen, um so seinen eigenen Wiederwahl-Ambitionen „zu helfen“; ein klarer Gesetzesverstoß, wenn beweisbar.

Das Weiße Haus sicherte gegen übliche Verfahrensweisen den genauen Wortlaut des Telefonats in einem ausgegliederten Computer-System, das strengen Zugangskriterien unterliegt. Grund aus Sicht des Informanten, der nach Angaben seines Anwalts höchsten Wert auf Anonymität legt: Trumps Leuten sei die „Bedenklichkeit“ des Gesprächsinhalts bewusst geworden.

Die Spur sollte von Moskau weg führen

Außerdem soll Trump Selenskyj dazu angehalten haben, die von FBI-Sonderermittler Robert Mueller klar Russland zugeschriebenen Einflussversuche auf die US-Wahlen 2016 neu zu verorten: in die Ukraine. Konkret sollte Selenskyj Computer-Server sicherstellen und den USA aushändigen, die seinerzeit von der Zentrale der US-Demokraten benutzt wurden.

US-Ermittler gehen bis heute davon aus, dass russische Hacker die Server gehackt und so kompromittierende Informationen gegen Trumps Widersacherin Hillary Clinton und die Demokraten öffentlich wurden. Trump will die Spur von Moskau weg lenken.

Bei alledem gab Trump nach Angaben des Whistleblowers, der darin „Amtsmissbrauch“ und die „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ erkennt, seinen Privat-Anwalt Rudy Giuliani und US-Justizminister William Barr als seine „persönlichen Bevollmächtigten“ in der Angelegenheit aus. Giuliani traf sich mehrfach mit ukrainischen Regierungsverantwortlichen und Top-Juristen, unter anderem in Madrid, um die Wünsche Trumps voranzutreiben.

Selenskyj sagt, es habe keinen Druck gegeben

Mit der Veröffentlichung der Beschwerde stehen große Fragezeichen hinter der Behauptung Trumps, er habe nichts Verbotenes getan; trotzdem veranstalte die Opposition die „größte Hexenjagd in der Geschichte Amerikas“ gegen ihn. Der Präsident bezog sich auf die vorher kolportierte Anschuldigung, er habe dem ukrainischen Regierungschef mit der Nichtauszahlung von US-Militärhilfe gedroht, wenn er keine juristischen Ermittlungen gegen Biden und dessen Sohn Hunter einleiten lässt.

In der vom Weißen Haus veröffentlichen Gesprächs-Notiz war von diesem Gibst-Du-mir-geb-ich-Dir (quid pro quo) erwartungsgemäß keine Rede. Am Rande der UN-Vollversammlung in New York sagte Selenskyj: „Es gab keinen Druck.“ Der frühere TV-Komödiant fügte vor Reportern hinzu: „Ich möchte nicht in die US-Wahlen hineingezogen werden.“

Telefonprotokoll - Trump drang bei Ukraine auf Untersuchung gegen Biden

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    Laut Pelosi ist ein Amtsenthebungsverfahren unumgehbar

    Die Demokraten, bei denen mittlerweile rund 220 Abgeordnete ein Impeachment Trumps wegen Verfassungsbruchs befürworten, sehen sich nach der Veröffentlichung der Beschwerde des Geheimdienstlers, der sich auf Mitarbeiter des Weißen Hauses und anderer Regierungseinheiten beruft, bestätigt. Amtsmissbrauch und Vertuschung auf Seiten Trumps machten ein Amtsenthebungsverfahren nun unumgehbar, sagte die Mehrheitsführerin im Abgeordnetenhaus, Nancy Pelosi.

    Der Eingabe des CIA-Angestellten wird hohe Glaubwürdigkeit attestiert – sowohl vom Generalinspekteur der US-Geheimdienste, Michael Atkinson. Als auch vom obersten Geheimdienst-Koordinator der US-Regierung. Joseph Maguire sagte bei einer Kongress-Anhörung im Gegensatz zu Trump, der Whistlerblower habe richtig gehandelt, die vorgebrachten Anschuldigungen müssten aufgeklärt werden.

    Aus Sicht von US-Kommentatoren und Demokraten war der Persilschein, den sich Trump ausstellte, ohnehin anrüchig. Dass Trump in dem Gespräch mit Selenskyj indirekt Geld als Hebel einsetzte, zeigten die Fakten. Vor dem Selenskyj-Telefonat lagen 400 Millionen Dollar, die vom US-Kongress für die Ukraine längst bewilligt waren, auf Trumps Anweisung aus Eis. Nachdem Selenskyj Trump signalisierte, dass ein neuer Generalstaatsanwalt sich den Fall Biden/Burisma anschauen werde, flossen die Gelder Mitte September.

    Gut dotierter Job beim Gas-Konzern

    Zum Verständnis: Hunter Biden (49) saß 2014 gut dotiert im Aufsichtsgremium des ukrainischen Gas-Konzern Burisma. Joe Biden war zu dieser Zeit Vizepräsident unter Barack Obama. Er war 2016 gemeinsam mit Regierungen vor allem in Europa durch kritische Interventionen daran beteiligt, dass der damalige ukrainische Generalstaatsanwalt Wiktor Schokin wegen Korruptionsanfälligkeit entlassen wurde.

    Schokin soll gegen Burisma ermittelt haben. Trump und sein umtriebiger Privat-Anwalt Rudy Giuliani stellen einen Zusammenhang her, der nach bisher bekannten Fakten und Äußerungen aus Kiew unzutreffend ist: Biden Senior soll durch den erzwungenen Rauswurf Schokins Biden Junior vor Korruptionsermittlungen beschützt haben.

    In der vom Weißen Haus herausgegebenen Gesprächs-Mitschrift heißt es dazu von Trump: „Übrigens, es gibt da einiges Gerede über Bidens Sohn, dass Biden die Ermittlung gestoppt haben soll, und viele Leute wollen herausfinden, was da los war. Von daher, was immer Sie mit unserem Justizminister tun können, wäre großartig.“

    „Trump gibt dir keine Fragen und keine Anweisungen, er spricht in einem Code“

    Adam Schiff, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im Abgeordnetenhaus, sieht bei Trump „eine Erpressung wie bei einem Mafia-Boss“. Diese würden auch nicht offen drohen, um ihre Botschaft zu überbringen. „Die Ukraine wusste genau, was von ihr verlangt wird“, sagte der Demokrat und erinnerte an eine Schlüsselaussage von Rechtsanwalt Michael Cohen.

    Der langjährige „Problemlöser“ Trumps hatte unter anderem Schweigegeldzahlungen an einen Porno-Star bewerkstelligt, der mit Trump vor über zehn Jahren eine Affäre gehabt haben soll. Cohen, der inzwischen eine Gefängnisstrafe absitzt, sagte im Februar in einer Kongressanhörung: „Trump gibt dir keine Fragen und keine Anweisungen, er spricht in einem Code.“