Berlin . Eine Afghanin klagt gegen die Auswertung ihrer Handydaten im Asylverfahren – und gewinnt. Was bedeutet das Urteil für die Asylpolitik?

Eine Asylsuchende aus Afghanistan hat vor dem Berliner Verwaltungsgericht erfolgreich gegen die Auswertung ihres Handys im Asylverfahren durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) geklagt. Das teilte die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) unserer Redaktion mit. Ein Sprecher des Gerichts bestätigte auf Nachfrage die erfolgreiche Klage der afghanischen Asylsuchenden. Details nannte der Gerichtssprecher nicht, eine schriftliche Fassung des Urteils von diesem Dienstag liegt noch nicht vor.

Offenbar soll über die Rechtmäßigkeit der Handyauswertung nun abschließend in einer Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht entschieden werden. „Das Verwaltungsgericht bestätigt mit dieser Entscheidung, was wir seit Jahren sagen: Das Bamf verletzt mit seinen Handydatenauswertungen Grundrechte“, heißt es von Seiten der GFF, die das Verfahren an der Seite der 44 Jahre alten Afghanin geführt hat.

Demnach sieht das Gericht die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage nicht erfüllt, wenn das Bundesamt zu Beginn des Asylverfahrens das Handy der afghanischen Geflüchteten ausliest und die Daten speichert, „ohne mildere Mittel zu prüfen“.

Bamf will in Revision gegen das Urteil gehen – vor dem Bundesverwaltungsgericht

Das Verwaltungsgericht hat nicht über die Handyauswertung durch das Bamf an sich entschieden, sondern über den Einzelfall der Frau aus Afghanistan. Das Bundesamt erklärte auf Nachfrage unserer Redaktion, es habe das Urteil „zur Kenntnis genommen“ und warte zunächst die schriftliche Begründung ab, „um diese auswerten zu können“.

Ein Sprecher des Bundesamtes hob hervor: „Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung hat das Gericht dem Antrag des Bundesamts auf Zulassung der Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht stattgegeben.“

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Will nun vor das Bundesverwaltungsgericht ziehen: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bamf
Will nun vor das Bundesverwaltungsgericht ziehen: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bamf © Getty Images | Sean Gallup

Seit 2017 dürfen die Asylprüfer vom Bamf das Handy eines Geflüchteten analysieren, sofern sich der Schutzsuchende nicht ausweisen kann, zum Beispiel, wenn er ohne Pass nach Deutschland einreist. Die Daten sollen helfen, die Herkunft einer Person zu überprüfen.

Jedes Jahr liest das Bamf Tausende Handys aus – interessant ist das Ergebnis

Jedes Jahr liest das Bundesamt mehrere Tausend Handys von Asylantragstellerinnen und Antragstellern aus, Kinder sind ausgenommen. Alles, was auf dem Handy gespeichert ist, landet in einem „Datentresor“ der Behörde. In etwa einem Drittel der Fälle wertete das Amt die Daten aus dem „Tresor“ tatsächlich aus. Ein Volljurist muss diese Maßnahme vorher genehmigen. Allerdings ist auch er Mitarbeiter des Bamf.

In 60 Prozent der Fälle ergaben sich nach Angaben des Bundesamtes „keine zusätzlichen Erkenntnisse“ für das Asylverfahren, wie die Behörde im vergangenen Sommer mitgeteilt hatte. In 38 Prozent der Fälle bestätigen die ausgewerteten Daten die Angaben des Geflüchteten. Und nur bei zwei Prozent widerlegen die Analysen die Aussagen.

Das Bundesinnenministerium bezeichnete die Handyauswertung in diesen Fällen als „die einzige oder jedenfalls eine wichtige Quelle für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit einer Person“. Durch enge Vorgaben werde die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte des Asylsuchenden gewahrt.

In Paragraf 48 des Aufenthaltsgesetz heißt es: „Die Auswertung von Datenträgern ist nur zulässig, soweit dies für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit des Ausländers und für die Feststellung und Geltendmachung einer Rückführungsmöglichkeit in einen anderen Staat nach Maßgabe von Absatz 3 erforderlich ist und der Zweck der Maßnahme nicht durch mildere Mittel erreicht werden kann.“

Das Bundesgericht muss klären: Ist die Handyauswertung mit Grundgesetz konform?

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte sieht diesen Eingriff in die Privatsphäre des Asylantragstellers nicht mit den Grundrechten vereinbar. Zumindest im Fall der afghanischen Geflüchteten sieht das Berliner Verwaltungsgericht den Eingriff als rechtswidrig an.

Überprüft wurde der Einzelfall – nicht die grundsätzliche Auswertung von Handydaten. Dies könnte nun in einem Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht geschehen. „Sollte das Bamf nun in Revision gehen, dann kann das höchste deutsche Verwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der aktuellen Bamf-Handydatenauswertungen entscheiden“, heißt es von Seiten der GFF. Das, so der Anwalt der afghanischen Klägerin, wäre ein wichtiger Schritt für den Datenschutz von Geflüchteten.