Washington. Donald Trump hat der türkischen Invasion in Syrien den Boden bereitet. Jetzt will der US-Präsident den Stopp der Offensive erzwingen.
Im Syrien-Konflikt versucht US-Präsident Donald Trump aus Sicht der Demokraten im US-Kongress einen „scheinheiligen Rollentausch“: Vom Brandstifter, der mit dem US-Truppenabzug den Weg für eine türkische Militäroperation gegen die Kurden frei gemacht hat, zum Feuerwehrmann, der seinen Amtskollegen Erdogan mit Wirtschaftssanktionen zur Umkehr zwingen will und einen sofortigen Waffenstillstand verlangt.
Die Opposition hält die von Trump angekündigten Strafmaßnahmen für zu weich und kündigt ein schärferes Maßnahmen-Paket an. Mehr noch: Im Repräsentantenhaus wollen die Demokraten den Präsidenten zwingen, seine Entscheidung zu revidieren, die USA als Puffer-Macht zwischen der Türkei und den kurdischen YPG-Milizen abzuziehen, die Ankara für Terroristen hält.
Donald Trumps Verhalten untergräbt Amerikas Glaubwürdigkeit in der Welt
Für die führende Demokratin Nancy Pelosi ist Eile geboten, um Trump in die Schranken zu weisen: „Seine sprunghafte Entscheidungsbildung bedroht Leben, gefährdet regionale Sicherheit und untergräbt Amerikas Glaubwürdigkeit in der Welt.“
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Das sonst Trump-freundliche „Wall Street Journal“ nannte das Vorgehen des Präsidenten ein „Fiasko“ und warf ihm „dümmlichen Isolationismus“ vor. Das auflagenstärkste US-Blatt hatte eine bemerkenswerte Warnung für Trump parat: Republikaner, die ihm bisher zur Seite gestanden hätten, „zweifelten in einer immer gefährlicher werdenden Welt sein Urteilsvermögen als Militäroberbefehlshaber an“. Im Zuge des drohenden Amtsenthebungsverfahrens könne es sich Trump nicht leisten, „mehr Freunde zu verprellen“.
Laut Hilfsorganisationen sind im Nordosten Syriens fast 300.000 Menschen vor den vor einer Woche gestarteten türkischen Angriffen auf der Flucht, darunter sind 70.000 Kinder.
Vernichtende Kritik an Trump
Entscheidend für Trumps neue Tonlage („Das Vorgehen der Türkei führt eine humanitäre Krise herbei und schafft die Voraussetzungen für mögliche Kriegsverbrechen“) dürfte der massive Protest aus den eigenen Reihen gewesen sein.
Geradezu vernichtend geriet die Kritik von Mitch McConnell, dem mächtigen Mehrheitsführer im Senat: Trumps Rückzugsbefehl sei eine Aufforderung an den „Islamischen Staat“ zurückzukehren, sagte er. Dass durch Trumps Beschluss entstandene Machtvakuum spiele Russland und dem Iran in die Hände und habe katastrophale Folgen für die USA.
Als Mittel der Schadensbegrenzung ließ Trump Strafzölle auf türkische Stahlimporte auf 50 Prozent hochsetzen, Verhandlungen über ein Handelsabkommen im Volumen von 100 Milliarden Dollar stoppen und das Privatvermögen der für Verteidigung, Energie und Inneres zuständigen türkischen Minister in Amerika auf Eis legen.
Trump: „Ich bin bereit, die Wirtschaft der Türkei umgehend zu zerstören“
Außerdem würden die 1000 noch in Syrien stationierten US-Soldaten nicht abgezogen, sondern in andere Standorte „in der Region“ verlegt. Im Süden Syriens, weit ab vom aktuellen Geschehen, sollen 200 US-Soldaten bleiben.
Sollten diese Schritte die Türkei unbeeindruckt lassen, droht Trump mit der großen Keule: „Ich bin bereit, die Wirtschaft der Türkei umgehend zu zerstören, wenn die türkische Führung ihren gefährlichen und zerstörerischen Weg fortsetzt.“ Zur Untermauerung seiner Forderung an Erdogan, die Angriffe gegen die inzwischen mit dem Assad-Regime und Russland kooperierenden Kurden-Milizen sofort zu stoppen, soll Trumps Vize Mike Pence zu Verhandlungen nach Ankara reisen.
„Dass diesen Worten auch Taten folgen, notfalls militärische, ist derzeit nicht erkennbar“, meinten Analysten im US-Fernsehen. Daran habe Trump, der „statt kohärenter Politik einen Zickzackkurs fährt und mit erratischen Bemerkungen Kopfschütteln auslöst“, großen Anteil.
Erdogan reagiert kühl auf Trumps Drohgebärden
Beispiel: Trump erklärte, ihm sei egal, ob „Russland, China oder Napoleon Bonaparte“ dem syrischen Diktator Assad bei der Verteidigung der Kurden helfe. Für ihn gelte unverändert: Keine US-Truppen mehr in „endlosen Kriegen“ zu halten, in denen es nicht direkt um US-Interessen gehe. Syrien sei „7000 Meilen weit weg!“. Dazu passe nicht, erklärten Verteidigungspolitiker beider Parteien, dass Trump Saudi-Arabien just 2000 US-Soldaten versprochen hat, um besser gegen den Iran gewappnet zu sein.
Unterdessen hat der türkische Präsident signalisiert, dass ihn Trumps Drängen ungerührt lässt. In einem Text für das „Wall Street Journal“ verlangte Erdogan de facto Gefolgschaft und Unterstützung der internationalen Gemeinschaft für das Vorgehen seiner Regierung in Syrien – andernfalls möge man sich auf die Aufnahme von Flüchtlingen vorbereiten. Die Türkei hat seit Beginn des Bürgerkrieges in Syrien 2011 rund 3,6 Millionen Menschen aufgenommen.
Der Konflikt in Syrien könnte auch Folgen für das Leben in Deutschland haben. Am Dienstag lief in Herne eine Kurden-Demo gegen die Militäroffensive der Türkei aus dem Ruder.