Berlin. Angela Merkel richtet im Bundestag emotionalen Appell an die Bürger, sich an Corona-Regeln zu halten: „Wir riskieren gerade alles.“

Es ist gegen Ende ihrer rund 40-minütigen Redezeit in der Generaldebatte des Bundestags, als die Kanzlerin nach einer kurzen Pause zu einem neuen Kapitel ansetzt. Eigentlich steht der Haushalt des Kanzleramts auf der Tagesordnung. Die Opposition nutzt diesen Termin traditionell für Wortgefechte mit der Regierung. Doch Angela Merkel (CDU) ist an diesem Tag nicht nach Tradition.

Sie könne jetzt nicht „nach der üblichen Routine verfahren, wenn die Zeit der Pandemie keine Routine kennt“, sagt Merkel. Deshalb wolle sie sich zum Schluss ihrer Rede noch einmal direkt an die gesamte Öffentlichkeit wenden. „Wir müssen miteinander reden, denn die Infektionszahlen steigen“, sagt Merkel und kommt rasch auf den zunehmend sorglosen Umgang mit der Pandemie zu sprechen.

Corona-Krise: Merkel wendet sich im Bundestag an die Öffentlichkeit

Merkel betont: „Wir erleben zur Zeit, wie die Vorsicht nachlässt“, wie sich alle wieder nach Nähe und Gemeinsamkeit sehnten, auch sie selbst. „Ich glaube, wir alle wollen die Spontaneität, die Unbefangenheit zurückhaben. Wir alle wollen das Leben, wie wir es kannten, zurückhaben.“ Aber, so Merkel: „Wir riskieren gerade alles, was wir in den letzten Monaten erreicht haben.“

Alle Vorkehrungen und Maßnahmen nützten „wenig bis nichts, wenn sie nicht von den Menschen angenommen und eingehalten werden“. Daher bitte sie um Mithilfe. „Ich appelliere an Sie alle: Halten Sie sich an die Regeln, die für die nächste Zeit weiter gelten müssen.“

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Merkel: Zweiten landesweiten Shutdown verhindern

Merkel fährt fort, die Infektionszahlen seien sehr ernst zu nehmen. Es gehe darum, ein Bewusstsein für die Lage in der anstehenden kälteren Jahreszeit zu schaffen. „Wir haben mit Herbst und Winter eine schwere Zeit vor uns“, sagt Merkel und führt aus: „Ich spreche hier, weil ich alles dafür tun will, um einen erneuten landesweiten Shutdown zu verhindern.“

Sie wolle Unternehmen und Arbeitsplätze schützen und Kinder und Jugendliche in Kitas und Schulen sehen. „Wir dürfen es nicht zulassen, dass wieder landesweite Einschränkungen, wieder hohe emotionale und ökonomische Verluste drohen“, dass kranke Menschen im Krankenhaus oder im Pflegeheim ohne die Familie „mutterseelenallein sterben“ müssten.

Corona-Regeln: Kanzlerin appelliert an Bürgerinnen und Bürger

Die strengen Maßnahmen im Frühjahr hätten gezeigt, wie belastend die Einschränkungen seien, wenn sie die sozial Schwächsten träfen und bestehende Ungleichheiten noch einmal vertieften. „Wir alle wollen verhindern, dass es zu einem zweiten landesweiten Shutdown kommt. Und das können wir auch“, zeigt sich Merkel überzeugt.

Das Wissen um das Virus und der Schutz des Gesundheitssystems seien heute besser als im März. „Wir haben in der Pandemie viel gelernt und wir lernen jeden Tag dazu. Aber jetzt müssen wir wieder achtsam sein.“ Die Zeit für ausgelassene Feiern mit Familie und Freunden sieht Merkel nicht gekommen, „wir brauchen immer noch Abstand als Ausdruck von Fürsorge“.

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    Die Pandemie sei „eine Langstrecke, wir sind noch nicht am Ende“. Es gehe darum, „dass wir weiter geduldig und vernünftig handeln und so Leben retten können“. Dennoch sieht Merkel auch Grund zu Optimismus: „Ich bin sicher: Das Leben, wie wir es kannten, wird zurückkehren. Die Familien werden wieder feiern, die Clubs, Theater und Fußballstadien werden wieder voll sein. Was für eine Freude wird das sein.“

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    In der Generaldebatte wird derweil schnell klar, dass etliche im Plenum Merkels Ausführungen ganz und gar nicht zustimmen. Die AfD-Politikerin Alice Weidel, zugleich Vorsitzende der größten Oppositionsfraktion im Bundestag, ruft in Richtung Merkel und Regierungsbank: „Hören Sie auf, Panik zu schüren!“ Und ihr Co-Vorsitzender Alexander Gauland kritisiert, die Öffentlichkeit werde „täglich mit neuen Infektionszahlen bombardiert“.

    Der Linken-Fraktionsvize Dietmar Bartsch fordert indes mehr Engagement, um die sozialen Verwerfungen der Pandemie zu bekämpfen. Sein Grünen-Amtskollege Anton Hofreiter kritisiert hingegen, es sei für ihn nicht nachvollziehbar, warum die Regierung nach mehr als sechs Monaten Pandemie weder eine ausgereifte Teststrategie noch ein Konzept zur flächendeckenden Ausstattung mit Luftfiltern vorgelegt habe.

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