Berlin. Das Chaos an den Flughäfen schadet allen, meint Jörg Quoos. Es beruht auf Fehlplanung, Verantwortungslosigkeit und Kostendrückerei.

Die Urlaubszeit sollte die erholsamste Zeit des Jahres sein. Damit man Kraft schöpfen, abschalten, regenerieren kann. Am besten weit weg vom Alltag, in wenigen Stunden mit dem Flugzeug. Doch dieses Jahr ist alles anders. Wer schon kaputt in den Urlaub aufbricht, holt sich spätestens am deutschen Flughafen den Rest.

Stundenlange Wartezeiten, unerreichbare Hotlines, Flüge, die nach dem Zufallsprinzip gestrichen werden – der Weg in den Urlaub wird zum nervenaufreibenden Lotteriespiel, bei dem Zehntausende verlieren. Mit einem fatalen Mix aus Fehlplanung, politischer Verantwortungslosigkeit und Kostendrückerei ist ein wichtiger Bestandteil unserer Infrastruktur ins Chaos gestürzt worden. Dabei gibt es drei Hauptschuldige, die uns die schönsten Tage des Jahres vermiesen.

Jörg Quoos, Chef der Zentralredaktion
Jörg Quoos, Chef der Zentralredaktion © Dirk Bruniecki

Entschuldigungsbrief gleicht einer Bankrotterklärung

Die Airlines haben – trotz milliardenschwerer Subventionen der Steuerzahler – in Pandemie-Panik viel zu viele Leute rausgeworfen und wundern sich jetzt, dass sie nicht auf Knopfdruck geschultes Personal finden. Der Entschuldigungsbrief des Lufthansa-Vorstands gleicht einer Bankrotterklärung und lässt nichts Gutes bis weit ins nächste Jahr erwarten.

Aber auch die Flughäfen sind mit ihrer Methode gescheitert, die Personalausstattung zusammenzustreichen und auch noch den letzten Cent Lohnersparnis auszuquetschen. Wer zu wenige Kollegen hat und nicht anständig bezahlt wird, der hat halt keine Lust auf harte Arbeit in Früh-, Spät- oder Wochenendschichten oder auf eine Urlaubssperre zur besten Reisezeit.

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Subkultur des dumpinglohnoptimierten Subunternehmens

Aus gutem Grund haben bis in die 90er-Jahre Beamte für die Sicherheit an den Gates gesorgt. Andere Nationen fahren bis heute exzellent damit. In Deutschland herrscht dagegen eine Subkultur des dumpinglohnoptimierten Subunternehmens. Besonders absurd ist, dass der Sparfimmel beim Personal vielleicht die Tantiemen der Flughafenmanager hochtreibt – aber gleichzeitig volkswirtschaftliche Schäden verursacht, die um den Faktor X größer sind als die eingesparten Löhne.

Niemand hat bislang gewagt auszurechnen, wie viele Milliarden Euro Schaden der Volkswirtschaft durch geplatzte Geschäfte, unerreichte Termine oder abgesagte Urlaube entstanden ist. Von der vertrödelten Zeit in kilometerlangen Warteschlangen ganz zu schweigen.

Warteschlangen von mehreren hundert Metern vor den Sicherheitskontrollen am Flughafen Köln-Bonn. Es war eine Plan- und Ratlosigkeit, die Deutschland in dieses Chaos geführt hat.
Warteschlangen von mehreren hundert Metern vor den Sicherheitskontrollen am Flughafen Köln-Bonn. Es war eine Plan- und Ratlosigkeit, die Deutschland in dieses Chaos geführt hat. © dpa | Thomas Banneyer

Lust auf Urlaub und Tapetenwechsel

Dass die Probleme kommen, hätte man auch in der Politik rechtzeitig erkennen können – Warnungen gab es jedenfalls genug. Und dass die Deutschen nach zweieinhalb Jahren anstrengender Pandemie wieder Lust auf Urlaub und Tapetenwechsel bekommen, sollte auch niemanden wirklich überraschen. Hier haben die Verkehrspolitiker versagt, die den Ordnungsrahmen schaffen müssen für eine Infrastruktur, die ihren Namen auch verdient.

Der Versuch, jetzt im Hauruckverfahren Personal aus der Türkei nach Deutschland an die Flughäfen zu holen, zeigt die ganze Plan- und Ratlosigkeit, die Deutschland in dieses Chaos geführt hat. Die Pro­bleme müssen nicht nur akut, sondern dauerhaft und nachhaltig gelöst werden.

Geld es erst, wenn die Leistung erbracht ist

Helfen könnte dabei vielleicht ein Bezahlprinzip, das sich in anderen Branchen bewährt hat. Motto: Geld für einen Flug gibt es erst, wenn die Leistung ordentlich erbracht ist. Wie beim Malermeister, der selbstverständlich erst nach einem sauberen Anstrich seinen Lohn bekommt. Oder beim Taxifahrer, der sein Geld erst sieht, wenn man das Ziel erreicht hat.

Diese Umkehrung würde lästige Erstattungsbürokratie bei Flugstreichungen ersparen und wäre ein echter Anreiz für die Airlines, die Flüge auch bei widrigsten Umständen durchzuziehen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.