Wageningen. 2070 ist es so weit: Dann werden ein Drittel der Menschen in Regionen leben, die eigentlich zu heiß sind. Wenn sie nicht auswandern.

Churu im indischen Bundesstaat Rajasthan, Sommer 2019: 32 Tage lang litten die Menschen in dem Ort unter extremer Hitze bis zu 51 Grad. Zahlreiche Menschen starben an der Hitzewelle.

Zu heiß zum Leben: Das wird es in Zukunft immer öfter für einen Teil der Menschheit geben. In 50 Jahren – 2070 – könnte ein Drittel der Weltbevölkerung – 3,5 Milliarden Menschen – von extremer Hitze betroffen sein, berichten Forscher von der Wageningen University (Niederlande).

Denn während die Länder bislang nur an den Jahresdurchschnitt von 29 Grad heran ragen, könnten sie ihn bis 2070 übersteigen, heißt es im Bericht „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften (PNAS), den die niederländischen Wissenschaftler um Marten Scheffer nun veröffentlicht haben.

29 Grad ist die Grenze für die sogenannte klimatische Nische, in der Menschen seit 6000 Jahren liegen. Sofern sie nicht auswandern, müssten immer mehr Menschen Temperaturen aushalten, die außerhalb dieser Zone liegen.

Forscher Marten Scheffer: Es gibt keine Erleichterung in absehbarer Zeit

„Das Coronavirus hat die Welt in einer Weise verändert, die noch vor wenigen Monaten schwer vorstellbar war und unsere Ergebnisse zeigen, wie der Klimawandel etwas Ähnliches bewirken könnte“, wird Scheffer in einer Mitteilung seiner Universität und der anderen beteiligten Forschungseinrichtungen zitiert. Die Veränderungen würden zwar weniger schnell ablaufen, aber anders als bei der aktuellen Pandemie könne man nicht auf eine Erleichterung in absehbarer Zeit hoffen.

So steige allein dadurch – und jenseits aller anderen Einflussgrößen wie etwa fehlendem Regen oder Temperaturempfindlichkeit von Feldfrüchten – die Gefahr für Nahrungsmangel, sagen Experten.

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Ab 29 Grad sinkt die Leitung um 15 Prozent

Die Annahme, den an Hitze gewohnten Menschen machten steigende Temperaturen nichts aus, sei schlichtweg falsch, wird Andreas Deußen, Leiter des Physiologischen Instituts der TU Dresden in Medienberichten zitiert. Ab 29 Grad sinke die Leistung um 15 Prozent, bei 31 Grad könne nur noch die Hälfte der körperlichen Arbeit geleistet werden.

Arbeiten in der Landwirtschaft könnte in ohnehin heißen Ländern in Nordafrika, Mittelamerika oder dem indischen Subkontinent noch schwieriger werden, weil Bauern dort mit steigenden Temperaturen körperlich immer unproduktiver würden.

Allerdings: Bis zu einem gewissen Grad können sich Menschen an die Hitze anpassen, berichten Experten der Berliner Charité. Ein erwachsener Mensch könne zwei Liter pro Stunde ausschwitzen, hitzetrainierte Menschen bis zu vier Liter.

Je mehr wir schwitzen, desto besser wird der Körper gekühlt

Je mehr wir ausschwitzen, desto besser wird der Körper durch die Verdunstung des Schweißes gekühlt. Voraussetzung sei allerdings, dass genug getrunken werde.

In Deutschland fühlen wir uns wohl, wenn die Temperatur bei sitzenden Tätigkeiten zwischen 23 bis 26 Grad Celsius liegt, so das Umweltbundesamt. Wird es am Arbeitsplatz wärmer, könne die Produktivität einigen Untersuchungsergebnissen zufolge zwischen drei und zwölf Prozent abnehmen.

Gründe sind wahrscheinlich Flüssigkeitsmangel, nicht erholsamer Nachtschlaf und ein gestörter Biorhythmus. Ab 37 Grad Außentemperatur wird es auch den Menschen in Europa zu heiß – dann steigt die Gefahr der Überhitzung. Die Folge: Hitzschlag.

Nicht nur für Menschen ist die extreme Hitze gefährlich. Auch im Meer wird es immer mehr Hitzewellen geben, warnen Forscher. (bik)

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