Brüssel. Nächsten Sonntag sollten in Europa zum letzten Mal die Uhren auf Sommerzeit umgestellt werden. Eine Blockade in Brüssel verhindert das.

  • Zweimal jährlich sorgt die Zeitumstellung dafür, dass Menschen in ganz Europa ihre Uhren vor- oder zurückstellen
  • Am kommenden Sonntag hätte das eigentlich ein letztes Mal passieren sollen
  • Doch der Plan zur Abschaffung der Zeitumstellung wird vorerst nicht umgesetzt

Der nächste Sonntag sollte in Europa ein besonderer Tag sein. Am frühen Morgen des 28. März sollten die Uhren europaweit zum letzten Mal um eine Stunde auf Sommerzeit vorgestellt werden, so hat es das EU-Parlament vor zwei Jahren beschlossen.

In einem Teil der Europäischen Union, wahrscheinlich auch in Deutschland, hätte von nun an dauerhaft Sommerzeit gegolten – Länder, die sich lieber für ständige Normalzeit (sogenannte Winterzeit) entschieden, hätten im Oktober ein allerletztes Mal an der Uhr gedreht. Ein schöner Plan. Umgesetzt wird er nicht.

Ende der Zeitumstellung ist nicht in Sicht

Wenn am Sonntag die Nacht um eine Stunde verkürzt wird, ist ein Ende der halbjährlichen Zeitumstellung nicht in Sicht. Stattdessen wird in Brüssel ein bizarrer Streit ausgetragen: Kommission und Rat der EU schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu. Und weil beide entschlossen mauern, passiert in Europa bei diesem Thema seit vielen Monaten: nichts.

Das Kunstwerk „Zeitfeld“ in Düsseldorf. Am Sonntag werden die Uhren um zwei Uhr nachts umgestellt.
Das Kunstwerk „Zeitfeld“ in Düsseldorf. Am Sonntag werden die Uhren um zwei Uhr nachts umgestellt. © picture alliance/dpa | Fabian Strauch

Jetzt beklagen EU-Politiker gegenüber unserer Redaktion den Stillstand, machen die Mitgliedstaaten verantwortlich und fordern eine Entscheidung. Der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese sagte, es sei „wirklich ärgerlich“, dass sich der EU-Rat der Mitgliedstaaten noch immer nicht mit der für viele Menschen wichtigen Frage befasst habe.

Der SPD-Politiker Ismail Ertug warnte davor, die geplante Reform könne nun auf unbestimmte Zeit verschoben werden: „Ich befürchte, die Zeitumstellung wird uns leider noch einige Jahre erhalten bleiben.“ EU-Parlamentsvizepräsidentin Nicola Beer (FDP) forderte, der Rat der Mitgliedstaaten dürfe die Entscheidung „nicht länger verschleppen“, müsse allerdings darauf achten, dass mit dem Ende der Zeitumstellung kein Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen im Binnenmarkt entstehe.

Parlamentsvizepräsidentin Katarina Barley (SPD) sagte, das Thema „ist ein Beispiel dafür, wie häufig in der EU ­Gesetzesvorhaben im Rat der Mitgliedstaaten versanden“ und fortschrittliche Vorschläge des Parlaments durch die „Konsenskultur im Rat“ ausgebremst würden.

Mitgliedstaaten sind am Zug

Tatsächlich wären die Mitgliedstaaten seit Langem am Zug. Eigentlich seit September 2018. Damals hatte die Kommission einen Gesetzesvorschlag zur Beendigung der Zeitumstellung vorgelegt. Denn einerseits ist der ursprünglich erhoffte Energiespareffekt minimal, andererseits sprach sich in einer europaweiten amtlichen Umfrage eine große Mehrheit der Bürger für die Abschaffung aus. Als Endtermin schlug die Kommission das Frühjahr 2019 vor, was technisch aber kaum machbar war.

Das EU-Parlament stimmte später für eine Vertagung auf das Frühjahr 2021. Doch auch dieser Termin ist geplatzt, weil die Mitgliedstaaten die notwendige Festlegung und eine abschließende Verständigung mit dem Parlament verweigern.

Eine Reihe von Regierungen, darunter auch die deutsche in Berlin, beharren darauf, dass erst noch die Kommission eine Untersuchung zu den Auswirkungen der Reform vorlegt.

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    Entsprechend äußerte sich auch das Bundeswirtschaftsministerium gegenüber unserer Redaktion: „Die Bundesregierung erachtet eine europaweite Folgenabschätzung als eine wichtige Voraussetzung für ein angemessenes und harmonisiertes Vorgehen“, erklärt das Ministerium. „Die EU-Kommission hat bislang eine solche Folgenabschätzung noch nicht vorgelegt.“ Das wird auch nicht passieren, wie alle wissen.

    „Der Ball liegt jetzt im Feld der Mitgliedstaaten, die eine gemeinsame Ratsposition finden müssen“, erklärt die Kommission. Sie macht auf Anfrage deutlich, dass sie eine Folgenabschätzung nicht vorlegen wird. Das verfügbare Material, auf das sich die Kommission 2018 in ihrem Vorschlag bezogen habe, sei als analytische Basis für die Gesetzgebung ausreichend, sagte ein Sprecher.

    In dem Streit geht es um mehr als eine Untersuchung. Einige Mitgliedstaaten haben grundsätzliche Bedenken. Andere tun sich sehr schwer mit der Frage, ob sie sich für Sommer- oder Winterzeit entscheiden sollen. Und viele Regierungen treibt die Sorge um, wie sie sich mit ihren Nachbarländern abstimmen sollen.

    Im Rat der Mitgliedstaaten heißt es deshalb nur, es gebe derzeit keine Diskussionen zu dem Thema. Der CDU-Politiker Liese nannte es verständlich, dass das Thema während der Pandemie keine Priorität habe – doch hätte der Rat auch vorher ausreichend Zeit gehabt. Der SPD-Politiker Ertug bemängelte, dass auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) während der deutschen Ratspräsidentschaft 2020 das Thema nicht mal auf die Tagesordnung gesetzt habe.

    Altmaier war anfangs ein begeisterter Verfechter dauerhafter Sommerzeit in Deutschland. Der Elan ist längst verflogen. Auch die Bundesregierung hat die Frage, ob künftig hierzulande dauerhaft Sommer- oder Winterzeit gelten soll, auf die lange Bank geschoben.