Berlin. Die Bilanz der Gleichberechtigung fällt zum Weltfrauentag mau aus. In Chefetagen haben vor allem Männer das Sagen. Was jetzt Mut macht.

In vielen deutschen Städten werden am Dienstag Tausende Frauen durch die Straßen ziehen. Es ist Weltfrauentag – und auch im Jahr 2021 ist Deutschland von der vollständigen Gleichberechtigung noch weit entfernt.

Frauen verdienen nach wie vor weniger Gehalt, haben im Alter weniger Geld zur Verfügung, leisten aber mehr Erziehungs- und Pflegearbeit. In wirtschaftlichen Spitzenpositionen sind Frauen weiterhin unterrepräsentiert. Und doch gibt es Entwicklungen, die auch Mut und Hoffnung auf eine Angleichung machen. Fünf Probleme – und mögliche Mutmacher:

1. Problem: Frauen erhalten weniger Gehalt als Männer

Im Jahr 2021 haben Frauen in Deutschland laut einer Berechnung 18 Prozent weniger als Männer verdient. In Euro gerechnet macht das einen Unterschied von 4,16 Euro pro Stunde. Es geht dabei kaum voran. Auch im vergangenen Jahr betrug die geschlechterspezifische Lohndifferenz, der sogenannte Gender-Pay-Gap, 18 Prozent.

Binnen 15 Jahren ist die Lücke nur um fünf Prozentpunkte geschrumpft. Deutliche Unterschiede gibt es dabei zwischen Ost und West. Im Osten, wo Frauen öfter Vollzeit arbeiten, liegt der Gender-Pay-Gap lediglich bei 6 Prozent – im Westen bei 19 Prozent. Lesen Sie auch: Wie Ministerinnen Sexismus erleben – und was sie tun wollen

Das macht Hoffnung: Frauen haben Männer in vielen Bereichen überholt. Sie erzielen laut einer Auswertung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung die besseren Schul- und Berufsabschlüsse und nehmen auch häufiger an Weiterbildungen teil als Männer.

Laut WSI habe zur bisherigen Verringerung des Gender-Pay-Gaps vor allem die Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 beigetragen. Von der nun im Herbst geplanten Anhebung auf zwölf Euro würden Frauen im Schnitt mehr profitieren als Männer.

2. Problem: Die Chefetagen sind männlich dominiert

94 Frauen arbeiteten zum Stichtag 1. Januar 2022 laut einer Auswertung des Beratungsunternehmens EY in den Vorstandsetagen der aktiennotierten Unternehmen der Dax-Familie. 94 Frauen – in 160 Unternehmen. In der Hälfte der Firmen saß keine einzige Frau im Top-Management.

Von allen 40 Dax-Unternehmen führt mit Belén Garijo nur eine einzige Frau einen deutschen Top-Konzern als Vorstandschefin. Die 61-jährige Spanierin ist Chefin des Darmstädter Pharmakonzerns Merck.

Das macht Hoffnung: Die gesetzliche Frauenquote zeigt eine erste Wirkung. Börsennotierte Unternehmen mit mehr als 2000 Beschäftigten und mehr als drei Vorstandsmitgliedern müssen bei Neubesetzungen seit dem vergangenen Jahr mindestens eine Frau in den Vorstand holen. Das Gesetz betrifft zwar nur 66 Unternehmen in Deutschland. In nur noch 19 von diesen Firmen sitzen ausschließlich Männer im Vorstand. Allerdings umgehen manche Unternehmen die Frauenquote.

Merck-Chefin Belén Garijo ist die einzige Frau an der Spitze der 40 Dax-Konzerne.
Merck-Chefin Belén Garijo ist die einzige Frau an der Spitze der 40 Dax-Konzerne. © picture alliance/KEYSTONE | Adrien Perritaz

3. Problem: Die großen Wirtschaftsverbände sind Männerdomänen

Nicht nur in den Unternehmen, auch in den großen Wirtschaftsverbänden, die in direktem Kontakt zur Politik stehen, haben Männer das Sagen. Von den acht im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) organisierten Gewerkschaften wird lediglich die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft mit Maike Finnern von einer Frau geführt.

Auch auf Arbeitgeberseite dominieren die Männer die wichtigsten Spitzenverbände, egal ob bei der Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeber (BDA) mit Präsident Rainer Dulger, dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) mit Präsident Peter Adrian, dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) mit Präsident Siegfried Russwurm oder dem Zentralverband des Deutschen Handwerks mit Präsident Hans Peter Wollseifer. Zwei der wenigen Ausnahmen in der breiten Verbandslandschaft: Hildegard Müller, Präsidentin des mächtigen Verbandes der Automobilindustrie und Ingrid Hartges, Chefin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes.

Das macht Hoffnung: Mit Yasmin Fahimi wird erstmals eine Frau den Deutschen Gewerkschaftsbund führen. Die 54-Jährige soll im Mai gewählt werden.

4. Problem: Frauen investieren seltener am Kapitalmarkt

Rund 12,1 Millionen Deutsche sind nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts (DAI) in Form von Aktien, Fonds oder aktienbasierten ETFs am Kapitalmarkt investiert – nur jede dritte ist davon weiblich. Knapp 40 Prozent der Frauen, die nicht investieren, nennen laut einer aktuellen Studie der Direktbank N26 unzureichende Kenntnisse über die Geldanlage. Knapp jede fünfte scheut der Studie zufolge, die unserer Redaktion vorab vorliegt, das Risiko. Jede zweite Befragte gab zudem an, ohnehin nicht über die finanziellen Mittel für eine breite Geldanlage zu verfügen.

Männer dagegen sind häufig risikofreudiger, probieren auch Produkte aus, die sie nicht immer verstehen. Insbesondere mit Blick auf die private Altersvorsorge stehen sie damit oft besser dar.

Das macht Hoffnung: Wenn Frauen Geld anlegen, sind sie meist erfolgreicher als Männer – wie gleich mehrere Studien zeigen. Laut „Female Finance“ erwirtschaften Frauen im Schnitt eine um 0,6 Prozentpunkte höhere Rendite als Männer. Die finanzielle Unabhängigkeit wird Frauen wichtiger.

5. Problem: Frauen haben im Alter weniger Geld zur Verfügung

Beim sogenannten Gender-Pension-Gap, also der geschlechtsspezifischen Rentenlücke, liegt Deutschland unter den 26 europäischen OECD-Staaten auf dem letzten Platz. Frauen haben demnach eine um 46 Prozent geringere Altersvorsorge als Männer. Zum Vergleich: Im Nachbarland Dänemark liegt der Unterschied bei sieben Prozent.

Im Durchschnitt erhalten Frauen fast 500 Euro weniger Rente als Männer. Neben den geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden und der geringeren privaten Altersvorsorge liegt das vor allem daran, dass Frauen immer noch häufiger in Teilzeit arbeiten, mehr Pflege- und Erziehungsaufgaben übernehmen – eine Entwicklung, die sich in der Pandemie noch verschärft hat.

Das macht Hoffnung: Auch mehr Väter beteiligen sich an der Kindererziehung. Zwischen 2009 und 2019 hat sich der Anteil der Väter, die Elternzeit nehmen, fast verdoppelt – allerdings auf niedrigem Niveau. Trotzdem scheint ein Umdenken langsam einzusetzen.